08.09.2023

"Ich bin bereit zu kandidieren"

Interview in der Thüringer Allgemeinen am 08. September 2023

Sie sind gerade beim „Friedensfest“ Ihrer Partei in Weimar aufgetreten. Wie heimisch fühlen Sie sich an einem Ort, an dem Ihre Genossen Waffenlieferungen an die Ukraine ablehnen?

Es gibt gute Gründe zu sagen, dass Waffenlieferungen Konflikte eher verschärfen. Dass man in Krisenregionen keine Waffen liefern sollte, finde auch ich grundsätzlich richtig. Allerdings zeigt der Ukraine-Krieg, dass einige unserer grundsätzlichen Positionen in einem anderen Kontext betrachtet werden müssen. Insofern nehme ich mir die Freiheit heraus, unsere Positionen zu differenzieren.

Aus einer Minderheitenposition heraus?

Wenn man einen Parteitag zugrunde legt, ja. Anders als Sahra Wagenknecht finde ich aber, dass man mit einer Minderheitenposition in dieser sehr pluralen Partei gut leben kann. Hinsichtlich der Regierungsbeteiligung befand ich mich lange Zeit in der Minderheit. Inzwischen sind unsere Regierungsländer quasi die Ankerpunkte der Linken.

Wird der Wahlkampf 2024 zum Kulturkampf?

Wenn es ein Kampf um die Kultur bedeuten würde, wäre das ja super. Aber ich fürchte, Sie meinen etwas Anderes. Ich habe kein Problem damit, auch kulturkämpferische Debatten zu führen. Doch auch in diesen Debatten dürfen Fakten nicht verdreht oder negiert werden. Wer z.B. die Behauptung aufstellt, „die Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg“, hat den Schuss nicht gehört. Es geht  darum, Menschen für Arbeits- und Ausbildungsplätze zu gewinnen. Insofern sichert Zuwanderung die Perspektive unseres Freistaats. Zugleich verschließen wir nicht die Augen davor, dass Integration kein Selbstläufer ist. Und die Vorstellung, dass alle, die zu uns kommen, gute Menschen seien, trifft ebenso wenig zu, wie die Behauptung des Gegenteils.

Sie werfen in Artikeln und Aufsätzen der Thüringer CDU eine „kulturkämpferisch unterfütterte“ Erzählung vor, Ihre Regierung tue nichts für den ländlichen Raum. Und sie sehen sie generell „auf Tea Party-Kurs“, also dem der Rechtspopulisten unter US-Republikanern.

Diese Diskussion suggeriert ja, dass wir mit Pößneck, Schleiz, Suhl oder selbst Weimar eine Politik für Metropolen machen würden und es dort einen fundamentalen Unterschied zum ländlichen Raum gäbe. Ich halte diese Debatte für an den Haaren herbeigezogen. Thüringen ist ein ländliches Bundesland. Selbst für Erfurt gilt, dass es eine „Landstadt“ ist. , Wir haben hier keine wirkliche Stadt-Land-Differenz. Doch für die CDU ist die Behauptung des Gegenteils hilfreich. Sie kann sich so als vermeintliche Partei einer vermeintlichen ländlichen Mehrheit darstellen und suggerieren, die Minderheit in den Städten würde gegen das Dorf Politik machen. Diese Legende halte ich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt für gefährlich. Wie wir kleine und mittlere Städte im Blick haben, trägt dazu bei, dass es dem gesamten ländlichen Raum gut geht.

Gleichwohl gibt es die Differenz, dass der Zuspruch zu rechten und rechtsradikalen Parteien und Gruppierungen in Dörfern stärker ist als in Erfurt, Weimar, Jena. Die besetzen Orte, die andere aufgegeben haben.

Das gilt zwar nicht für alle Orte, ist auch nicht von der Hand zu weisen. Dennoch ist es kein Naturgesetz, dass das nur Populisten bei Wahlen reüssieren. Ich werbe sehr dafür, dass Menschen, denen es wichtig ist, dass Demokraten in den kommunalen Vertretungen bestimmen, sich bei der Kommunalwahl im kommenden Jahr zur Wahl zu stellen. Um vor Ort selbst zu entscheiden, muss man noch nicht mal einer Partei angehören. Man muss sich nur mit Gleichgesinnten zusammentun. Wir haben ein buntes Feld an freien Wählervereinigungen oder Listen der freiwilligen Feuerwehr. Ich würde mich freuen, wenn in der einen oder anderen Gemeinde auch eine Liste von Kulturakteuren kandidieren würde.

Warum bedeutet aus Ihrer Sicht die Kritik der CDU an der Berufung Ihrer Staatssekretäre einen Kulturkampf?

Dies habe ich der CDU gar nicht vorgeworfen. Ich habe vielmehr den Versuch der CDU kritisiert, mehr als 30 Jahre nach der Gründung Thüringens die Verfassung ändern zu wollen, um zu regeln, dass Minister künftig einen Berufsabschluss haben müssen. Nicht weil ich die Forderung falsch finde, sondern weil sie ein Problem benennt, das es gar nicht gibt. Die Landesregierung hat bei ihrer Berufungspraxis keinen Unterschied zu den Vorgängerregierungen seit 1990 vorgenommen.

Sie werfen der CDU vor, sie trage sie zur Erosion der Demokratie bei.

Ja, das tut sie in den Fällen, in denen sie den Eindruck erweckt, dass die Landesregierung widerrechtlich handeln würde, obwohl sie sich nicht anders verhalten hat als die Regierungen vorher, die sich an Recht und Gesetz hielten. Es ist ein großes Privileg der Demokratie, dass Parteien im Wettbewerb um den richtigen Weg zu ringen, dass sich eine Regierung für ihr Handeln verantworten muss. Aber der Blick in die USA zeigt, dass dieses Privileg nicht selbstverständlich ist. Demokraten haben die Verantwortung, die Auseinandersetzungen auf eine anständige Weise zu führen. Was man in Handgemenge der Tagespolitik an Druck aufbaut, muss auch langfristig Gültigkeit haben. Sollte die CDU in der nächsten Wahlperiode in die Lage kommen, als Juniorpartner mit Bodo Ramelow zu koalieren, werden ihre Minister und Staatssekretäre sicherlich nicht nach den Maßstäben beurteilt werden wollen, die sie heute bei ihrer Kritik an der Landesregierung ansetzt.

Dazu wird es schon deshalb nicht kommen, weil Sie sich die CDU vom Leib schreiben. Eine Tea Party fiele als Partner wohl doch aus?

Was ich sagte, gilt auch für mich. Wir werben um eine rot-rot-grüne Mehrheit. Aber Sie werden von mir kein kategorisches Nein zu einer Kooperation mit demokratischen Mitbewerbern hören. Im Übrigen hat nur die CDU einen Unvereinbarkeitsbeschluss zur Linken. Umgekehrt gibt es einen solchen Beschluss nicht. Zum politischen Wettbewerb gehört aber eben auch, der CDU deutlich zu machen, wo mir jenseits der sachlichen Argumente, über die man streiten kann, eine bestimmte politische Methode missfällt, und zwar deshalb, weil wir mit Blick auf die US-amerikanischen Republikaner sehen können, wie so eine Tea Party-Bewegung die Partei ruiniert und damit für Trump erst übernahmefähig gemacht hat. Ich würde der CDU in Thüringen ein solches Schicksal nicht wünschen.

Welche Rolle wird der Wahlkampf in Ihrer politischen Arbeit bis nächsten September spielen und welche Rolle Sie im Wahlkampf?

Für uns geht es jetzt erst mal um eine Mehrheit im Landtag für den Haushalt. Darüber hinaus gibt es eine ganze Reihe von Aufgaben, die noch zu erledigen sein werden. Ich hoffe, dass der Landtag in der Lage ist, sich zu verständigen. Zugleich wird alles, was man sagt und tut, auch unter Wahlkampf-Gesichtspunkten gemessen. Aber das ist in Ordnung. Ich habe mich bereit erklärt, für den Landtag zu kandidieren. Es bleibt abzuwarten, ob meine Partei dieses Angebot annimmt. Ich habe auch der Partei im Weimarer Land angeboten, als Direktkandidat anzutreten.

Was steht auf der Agenda des Kulturministers für das Ende der Legislatur?

Ehrlich gesagt: die Vorbereitung auf die kommende Wahlperiode. Das, was wir in dieser erreichen wollten, haben wir im Wesentlichen erreicht. Die Theaterverträge sind unter Dach und Fach. Wir haben die Digitalstrategie aufgestellt und sind jetzt so weit, die Dachverbände der Kultur in die institutionelle Förderung zu übernehmen. Über ein Landesmuseum werden wir nicht mehr diskutieren. Das Thema ist nicht an Corona, aber wegen Corona gestorben. Wir rufen Fragen für die nächsten Wahlperiode auf: mit dem Kulturrat zusammen eine neue Strategie für die kulturelle Bildung zum Beispiel. Und wir werden den kleineren Museen eine höhere Aufmerksamkeit widmen müssen, bei Fragen von Ausstattung und Kooperationen bei übergreifenden Funktionen, gemeinsamen Zentraldepots etwa.

Wird bis zur Landtagswahl die Sanierung des Goethe-Wohnhauses in Weimar von Land und Bund gesichert sein, die zusammen 35 Millionen Euro beisteuern sollen?

Wir müssen uns da auf zwei Ebenen bewegen: Entweder gelingt es uns, die Mittel Bund-Land-finanziert zu bekommen. Andernfalls werden wir eine langfristige Sanierungsstrategie entwickeln, die aber nicht heißt, dass das Haus quasi 13 Jahre lang geschlossen ist. Wir müssen uns ehrlich machen: Der Bund hat sehr deutlich macht, dass künftig weniger Geld zur Verfügung stehen wird. Das wird uns auch bei den Schlössern und Gärten beschäftigen. Kulturpolitisch sage ich, dass wir angesichts dessen, was wir dort mit dem Sonderinvestitionsprogramm I begonnen haben, landesseitig wahrscheinlich im gleichen Umfang von 100 Millionen auch dann fortsetzen müssen, wenn der Bund nicht wieder 100 Millionen dazu beisteuert.

Wie wahrscheinlich ist dann noch eine institutionelle Beteiligung des Bundes an Gothas Friedenstein-Stiftung?

Wir werden bald darüber diskutieren, aber ich bin eher skeptisch als optimistisch.. Gleichzeitig lasse ich mich gerne überraschen. Falls sich der Bund institutionell beteiligen wollen würde, müssen wir den Umfang und die Modalitäten klären. Ein möglicher Ansatz könnte sein, die Forschungsbibliothek und die Stiftung Schloss Friedenstein zu vereinen. Angesichts unserer Erfahrungen mit der Klassik-Stiftung Weimar wäre dies wertvoll. Persönlich würde ich Friedenstein in Zukunft gerne als Forschungseinrichtung sehen, idealerweise als Leibniz-Institut.

Wird der Stiftungsrat, dem Sie vorstehen, die Amtszeit der aktuell 60-jährigen Ulrike Lorenz als Präsidentin der Klassik-Stiftung über 2025 hinaus verlängern, und wenn ja, für wie lange?

Der Stiftungsrat hat mich auf meine Bitte hin beauftragt, mit der Präsidentin Gespräche zu führen für eine zweite Amtszeit, die über das Renteneintrittsalter hinausgehen könnte. Ich freue mich, diese Gespräche zu führen.

Das Interview auf der Webseite der Thüringer Allgemeinen (TA).