10.05.2023

Vom Wandel zum Fortschritt - Klausur der rot-rot-grünen Landesregierung

Erklärung zur Ettersburger Kabinettklausur der Thüringer Landesregierung am 08./09. Mai 2023

TH

Die Nachwendezeit ist erfolgreich abgeschlossen – die Erfahrungen wirken fort Thüringen und die ostdeutschen Länder sind in eine neue Phase der Entwicklung eingetreten. Eine Generation nach der Friedlichen Revolution und der deutschen Wiedervereinigung haben die hiesigen Verhältnisse nur noch wenig mit den frühen Nachwendejahren gemein.

Nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch gelang in Ostdeutschland eine Reindustrialisierung. Seit Mitte der 1990er Jahre wächst der ostdeutsche industrielle Sektor wieder überdurchschnittlich rasch. Knapp ein Viertel der Bruttowertschöpfung des Landes wird
inzwischen in der Industrie erarbeitet und mit 81 Industriearbeitsplätzen je 1.000 Einwohner liegt Thüringen deutlich über dem Bundesdurchschnitt und weit vor den anderen neuen Ländern.

Obwohl die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner unseres Freistaates seit 1990 um eine halbe Million Menschen insgesamt und besonders die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter stark zurückgegangen ist, und obwohl mehr Menschen in die Rente
oder den Ruhestand gegangen, als junge Menschen in den Arbeitsmarkt eingetreten sind, blieb die Zahl der Erwerbstätigen in den vergangenen 10 Jahren insgesamt stabil bei knapp über einer Million.

Es war ein langer Weg aber erfolgreicher Weg von der „gekränkten“ Thüringer Arbeitsgesellschaft bzw. den „ostdeutschen Arbeitsspartanern“ der frühen 90-iger Jahre zur inzwischen niedrigsten Erwerbslosenzahl in Ostdeutschland und der zweithöchsten Beschäftigungsquote aller Bundesländer.

Die traumatisierende Erfahrung von Massenarbeitslosigkeit und Deindustrialisierung nach der Wiedervereinigung wird noch auf lange Zeit Bestandteil der kollektiven ostdeutschen Erinnerung bleiben. Hinzugetreten sind jedoch neue Erfahrungen. Die disziplinierende Wirkung hoher Arbeitslosigkeit nimmt deutlich ab, das lange Zeit dominante Niedriglohnmodell erodiert – zum Glück.

Thüringen ist in den vergangenen zehn Jahren entgegen der demographischen Laufrichtung gewachsen. Dennoch sind Probleme wie niedrige Löhne und eine hohe Arbeitsbelastung weiterhin virulent und tragen gerade in strukturschwachen Regionen und zu ei-
nem weiterhin bestehenden Unsicherheitsempfinden in der Lebensführung bei.

Seit 2014 zeigen wir erfolgreich als rot-rot-grüne Landesregierung, dass der ökonomische und gesellschaftliche Wandel kein unabänderliches Naturereignis ist, sondern gestaltet werden kann und muss. Unser Anspruch, in allen Landesteilen gleichwertige Le-
bensverhältnisse zu schaffen und niemanden zurückzulassen, wird auch künftig Maßstab unseres Handelns sein.

Chancenland Thüringen

Thüringen ist inzwischen ein Chancenland. Für junge Menschen und erfahrene Beschäftigte gleichermaßen. Ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind heute keine sogenannte Problemgruppe mehr am Arbeitsmarkt, sondern ein Erfolgsfaktor.

Zwischen 2010 und 2022 ging die Zahl der Arbeitslosen von 117.000 auf 58.000 zurück, die der Langzgeitarbeitslosen halbierte sich ebenfalls nahezu von 39.000 auf 21.000. 

Das Selbstbewusstsein der lohnabhängig beschäftigten Thüringerinnen und Thüringer wächst erkennbar. Zunehmend mehr Beschäftigte fordern bessere Arbeitsbedingungen ein und tragen so zu einer hohen Lohndynamik im Freistaat bei. 

Durch die gezielte Anpassung des Übergangs von der Schule in die Berufsbildung an die neuen Erfordernisse des Arbeitsmarktes ist es gelungen, die Abwanderung junger Arbeitskräfte aus Thüringen weitgehend zu stoppen.

Der Thüringer Arbeitsmarkt ist für den Nachwuchs attraktiv und aufnahmefähig. Auf 100 ausbildungswillige junge Menschen kommen durchschnittlich 140 Ausbildungsplätze in unserem Freistaat.

Fast 80 Prozent des Fachkräftebedarfs richtet sich, das erfahren wir aus der aktuellen Fachkräftestudie, auf klassische Ausbildungsberufe. Wir haben jeden Grund, bei jungen Leuten und an den Schulen für die Duale Ausbildung zu werben.

Wir werden im Rahmen der Thüringer Allianz für Berufsbildung und Fachkräfteentwicklung unsere Anstrengungen verstärken. Die Betriebe sind gefordert, Gute Arbeit bereits in der Ausbildung zu forcieren. So wird die berufliche Ausbildung wieder zu einer attraktiven Alternative zum Hochschulstudium.

Eine nachholende Internationalisierung prägt zusätzlich die Thüringer Arbeitswelt. Wer heute noch von vermeintlicher Einwanderung in die Sozialsysteme fabuliert, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt oder will sie nicht erkennen.

Von 11.000 auf knapp 67.000 stieg die Zahl der aus dem Ausland kommenden sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Sie kommen aus mehr als 150 Herkunftsländern und sie überkompensieren die Zahl der seit 2018 in den Ruhestand gehenden Thüringerinnen und Thüringer mit deutscher Staatsangehörigkeit. Davon profitiert der Freistaat.

Gemeinsam und mit Optimismus den nächsten Wandel erfolgreich gestalten

Noch während sich dieser Wandel vollzieht, hat die nächste große Transformation bereits begonnen. Der innovative und klimafreundliche Umbau der Wirtschaft, der ökonomische Strukturwandel insbesondere durch Digitalisierung und die Überwindung des demographisch bedingten Rückgangs der Zahl der Erwerbstätigen werden die zentralen Herausforderungen der kommenden Jahre sein.

Wissenschaftliche Projektionen der wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Entwicklung unseres Freistaates sind zunächst lediglich Voraussagen unter bestimmten Annahmen. Sie sind keine Vorwegnahme der Zukunft. Sie können politische Gestaltung er-
leichtern aber nicht ersetzen. Wir nehmen die Zukunft Thüringens selbstbestimmt in die Hand und bestimmen die Wege, die wir unter den benannten Rahmenbedingungen gehen. Wir stellen heute bereits die Weichen für den Übergang in die 2030er Jahre.

Unsere Erfahrungen zeigen, dass die Thüringer Wirtschaft stärker ist als die Demographie.

Wir werden die tiefgehenden Veränderungsprozesse für einen weiteren Innovationsschub auf allen Ebenen nutzen. Die Lage unseres Landes in der Mitte Deutschlands ist und bleibt ein Standortvorteil, den wir noch stärker zur Geltung bringen wollen.

Genauso nutzen wir den bereits jetzt schon hohen Anteil erneuerbarer Energien an der eigenen Stromherstellung in Thüringen als Standortvorteil. Die sauberen Energien sorgen für rund zwei Drittel des in Thüringen erzeugten Stroms.

Gut 90 Prozent der Bürgerinnen und Bürger unseres Freistaates fühlen sich mit ihrer Gemeinde, Region und dem Freistaat verbunden. Die sehr hohe Stabilität des sozialen Gefüges ist ein weiterer starker Ausdruck der Attraktivität unseres Landes als Lebens- und Arbeitsort. 

Nur gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern Thüringens, den Gewerkschaften, Kammern, Verbänden und gesellschaftlichen Gruppen wird aus Wandel Fortschritt. Wir werden dazu beitragen, dass sie in diesem Prozess Partner und aktiv Beteiligte sind.

Thüringer Zukunftsbündnis

Wir haben erfolgreiche Bündnisse innerhalb der Wirtschaft (Nachhaltigkeitsabkommen Thüringen) und zwischen Land und Kommunen (Klimapakt) etabliert. Aufbauend auf diesen Erfahrungen wollen wir insbesondere mit Gewerkschaften, Verbänden, Kammern, Wissenschaft, Kommunen und Kirchen ein Thüringer Zukunftsbündnis etablieren.

Das Zukunftsbündnis soll bestehende Netzwerke bündeln und ein Ort sein, an dem aus dem Austausch widerstreitender Interessen Ideen für den Thüringer Wandel entwickelt werden.

Thüringer Energie- und Klimastrategie

Unser Freistaat wird energiepolitisch unabhängig mit einer verlässlichen und planbaren Energieversorgung. Wir werden bis 2030 unseren Ausstoß an C02 in Thüringen um 70 Prozent reduzieren und bis 2040 unseren Energiebedarf zu 100% aus erneuerbaren Energien decken.

Thüringen investiert bereits mit dem Corona- und Energie-Sondervermögen, dem Klimapakt, dem Programm Klima Invest, dem Dekarbonisierungsbonus und weiteren Programmen in die Transformation.

Die Landesregierung verstärkt ihren Einsatz für die Energiewende. Nicht nur der Klimaschutz, sondern auch das Absichern einer verlässlichen Energieversorgung erfordert, dass wir Windenergieanlagen schneller genehmigen, die heimischen erneuerbaren Energien insgesamt schneller ausbauen und sie stärker im Gebäude- und Verkehrssektor nutzen. Zudem müssen wir mit Priorität in die Energie- und Gebäudeeffizienz investieren. Die Landesregierung ist sich dabei ihrer Vorbildrolle bewusst und setzt das Ziel der klimaneutralen Landesverwaltung um.

Erfolgreiche Energiewende durch breite Akzeptanz und bessere Beteiligung

Die Energiewende steht und fällt mit der gesellschaftlichen Akzeptanz. Umso wichtiger sind Beteiligungsmöglichkeiten, so dass jede und jeder an der Energiewende partizipieren und auch unmittelbar profitieren kann.

Bei Solaranlagen nehmen Bürgerinnen und Bürger die Energiewende selbst in die Hand – die Zahl der Anlagen wächst schnell Insbesondere bei Balkonkraftwerken.

Wir befördern Bürgerenergiegenossenschaften. Für die Planungsprozesse von Bürgerenergiegenossenschaften in Thüringen stehen 2,5 Millionen Euro für 2023 zur Verfügung.

Wir wollen schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren beim Ausbau der Windenergie und zugleich die Akzeptanz in der Bevölkerung verbessern. Wir wissen um die Vorbehalte bei vielen Bürgerinnen und Bürgern. Wir nehmen die Bedenken ernst, wir wollen gute und akzeptierte Lösungen. Dafür ist die Gesprächsbereitschaft auf allen Seiten und auf allen Ebenen erforderlich.

Gemäß dem Erneuerbare-Energien-Gesetz sollen Anlagenbetreiber Kommunen im Umkreis von Windenergieanlagen oder Standortgemeinden von Photovoltaik-Freiflächenanlagen finanziell beteiligen.

Um die Beteiligungen von Bürgerinnen und Bürgern sowie von Kommunen bei Windenergie-Anlagen noch besser und vor allem zuverlässig zu verankern, werden wir ein Windbeteiligungsgesetz vorlegen. Damit wird eine Win-Win-Situation für Betreiber von
Windparks, Anwohnerinnen und Anwohnern sowie der Kommunen erreicht.

Klimaneutrale Wirtschaft

Die Bundesrepublik Deutschland aber auch der Freistaat Thüringen haben sich gesetzlich verpflichtet, bis 2045 die Treibhausgas-Neutralität zu erreichen.

Mit dem zweitniedrigsten CO2-Ausstoß je Einwohner:in aller Bundesländer (ca. 5 Tonnen pro Jahr) weist Thüringen eine vergleichsweise gute Ausgangsposition auf. Allerdings sind die Emissionen in den letzten 20 Jahren kaum gesunken. Der Anteil der Thüringer Industrie an den CO2-Emissionen hat sich insbesondere als Folge der erfolgreichen Reindustrialisierung ab Mitte der 1990er-Jahre von knapp über 20 Prozent auf über 30 Prozent in 2010 erhöht. Positiv wiederum ist, dass sich dieses Niveau seither nicht erhöht hat.

Angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung des Verarbeitenden Gewerbes für Thüringen wollen wir die Chancen der Dekarbonisierung nutzen und die industrielle Basis Thüringens stärken. Dafür sind Innovationen ebenso unverzichtbar wie starke Sozialpartnerschaften und beste Qualifikationen der Beschäftigten.

Die Verfügbarkeit von Strom aus erneuerbaren Energien und grünem Wasserstoff wird zum wesentlichen Faktor für die Wirtschafts- und Wohlstandsentwicklung in Thüringen. Industrielle Prozesse, für die derzeit fossile Energieträger eingesetzt werden, müssen elektrifiziert oder auf grünen Wasserstoff umgestellt werden.

Niedersachsens rot-grüne Koalition hat einen Vorschlag für einen staatlich garantierten, bei maximal 7ct/kWh gedeckelten Transformationsstrompreis vorgelegt, der bei regelmäßiger Überprüfung und mit Blick auf die Angemessenheit Planungssicherheit für 10 Jahre bieten soll. Wir befürworten die Zielrichtung des Vorschlags, statt eines pauschalen Industriestrompreises, die Unternehmen in der industriellen Transformation konkret zu unterstützen.

Der Ausbau der erneuerbaren Energien und die Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff hat daher für die Landesregierung mit Blick auf die zukünftige Wirtschaftsentwicklung und unseren leistungsfähigen Industriestandort hohe Priorität.

Wesentliches Handlungsfeld sind auch hier Maßnahmen zur Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsprozesse. Die Bundesregierung muss den Pakt für Planungs und Genehmigungsbeschleunigung nun zügig mit den Ländern abschließen.

Wir werden ressortübergreifend sowie mit Vertreter:innen von Wirtschaft, Umwelt- und Naturschutz sowie den Kommunen prüfen, welche zusätzlichen Beschleunigungsmaßnahmen in Thüringen umgesetzt werden können.

In enger Abstimmung mit den Akteuren der Wirtschaft ermitteln wir den zukünftigen Bedarf der Netzinfrastruktur für Strom und Wasserstoff und richten die Förderung betrieblicher Investitionen auf die Dekarbonisierung aus.

Wir wollen mittelständischen Unternehmen den Zugang zu Förderangeboten des Bundes und der Europäischen Union erleichtern.

In all diesen Maßnahmen ist die reibungslose ressortübergreifende Zusammenarbeit unverzichtbar. Die IMAG „Dekarbonisierung der Wirtschaft“ hat sich seit ihrer Konstituierung als Plattform zum Informationsaustausch, vor allem aber auch zur Entwicklung gemeinsamer Strategieumsetzung bewährt. Sie wird die Entscheidungen der Landesregierung weiterhin vorbereiten.

Die bei der ThEGA angesiedelte Kompetenzstelle „Dekarbonisierung der Thüringer Wirtschaft“ ist und bleibt die zentrale Unterstützungseinrichtung für die betriebliche Dekarbonisierung.

Klimagerechter Umbau von Land- und Forstwirtschaft

Auch die Land- und Forstwirtschaft steht vor großen Herausforderungen, um den notwendigen Beitrag zu Thüringens Treibhausgasneutralität zu leisten.

Die Thüringer Bäuerinnen und Bauern und landwirtschaftlichen Betriebe werden wir wie bisher partnerschaftlich unterstützen. Denn sie sind die tragende Säule der Stabilität und Zukunftsfähigkeit der Dörfer und ländlichen Räume Thüringens.

Wir werden aufbauend auf den Instrumenten der Gemeinsamen Agrarpolitik, der Gemeinschaftsaufgabe Agrar und Küstenschutz sowie der Thüringer Landwirtschaftspolitik die verstärkte Förderung von Maßnahmen zum Umwelt-, Klima- und Naturschutz durch landwirtschaftliche Betriebe als auch die Unterstützung von notwendigen Investitionen zum Abbau von Emissionen, etwa im Bereich der Tierhaltung, unterstützen und begleiten.

Thüringen unternimmt große Anstrengen um die notwendigen Anpassungen an den Klimawandel im Wald zu fördern. Mit dem Aktionsplan Wald 2030 hat die Landesregierung bereits 2019 gute Rahmenbedingungen hierfür geschaffen. Zwischen 2023 und 2036 wollen wir als Freistaat 143 Millionen Euro zur Verfügung stellen und unterstützen sowohl den Landesforst als auch die kleinen Waldbesitzenden sowie die Kommunen beiden notwendigen Maßnahmen des Waldumbaus.

Strukturwandel der heimischen Automobilindustrie

Die Automobil- und Zulieferindustrie gehört zu den bedeutendsten Industriebranchen in Thüringen. Sie befindet sich seit vielen Jahren in einem Transformationsprozess, der vor allem die Bereiche Antrieb und Fahrwerk betrifft und durch das Land mit verschiedenen Maßnahmen aktiv flankiert wird. Deshalb sind – entgegen mancher Befürchtungen – größere Strukturbrüche im Freistaat ausgeblieben.

Vielmehr vollzieht sich eine differenzierte Entwicklung der Industrie mit Werksschließungen und Arbeitsplatzverlusten auf der einen Seite und Investitionsentscheidungen und positiven Beschäftigungseffekten auf der anderen Seite.

Die geopolitischen Entwicklungen prägen die Automobilbranche. Anhaltend hohe Energiepreise, Lieferengpässe und Kostensteigerungen bei den Vormaterialien sowie nicht planbare Volumenreduzierungen durch die Kunden sind herausfordernde Faktoren insbesondere für die Thüringer Zulieferunternehmen.

Die eingerichteten Strukturen zur Unterstützung des Transformationsprozesses entwickeln wir fort und verstetigen sie, wo dies geboten ist. Die Beratung von Unternehmen und Betriebsräten im Strukturwandel, die Verbesserung von Standortfaktoren in den Regionen und die Qualifizierung von Beschäftigten und Betriebsräten im Transformationsprozess sind unser strategisches Dreieck.

Mit unseren Förderprogrammen, die entsprechend der Anforderungen der Unternehmen und den sich wandelnden Herausforderungen angepasst werden, tragen zur schnellen Umsetzung von Projekten bei, mit denen diese zügig auf neue Entwicklungen reagieren können.

Durch niedrigschwellige Förderansätze in der FuE-Verbundförderung senken wir die Zugangshürden. Wir unterstützen die Automobil- und Zuliefererindustrie zudem bei der Erschließung neuer Geschäftsfelder, um die Produktdiversifikation zu erweitern und neue zukunftsträchtige Dauerarbeitsplätze bspw. im Bereich der Wertschöpfungskette Batterie zu schaffen.

Thüringen MOTIVation – bundesweit einmaliger Weg der Innovationsförderung

Mit ThüringenMOTIVation haben wir ein bundesweit einmaliges Programm geschaffen, das die Innovationsförderungen in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung bündelt. Mit einem Fördervolumen von 850 Millionen bieten wir nunmehr die Möglichkeit, passgenaue Unterstützung von der innovativen Forschungsidee bis zum fertigen Produkt zu erhalten. Dadurch können wissenschaftlicher Erkenntnisdrang und unternehmerisches Handeln sicher Hand in Hand gehen.

Willkommenskultur stärken – Zuwanderung gestalten – Arbeitskräfte gewinnen

Thüringen ist ein Einwanderungsland. Niemand sollte die Augen vor dieser Realität verschließen. Die Gewerkschaften ebenso wie die Arbeitgeber in Thüringen haben diese Realität erkannt. Sie erwarten von der Politik die Rahmenbedingungen für die Zuwanderung von Arbeits- und Fachkräften, für die gelingende Integration derjenigen die im Wege der Arbeitsmigration zu uns kommen ebenso wie der Menschen, die bereits bei uns leben.

Mit dem neuen Chancenaufenthaltsrecht geht die Bundesregierung grundsätzlich in die Richtung eines „Spurwechsels“. Geduldete, die seit fünf Jahren in Deutschland sind, können eine Beschäftigungs- und im besten Fall auch eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis bekommen. Wir wollen den Spurwechsel konsequent vollziehen. Kleinteilige Regelungen, die es den Menschen erschweren in Arbeit zu kommen und ein Bleiberecht zu erhalten, sollen beendet werden.

Unbürokratische und schnelle Anerkennung von Berufsabschlüssen und -qualifikationen, eine frühzeitige Integration in den Arbeitsmarkt und umfassende soziale Teilhabe nützt am Ende allen: Behörden, unserer Gesellschaft, dem Arbeitsmarkt und nicht zuletzt allen Menschen, die zu uns kommen.

Aufbauend auf den Digitalisierungs-Erfahrungen der Gesundheitsämter in der Pandemie, unterstützen wir alle Bemühungen des Bundes und der Länder die asyl- und ausländerrechtlichen Verwaltungsverfahren im kommunalen Bereich zu vereinheitlichen und vollständig zu digitalisieren.

Die Anerkennung im Ausland erworbener Abschlüsse wollen wir weiter beschleunigen. 

Die Landesregierung hat eine Vielzahl an Maßnahmen auf den Weg gebracht, mit der Fachkräftezuwanderung erfolgreich umgesetzt wird. Bereits 2015 wurde in ganz Thüringen dezentral eine Betreuungs- und Beratungsinfrastruktur aufgebaut, die sich bis heute bewährt und fortentwickelt wird.

Die Thüringer Agentur für Fachkräftegewinnung wurde (ThAFF) gestärkt und um „ThAFF-International“ erweitert. Sie ist die One-Stop-Agency für Unternehmen, Menschen aus dem Ausland und Netzwerke, die die Integration von internationalen Fachkräften unterstützen, bei Fragen des Aufenthaltsrechts, der Berufsanerkennung sowie der Vermittlung weiterer Unterstützungsstrukturen.

Inzwischen sind Menschen aus dem Ausland auch Teil der Unternehmens- und Stellenbörsen der ThAFF. Die Vermittlung von Auszubildenden aus dem Ausland in unsere Betriebe ist auf Wunsch vieler Unternehmen ein wichtiges Handlungsfeld. Wir fördern dies in Industrie, Handwerk aber auch in der Pflege und dem Gesundheitswesen. 

Der „Thüringer Weg“ setzt auf den engen Zusammenhang zwischen Aufenthaltsberechtigung und der Betreuung im Rahmen eines Ausbildungsverhältnisses. Über den Ausbildungsvertrag und die Ausbildungsvergütung ist damit auch der Lebensunterhalt gesichert. 

Als ein weiterer Beitrag zur Fachkräftesicherung wird künftig in einer Pilotphase eine Service-Einheit German Professional School (GPS) bei der Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) eingerichtet. Ihre Aufgabe ist die Koordination der Umsetzung einer 3,5-jährigen Pilotphase zur Errichtung von GPS-Standorten, an denen Menschen mit Fluchterfahrung sowie aus Drittstaaten mit einem integrierten Campuskonzept auf den thüringischen Arbeits- und Ausbildungsmarkt vorbereitet werden. Mit einem dezentralen Ansatz sollen zugleich thüringische Berufsschulstandorte gestärkt werden.

Bildungsland Thüringen: Digitalität, Praxisorientierung, Berufliche Schulen

Gute und moderne Bildung sind der Schlüssel für die erfolgreiche Gestaltung des Strukturwandels durch qualifizierte Thüringerinnen und Thüringer. 

Unser erfolgreiches Schul- und Berufsbildungssystem, in dem die Herausforderungen des Fachkräftebedarfs bereits seit Jahren bewältigt werden, ist dafür tragende Säule.

Der Ausbau der IT-Infrastruktur an den Thüringer Schulen und Berufsschulen wird fortgesetzt und intensiviert. Dafür nutzen wir die Mittel aus dem DigitalPakt Schule und setzen uns dafür ein, dass die Bundes- und Landesmittel auch nach 2024 verlässlich bereitstehen.

Erhalten und ausgebaut werden die inhaltlichen und funktionalen Angebote der Thüringer Schulcloud. Sie ist die etablierte und verlässlich funktionierende Bildungsplattform der Thüringer Schulen.

Die digitale Gesellschaft benötigt Medienkompetenz. Sie ist zugleich unverzichtbar für Bildungsteilhabe und Bildungserfolg. Wir werden die Thüringer Schulordnung ändern und das Fach „Medienbildung und Informatik“ ab der Klassenstufe 5 bis Klassenstufe 10 verpflichtend vorsehen.

Die Berufliche Orientierung bildet ebenfalls einen wesentlichen Baustein, um die Motivation der Schülerinnen und Schüler im Blick auf einen Abschluss zu erhöhen. Wir stärken die Praxistage als festen Bestandteil der beruflichen Orientierung an Schulen in einer komplexer werdenden Arbeitswelt.

Die neue Arbeitswelt bietet bessere Chancen für Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger. Sie sind künftig nicht mehr Fremdkörper, sondern Normalität modularen Bildungs- und Qualifikationserwerbs. Sie bringen oftmals einen besonderen Praxisbezug sowie andere wissenschaftliche und berufliche Qualifikationen mit. Im Bildungssystem stellen sie eine Bereicherung für den Unterricht und insbesondere für die berufliche Orientierung von Schülerinnen und Schülern dar.

Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit haben oberste Priorität. Deshalb ist es unser wichtigstes Ziel, alle Schülerinnen und Schüler zu einem Abschluss zu führen, ohne von den vereinbarten Bildungsstandards abzuweichen. Mit dem Landesprogramm Schulsozialarbeit, mit der ESF-Schulförderrichtlinie und zukünftig mit der Beteiligung am Startchancen-Programm des Bundes sorgen wir dafür, dass die Schulen zur Erreichung dieses Zieles sinnvoll unterstützt werden.

Auch Berufliche Schulen sind in im Zusammenhang mit KI, Robotik, virtueller Realität, Big Data besonders gefordert, eine Kultur der Digitalität in sämtliche Lehr- und Lernprozesse zu integrieren und die Potenziale digitaler Technologien durchgehend zu nutzen. Digital gestützte Lehr- und Lernprozesse müssen Kompetenzen fördern, die den Lernenden eine mündige, souveräne und aktive Teilhabe an der digitalisierten Lebens- und Arbeitswelt ermöglichen, den beruflichen Abschluss und den Einstieg in die Arbeitswelt sichern. Die Zielsetzung beruflicher Bildung, der Erwerb einer umfassenden Handlungskompetenz, bedingt, dass der Kompetenzerwerb im Kontext von digitalen Arbeits- und Geschäftsprozessen als fächerübergreifende Querschnittsaufgabe angelegt sein muss.

Gemeinsam leben in Thüringen mit guter sozialer Infrastruktur 

Auch im Chancenland Thüringen sind die gesellschaftlichen und individuellen Risiken ungleich verteilt. Wir lassen niemanden zurück und wollen allen Sicherheit im Wandel sowie gerechte Chancen bieten.

Dafür sorgen wir mit einer wohnortnahen sozialen Infrastruktur, verlässlichen Beratungs und Unterstützungsangeboten, der Förderung von Familien, Alten und Jungen sowie demokratischen Beteiligungsmöglichkeiten.

Beispielsweise das Landesprogramm „Solidarisches Zusammenleben der Generationen“, Dorfkümmerer, Bürgerbusse, Beratung nicht nur in Krisen, „Agathe“ als aufsuchenden Sozialarbeit gegen Einsamkeit im Alter und neue Formate der Gesundheitsversorgung schaffen Verlässlichkeit.

So schaffen wir den Rahmen dafür, dass die unterschiedlichsten Familienformen in Thüringen Raum und Anerkennung finden und dadurch sowohl den Veränderungen in der Arbeitswelt als auch den Bedürfnissen der Familien für gute Familienzeit z.B. mit besserer Vereinbarkeit von Beruf und Familie Rechnung getragen wird.

In die Zukunft finanzieren – Zukunftsfonds entwickeln

Wer den nächsten großen Wandel zum Fortschritt machen will, muss in die Zukunft investieren. Dafür braucht es massives Engagement in der Privatwirtschaft und zusätzlich öffentliche Investitionen auf allen Ebenen – von der Europäischen Union bis zu den Gemeinden.

Der Bedarf an Zukunftsinvestitionen angesichts des Klimawandels, der Knappheit fossiler Rohstoffe und der daraus folgenden Dekarbonisierung liegt schon allein für den Verkehrssektor und den Gebäudebestand auf der Hand.

Die öffentliche Hand muss als Aufgabenträger im Regional- und Nahverkehr die Voraussetzungen für klimafreundliche Mobilität von Personen und Gütern schaffen. Von zentraler Bedeutung ist hier neben der Beschaffung emissionsarmer Fahrzeuge der Ausbau von Angeboten insb. im ländlichen Raum.

Für Ausbau und Dekarbonisierung des ÖPNV auf Straße und Schiene werden basierend auf bundesweiten Vergleichswerten über die nächsten 10 Jahre Investitionen des Freistaats und der Kommunen in Höhe von rund 500 Millionen jährlich prognostiziert.

Bis 2030 soll die Thüringer Landesverwaltung klimaneutral sein, bis 2050 der gesamte Gebäudebestand, auch alle öffentlichen Gebäudebestände. Ebenso sind die erhöhten energetischen Standards umzusetzen. Die mit diesen Zielen verbundenen Sanierungsund Modernisierungsaufgaben in den Kommunen und auf Landesebene summieren sich nach Schätzungen auf einen Bedarf von rund 270 Millionen Euro jährlich über die nächsten 15 Jahre.

Diese Aufgaben stellen die öffentlichen Haushalte, finanzstarke wie finanzschwächere, vor enorme Herausforderungen die umso größer sind, je kleiner die Finanzkraft.

Aus dem Landeshaushalt allein sind diese Herausforderungen nicht zu finanzieren. Hierfür bedarf es aus unserer Überzeugung einer Gemeinschaftsaufgabe, an der sich der Bund paritätisch beteiligen und zusätzliche Mittel bereitstellen muss. Die EU-Förderprogramme sind entsprechend auszurichten.

Neue Finanzierungsinstrumente müssen sich an den wechselnden Bedürfnissen und Rahmenbedingungen orientieren. Waren die öffentlichen Haushalte über viele Jahre geprägt durch Niedrigzinsen, die sowohl den Ausbau der Investitionen als auch die Reduzierung der Kreditlasten ermöglichten, haben Inflation und Zinsanhebungen diese Rahmenbedingungen signifikant verändert.

Auf die Corona- und Energiekrise haben wir in Thüringen mit einem kreditfinanzierten Sondervermögen zügig und adäquat reagiert. Nicht verbrauchte Mittel des Sondervermögens wollen wir für Zukunftsinvestitionen zur Verfügung stellen. Dafür sollen gesetzliche Möglichkeiten geschaffen werden.

Die regierungstragenden Fraktionen DIE LINKE, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben Vorschläge für die Finanzierung von Nachhaltigkeitsinvestitionen mit Hebelfunktionen unterbreitet, die der Thüringer Landtag beschlossen hat.

Nach der kommenden Landtagswahl müssen Entscheidungen über einen langfristigen Thüringer Zukunftsfonds getroffen werden. 

Aufbauend auf den im Landtag bereits beschlossenen Vorschlägen, umgesetzten Maßnahmen und den Erkenntnissen bisheriger Diskussionen wollen wir die Zeit bis zur Landtagswahl 2024 nutzen, um mit den Partnern im Zukunftsbündnis Thüringen eine Verständigung über den Bedarf, Umfang und die nachhaltige und generationengerechte Finanzierung der Zukunftsinvestitionen herzustellen. Hierzu gehört auch die Prüfung, welche bestehenden Programme ersetzt werden, um die Zukunftsaufgaben zu bewältigen.

Die Schuldenbremse im Grundgesetz darf keine Zukunftsbremse sein. Deshalb wollen wir eine rationale Diskussion führen über den adäquaten Rahmen ebenso wie über die Wirkungen kreditfinanzierter Zukunftsinvestitionen. 

Zugleich müssen wir unsere Fähigkeit verbessern, bestehende Förderprogramme besser auszuschöpfen und Förderverfahren zu vereinfachen. Die Ergebnisse der zwei sächsischen Kommissionen zur Vereinfachung von Förderverfahren werden wir dort, wo sie auf Thüringen anwendbar sind und eine Verbesserung darstellen, umsetzen und dies mit bereits vorliegenden Vorschlägen verbinden. Die notwendigen Entscheidungen werden wir in diesem Jahr treffen.