02.12.2022

Zieht Mario Voigt erneut die AfD-Karte?!

Bei den Haushaltsberatungen im Thüringer Landtag droht erneut eine unausgesprochene parlamentarische Zusammenarbeit der CDU mit der AfD.

Thüringer Landtag

Update 19. Dezember 2022:

Am 16. Dezember 2022 vermeldete der Mitteldeutsche Rundfunk, dass wenige Monate nach ihrer Gründung die Parlamentarischen Gruppe "Bürger für Thüringen" im Landtag an internen Streitigkeiten zu zerbrechen drohe. "Gruppensprecherin Ute Bergner sagte am Freitag, sie habe die Landtagsverwaltung darüber informiert, dass Parteiausschlussverfahren gegen zwei ihrer vier Gruppen-Mitglieder eingeleitet worden seien. Es handle sich um die Landtagsabgeordneten Birger Gröning und Lars Schütze, die nach Bergners Worten 'nie Teil der Partei sein wollten'. Ohne die beiden ist der Gruppenstatus nach Angaben der Landtagsverwaltung nicht mehr gewährleistet. Eine Gruppe muss demnach aus mindestens vier Mitgliedern bestehen."

Update 13. Dezember 2022:

Die rot-rot-grünen Koalitionsfraktionen und die CDU-Fraktion haben sich nach intensiven Verhandlungen auf Änderungen zum Haushalt 2023 verständigt, die nun im Haushalts- und Finanzausschuss abgestimmt und auf dieser Grundlage der Landeshaushalt 2023 im Plenum des Thüringer Landtages beschlossen werden.

 

Das seit der Landtagswahl 2019 als Minderheitskoalition regierende Bündnis aus DIE LINKE., SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Thüringen verhandelt den inzwischen dritten Landeshaushalt dieser Wahlperiode mit der CDU-Opposition. Denn der Koalition fehlen vier Stimmen zur absoluten Mehrheit.

Zwar verfügt auch die parlamentarische Gruppe der FDP über vier Stimmen und käme insoweit als Verhandlungspartner in Frage. Die inzwischen durch den Abgang einer Abgeordneten nicht mehr als Fraktion, sondern als Gruppe agierenden Liberalen entzogen sich bislang bei allen Haushaltsberatungen einem gemeinsamen Verständigungsprozess mit der rot-rot-grünen Koalition. Die AfD scheidet als Verhandlungspartner naturgemäß aus und die parlamentarische Gruppe der Bürger für Thüringen, mit ebenfalls vier Abgeordneten - von denen drei vormals der AfD und eine der FDP angehörten -, konstituierte sich erst im Laufe dieses Jahres und fiel bislang nicht durch ergiebige Vorschläge zum weiteren Erarbeitungsprozess des Landeshaushaltes auf.

Insoweit war und ist die Fraktion der CDU der aktuell einzige Verhandlungspartner für die Minderheitskoalition unter Führung von Ministerpräsident Bodo Ramelow.

Was bisher geschah

Den Haushalt für das Jahr 2021 einigten Rot-Rot-Grün und CDU auf Basis eines im März 2020 verabredeten Stabilitätspaktes, der in Folge der sogenannten Kemmerich-Episode geschlossen wurde und eine Neuwahl des Thüringer Landtages durch Selbstauflösung vorsah.

Im August 2020 waren 49 Prozent der von Infratest dimap Befragten Thüringer:innen zufrieden und sehr zufrieden mit dem Stabilitätspakt, 42 Prozent waren weniger oder gar nicht zufrieden. Im ThüringenTREND aus dem März 2021 waren immerhin noch 40 Prozent der wiederum von Infratest dimap Befragten (sehr) zufrieden mit dem Pakt, während 55 Prozent inzwischen unzufrieden waren.

Im Stabilitätspakt verabredeten die vier Parteien unter Ziffer 5 explizit Neuwahlen zum 25. April 2021 durch Auflösung des Parlaments nach Art. 50 Thüringer Verfassung. Aufgrund der Corona-Krise wurde Anfang 2021 einvernehmlich die einmalige Verschiebung der vorgezogenen Neuwahlen vereinbart. Im Juli 2021 zogen die Fraktionen der rot-rot-grünen Koalition einerseits und der CDU andererseits den entsprechenden Antrag zurück, da insbesondere aus der Fraktion der CDU die notwendigen Stimmen für die Landtagsauflösung nicht garantiert werden konnten. Vier CDU-Abgeordnete hatten zuvor explizit erklärt, sich der vertraglich verabredeten Landtagsauflösung zu verweigern. Daraufhin erklärten sowohl zwei LINKE-Abgeordnete als auch die FDP, der Auflösung nunmehr nicht zustimmen zu wollen. Somit stand fest, dass die Auflösung des Verfassungsorgans ohne die Stimmen der als verfassungsfeindlich geltenden AfD nicht mehr möglich war.

Wie weit die vier CDU-Dissidenten vom Willen ihrer eigenen Wähler:innenschaft entfernt waren, zeigte sich u.a. im ThüringenTREND aus dem Juli 2021. Zwei Drittel der befragten Thüringer:innen (67 Prozent) sprachen sich für möglichst baldige Neuwahlen aus, während ein Viertel der Befragten (25 Prozent) die Auffassung äußerte, die Minderheitsregierung solle im Amt bleiben. Von den Parteianhänger:innen der CDU sprachen sich wiederum nur 16 Prozent für die Fortführung der Minderheitsregierung aus, während 80 Prozent für baldige Neuwahlen plädierten. Die Umsetzung dieses Wunsches der CDU-Anhänger:innen zu gewährleisten, war der CDU-Fraktionsvorsitzende Mario Voigt nicht in der Lage.

Parallel zum Verzicht auf das Neuwahl-Versprechen kündigte die CDU-Fraktion im Thüringer Landtag den Stabilitätspakt auf. Mario Voigt erklärte, es sei „nicht die Aufgabe der CDU-Fraktion, die Politik der rot-rot-grünen Minderheitsregierung im Parlament zu stützen. Wir sind Opposition“.

Unberührt davon kündigte die CDU-Fraktion an, sich Haushaltsberatungen nicht zu verschließen, denn „würden Haushaltsgespräche scheitern, wäre das schlecht für das Land.“

Nach harten Verhandlungen und nachdem die CDU-Fraktion sowohl Mehrausgaben für ihr wichtige Projekte als auch eine sogenannte Globale Minderausgabe in Höhe von 330 Millionen EUR durchgesetzt hatte, wurde zu Beginn des Jahres 2022 der Landeshaushalt für das laufende Jahr beschlossen.

Normalisierung nach rechts

Dass Mehrausgaben für CDU-Projekte einerseits und die Verhängung einer Globalen Minderausgabe andererseits, also die Verpflichtung der Regierung, im Haushaltsvollzug 330 Millionen EUR einzusparen, die berechtigte Gefahr bergen, dass diesen Einsparauflagen auch die CDU-Vorhaben zum Opfer fallen, wurde im Laufe des Jahres auch der CDU deutlich – an Einsicht in diesen Wirkmechanismus mangelt es ihr offenbar bis heute dennoch.

Nur so ist das erratische Agieren der CDU-Fraktion und ihres Vorsitzenden, der inzwischen auch den Landesverband führt und zum Spitzenkandidaten für die kommende Landtagswahl ernannt wurde, zu erklären. Darüber hinaus entsteht der Eindruck, dass Mario Voigt, keineswegs der neue starke Mann der notorisch zerstrittenen Thüringer CDU ist, sondern vielmehr eingekeilt zwischen divergierenden Einzel- und Gruppeninteressen, die unter einen Hut zu bringen nur dadurch gelingt, dass beispielsweise kulturkämpferisch das Gender-Thema aufgegriffen wird.

Die Gefechtsaufstellung dafür ist überschaubar: Im Stil der AfD wird gegen den sogenannten Gender-Irrsinn gekeilt und ein Antrag in den Landtag eingebracht, der die Landesregierung auffordert, künftig die geschlechtergerechte Kommunikation und Schreibweise zu unterlassen. Die Zusammenarbeit mit der AfD wird dabei nicht nur in Kauf genommen, sondern ist vielmehr als Voraussetzung eingepreist. Von einer Äquidistanz der CDU zur AfD kann diesbezüglich keine Rede sein – vielmehr ist die Höcke-Partei für die Voigt-CDU selbstverständlicher und zunehmend normalisierter Bestandteil der parlamentarischen Arbeit. Das Ziel: Die Minderheitskoalition schwach aussehen zu lassen, selbst wenn man als Union dadurch nicht stärker wird, sondern stattdessen die AfD und deren Themen stärkt.

Haushaltsgrundsätze vom Fuß auf den Kopf gestellt

Das Kabinett legte dem Thüringer Landtag planmäßig den Entwurf für das Haushaltsgesetz 2023 vor, der nach dem Ende der Sommerpause in das Parlament eingebracht und – wie es üblich ist – kritisch von der Opposition diskutiert wurde. Wesentlicher Vorwurf: die Folgen der Energiekrise würden sich im Haushalt nicht ausreichend abbilden.

Es spricht grundsätzlich für die Fähigkeit der Thüringer Politik, trotz der unsicheren Mehrheitsverhältnisse, in den entscheidenden Momenten reagieren zu können. Denn angesichts der in Folge des Ukraine-Kriegs entstandenen Energiekrise verständigten sich die rot-rot-grünen Regierungsfraktionen auf die Umwidmung des ursprünglichen kreditfinanzierten Corona-Sondervermögens zu einem Energie-Sondervermögen. Die CDU-Fraktion, die ursprünglich das Corona-Sondervermögen ersatzlos auslaufen lassen wollte, war ihrerseits bereit, das Gesetz über das Energie-Sondervermögen mitzutragen. So konnte auf diesem Wege ein mittlerer dreistelliger Millionenbetrag für die Abwendung der Folgen der Energiekrise, ergänzend zu den Bundeshilfen, zur Verfügung gestellt werden.

Ausgehend davon hätte angenommen werden können, dass auch die parlamentarischen Beratungen über den Haushalt 2023 zwar kontrovers aber doch zügig und zielorientiert verlaufen würden. Das Gegenteil ist bislang der Fall. Während die rot-rot-grünen Fraktionen sowohl der CDU als auch der FDP Gespräche über die Beschlussfassung zum Haushalt anboten, dauerte es Wochen, bis die FDP erklärte, sie stünde nur dann für gemeinsame Gespräche zur Verfügung, wenn die Regierungsfraktionen Einsparungen in Höhe von einer Milliarde Euro, bei einem Gesamtvolumen des Landeshaushalts von 13 Milliarden Euro, vorlegen würden. Eigene Einsparvorschläge in der von ihr geforderten Höhe legten die vier FDP-Abgeordneten nicht vor.

Der Fraktionsvorsitzende der CDU wiederum lehnte Verhandlungen mit den Vorsitzenden der Regierungsfraktionen ab, sondern forderte vom Ministerpräsidenten und der Finanzministerin die Vorlage eines Änderungsvorschlags zu dem von der Landesregierung vorgelegten Haushaltsplanentwurf in Höhe von wenigstens 200 Millionen Euro, der sodann von den regierungstragenden Fraktionen zu akzeptieren sei. Die Kritik der Regierungsfraktionen, diese Erwartung käme einer Missachtung des Parlaments und seiner gesetzgeberischen Kompetenz, immerhin das höchste Recht des Landtags als Haushaltsgesetzgeber gleich, wischte der CDU-Vorsitzende hingegen beiseite.

Der Widerspruch, dass dieselbe CDU-Fraktion in den vergangenen drei Jahren stets das Parlament als das Zentrum der politischen Debatte und des gesetzgeberischen Prozesses beschworen hatte, bleibt gleichwohl bestehen. Ebenso wie es der demokratischen Notwendigkeit von Checks-and-Balances entspricht, dass das Königsrecht des Parlamentes in der Überarbeitung und Beschlussfassung des Haushaltes besteht, dass weder an die Landesregierung ausgelagert werden kann noch darf. Gerade beim Haushalt muss das vom vormaligen SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzenden Peter Struck formulierte Prinzip gelten, nachdem kein Gesetzentwurf der Regierung das Parlament so verlässt, wie es hineingekommen ist.

Es obliegt der Gesamtheit aller Parlamentarier:innen – egal, ob Opposition oder regierungstragende Fraktionen –, mittels Änderungsanträgen am Haushaltsgesetz dort nachzubessern, wo es ihrer Meinung nach notwendig erscheint. Das schließt freilich auch die Pflicht ein, Deckungsvorschläge für eigene Vorhaben und Wünsche zu unterbreiten, da das auf der Verfassung basierende Haushaltsrecht die Notwendigkeit des Haushaltsausgleichs zwischen Einnahmen und Ausgaben zwingend vorsieht.

Konfliktstrategie mit AfD-Reserve

Diese Strategie der CDU-Fraktion erwies sich zunehmend als Rohrkrepierer. „Für die CDU wird das Eis dünner“ kommentierte der Landesredakteur Ulli Sondermann-Becker von MDR Thüringen und führte aus: „solange sich die CDU als selbsternannte Thüringen-Partei ernst nimmt, gibt es zu konstruktiven Opposition […] keine Alternative.“

Am 30. November 2022 verkündeten Mario Voigt und sein treuer Haushaltsexperte Volker Emde, der schon als parlamentarischer Geschäftsführer unter dem Voigt-Vorgänger Mike Mohring, jede Kehrtwende des bisherigen Handels tapfer vollzogen hatte, einen überraschenden Kurswechsel.

Statt fortgesetzter Verweigerung des parlamentarischen Haushaltsberatungsprozesses wurden nunmehr über 200 Änderungsanträge zum Haushalt angekündigt. Diese sollen am 8. Dezember 2022 im Haushaltsausschuss zur Abstimmung gestellt werden. Gespräche mit den Regierungsfraktionen werden weiterhin nicht avisiert.

Daraus ergibt sich folgendes Szenario, das als „Konfliktstrategie mit AfD-Reserve“ zu beschreiben ist. Die CDU-Fraktion geht in die abschließenden Beratungen des Haushaltsausschusses – eine Woche vor der Schlussabstimmung des Haushaltes - ohne vorhergehende Absprachen mit den rot-rot-grünen Fraktionen.

Kalkuliert wird bewusst mit den Stimmen der AfD, vor allem dort, wo „Ideologieprojekte“ geschliffen werden sollen. Also beim Landesprogramm DenkBunt mit dem Demokratie-Projekte gefördert werden, bei der Flüchtlingsaufnahme und das speziell beim Aufnahmeprogramm für afghanische Familienangehörige bereits hier lebender Geflüchteter. Darüber hinaus soll in der Gleichstellungspolitik und bei der Landesantidiskriminierungsstelle (LADS) gekürzt werden.

Um den Eindruck der konzertierten Aktion mit der AfD zu vermeiden, ist nicht auszuschließen, dass die CDU auch einzelnen Anträgen der Regierungsfraktionen zustimmt.

Durch das „wilde Abstimmen“ von Änderungsanträgen besteht die Gefahr, dass am Ende das so entstandene Ergebnis keinen Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben mehr vorsieht – der Haushalt also nicht beschlussreif ist. Dies scheint die CDU-Fraktion freilich in Kauf zu nehmen.

Das Szenario „Konfliktstrategie mit AfD-Reserve“ weckt Erinnerungen an die Haushaltsbeschlussfassung im schwedischen Reichstag des Jahres 2014. Entgegen den bis dahin geltenden parlamentarischen Gepflogenheiten stimmten die rechtsextremen Schwedendemokraten seinerzeit für einen Haushaltsentwurf der anderen Mitte-Rechts-Oppositionsfraktionen und verhalfen diesem somit zu einer parlamentarischen Mehrheit. Die rot-grüne Minderheitsregierung hätte dann mit einem Haushalt der bürgerlichen und rechtsextremen Opposition arbeiten müssen.

Die Auflösung des Parlaments und Neuwahlen wurden damals quasi durch einen Stabilitätspakt der rot-grünen Minderheitskoalition mit vier bürgerlichen Oppositionsparteien abgewendet, dessen Laufzeit bewusst für zwei Legislaturperioden vorgesehen wurde.

Wie wir inzwischen wissen, endeten die diesjährigen Parlamentswahlen mit einer knappen Niederlage der rot-rot-grünen Parteien.
Obschon die Konservativen nur als drittstärkste Partei aus der Reichstagswahl hervorgingen, stellen sie nunmehr den Ministerpräsidenten in der ersten schwedischen Regierung, die sich als Minderheitsregierung vertraglich an die rechtsextremen Schwedendemokraten gebunden hat und von diesen toleriert wird.

Die „Konfliktstrategie mit AfD-Reserve“ ist insoweit nicht allein auf den Haushalt 2023 ausgerichtet. Sie ist langfristig orientiert und kalkuliert damit, dass eine sich in der Abfolge vieler kleiner und partiell bedeutsamerer Anlässe parlamentarischer Zusammenarbeit mit der AfD eine Normalisierung einstellt. Diese Normalisierung bereitet dann - bei unsicheren Mehrheitsverhältnissen - den Boden für eine mögliche CDU-geführte Minderheitsregierung, bei der Mario Voigt und seine Partei die entweder mit der Unterstützung der AfD drohen um die partielle Unterstützung von Mitte-Links zu erreichen oder die Unterstützung der AfD tatsächlich aktiv in Kauf nehmen.

Verantwortung übernehmen

Vor rund einem Jahr beschrieb ich auf dem Community-Blog der Wochenzeitung FREITAG bereits, dass die Etablierung einiger Elemente des schwedischen Parlamentsbetriebs Vorbild für Thüringen sein könnten.

Die Etablierung einiger der skandinavischen Grundprinzipien in die politische Kultur des Freistaates Thüringen könnte dafür Sorge tragen, dass Verlässlichkeit der politischen Akteur:innen auf der einen Seite durch wiedergewonnenes Institutionenvertrauen auf der anderen Seite honoriert wird.

Da Kommunen, Wirtschaft und Zivilgesellschaft auf die Planungs- und Investitionssicherheit rechtzeitig in Kraft tretender Haushaltspläne ebenso angewiesen sind wie auf die reibungslose Gewährleistung aller staatsleitenden Handlungen, sollten die demokratischen Akteur:innen durch Verlässlichkeit dafür Sorge tragen, dass nicht jede entsprechende Abstimmung zu einer Zitterpartie wird.

In Thüringen werden gemeinhin Haushaltsentwürfe für ein Jahr oder für den Zeitraum von zwei Jahren, sogenannte Doppelhaushalte, aufgestellt. Die Haushaltsjahre entsprechen dabei Kalenderjahren. Tritt ein Haushalt nicht zum Beginn des Kalenderjahres in Kraft, wird bis zum Inkrafttreten eine vorläufige Haushaltswirtschaft wirksam, die nur begrenzte Ausgaben ermöglicht. Notwendig für die Beschlussfassung des Haushaltes ist, wie bei allen Gesetzen, die Mehrheit der bei der Abstimmung anwesenden Abgeordneten.

Ein parlamentarisches Abstimmungsmuster, in dem – insbesondere beim Haushaltsgesetz – entweder die CDU-Fraktion oder acht Abgeordneten der beiden parlamentarischen Gruppen der FDP und der Bürger für Thüringen zwar jeweils für ihre eigenen Fraktionsanträge stimmen, sich aber bei allen anderen Anträgen enthalten, ist weniger undenkbar als man glaubt.

Im Thüringer Landtag bestehen derzeit drei Minderheiten. Die rot-rot-grünen Fraktionen stellen mit 42 Abgeordneten die größte Minderheit und waren zudem in der Lage, gemeinsam und dauerhaft eine Regierung zu bilden sowie die für die Wahl des Ministerpräsidenten notwendige Mehrheit an Stimmen zu erreichen. Die AfD stellt mit ihren Abgeordneten die rechtsextreme Minderheit dar, während die CDU-Fraktion und die beiden parlamentarischen Gruppen der FDP und BfTH als Mitte-Rechts-Block die zweitgrößte Minderheitsgruppe darstellen. Sowohl Rot-Rot-Grün als auch Mitte-Rechts sind in der Verantwortung – solange es keine für Klärung und Mehrheiten sorgende Landtagswahl gibt - für stabile politische Verhältnisse zu sorgen. Dies umzusetzen erfordert verantwortungsvolles Handeln. Die CDU scheint dazu derzeit nicht in der Lage.

Acht Abgeordnete der FDP und der Bürger für Thüringen hätten es deshalb in der Hand. Indem sie die Hand zur Enthaltung heben und damit den Weg für einen Landeshaushalt 2023 freimachen. Zunächst im Haushalts- und Finanzausschuss sowie anschließend im Plenum des Thüringer Landtages.