20.12.2018

„Danke, staatstragende Opposition! Es ist ein Traum!"

„Danke, staatstragende Opposition! Es ist ein Traum!", Thüringer Allgemeine vom 20.12.2018. Ein Artikel von Michael Helbing

Kulturminister freut sich über Große Anfrage der CDU und reagiert auf das aktuelle Buch „Kulturpolitik in Thüringen"

Erfurt. Der linke Minister und Staatskanzleichef könnte die CDU gerade knutschen. Deren Landtagfraktion bombardiert die Regierung zum Finale mit Großen Anfragen: zur Schul- und zur Hochschulpolitik, zur Pflege und eben auch zur Kultur (wir berichteten). „Das ist ein Fest für die rot-rot-grüne Regierung", sagt Benjamin-Immanuel Hoff. Auf dem Silbertablett bekomme sie so Möglichkeiten serviert, das Parlament für Bilanzveranstaltungen nutzen zu können. „Also: Danke, staatstragende Opposition! Es ist ein Traum!"

An der untergeordneten Rolle, die der Landtag im kulturpolitischen Netzwerk Thüringens spielt, wird das aber auch nichts ändern. Der Politologe Michael Flohr hatte sie in seiner groß angelegten Arbeit „Kulturpolitik in Thüringen" ausgemacht, mit der er jüngst an der Universität in Erfurt promovierte.

Kulturminister Hoff hält das Buch für eine „wichtige Beschreibung des Ist-Stands" und will dieser, im Grundsatz jedenfalls, nicht wider-sprechen. Auch er würde sich dem-nach mehr öffentliche Debatten im Parlament wünschen und mehr inhaltliche Diskussionen mit der CDU.

Deren Fraktion erlebt er aber kulturpolitisch allenfalls als „Sprach-rohr und Verstärker" einzelner Kulturverbände. Das deckt sich ungefähr mit dem, was Michael Flohr über Jörg Kellner notierte, kultur-politischer Sprecher der CDU, der zuletzt die 238 Fragen zur Arbeit des Ministers formulierte.

Kellner pflegt demnach eine „ab-wartende, zurückhaltende, freiheitliche Positionierung", die mit seiner Fraktion abgestimmt ist. „Als Oppositionspolitiker scheint er sich über die Kritik an den Regierungsfraktionen, ergo über die Negation des Regierungshandelns zu definieren, nicht über eigene lösungsorientierte kulturpolitische Vorstellungen."

Hoff vermisst durchaus inhaltliche Auseinandersetzungen mit Konzepten, wie er sie einst beim Kulturaus-schuss des Berliner Abgeordneten-hauses wahrnahm, im Unteraus-schuss Theaterbetriebe etwa (er selbst saß derweil im Wissenschafts-ausschuss). Doch Thüringen ist eben kein Stadtstaat und andererseits nicht Nordrhein-Westfalen, gibt er zu bedenken. Im Vergleich zu Amts-kollegen dort wird er vom Parlament mehr in Ruhe gelassen, räumt er ein - aber weniger als in Brandenburg.

 

„Agenda-Setter ist immer die Regierung."

 

Der kulturpolitische Streit und Wettbewerb im Landtag fällt gleichwohl aus: weil die Opposition ausfällt. Die Debatten innerhalb der Regierungsfraktionen finden derweil im Arbeitskreis der Koalition statt.

Hoff erinnert zugleich aber an die gewachsene Vielfalt der Fraktionen:

Ihre zum Teil wenigen Abgeordneten müssen viele Politikerfelder abdecken; Hoff spricht von Mehrfachbelastung. Zudem zeige aber die Parlamentsforschung generell: „Agenda-Setter ist immer die Regierung."

Thüringens Staatskanzlei ist laut Michael Flohr zentraler Knotenpunkt im kulturpolitischen Netz, in dem er 259 Akteure identifizierte (Institutionen, Vereine, Verbände). Sie absorbiere deren Informations-bedürfnis. Hoff bestätigt die Magnet-wirkung und erinnert an das „Gesetz von der Anziehungskraft des größten Etats", von dem Sozialwissenschaftler schon vor dreißig Jahren sprachen (Guy Kirsch und andere).

Verstärkt wird das durch die geringe Finanzkraft Thüringer Kommunen. Sie stemmen 45 Prozent aller Kulturausgaben im Land: laut Flohr 15 Prozent weniger als im Bundesdurchschnitt. Lediglich das Saarland habe noch mehr Abstand dazu. Und der Kulturetat einer Stadt wie Frank-furt/Main, ergänzt Hoff, ist größer als der des Freistaates Thüringen.

Dennoch hält der Kulturminister es für problematisch, dass Flohr seine Untersuchungen erklärtermaßen auf die Landesebene beschränkte. Es passiere andererseits nämlich klein-teilig viel in Kommunen, ohne dass das Land beteiligt wäre. „Benötigt werden Politiker auf kommunaler Ebene, die wissen, dass man sich für Kultur engagieren muss", so Hoff.

Die jüngsten OB-Wahlen hätten zwar nicht zwingend überall kultur-affine Menschen in die Rathäuser gebracht, „aber Technokraten im besten Sinne des Wortes". Sie hätten durchaus eine Vorstellung von Kultur als Teil einer Stadtentwicklungs-politik: wenn es etwa um leerstehende Liegenschaften für Ateliers geht.

Befeuert werden solche Ideen durch Thüringens alte neue Kulturstiftung. Vor vierzehn Jahren gegründet, nachdem der Kulturfonds der neuen Bundesländer aufgelöst wurde, hatte sie zuletzt „keine Funktion mehr außer Geld auszugeben", sagt der Minister. Soeben vom Landtag beschlossen, fülle sie nun aber nicht nur eine Leerstelle, sondern erkenne sie überhaupt erst einmal: die Förderung zeitgenössischer Kunst. Dass es das Neue gegenüber dem kulturellen Erbe im Land (Theater, Museen, Schlösser) schwer hat, bestreitet Benjamin Hoff nicht. Und er wider-spricht auch nicht vollständig Michael Flohrs Befund von der Tret-mühle: „Wer einmal in der Förderung ist, fällt nur ganz schwer wieder heraus." Flohr zitierte Hoff selbst mit dem Begriff „Beutegemeinschaft".

 

Neues Kulturkonzept müsste 2022 kommen

 

Das meine er nicht wertend, sondern rein sachlich, so der Minister im Gespräch. „Jeder Zuwendungsnehmer verhält sich wie in einer Beutegemeinschaft. Es gibt eine klare Interessenslage, das zu halten, was man hat, und andere rauszuhalten." Die Kommunen agierten derart gegenüber dem Land, die Länder gegenüber dem Bund. „So ist halt das Leben."

Das Thüringer Museumskonzept sehe jetzt aber ja Qualitätskriterien vor, die jeder binnen eineinhalb bis zwei Jahren erfüllen muss, der vom Land gefördert wird. Anderenfalls

fällt er danach raus. „Das ist transparent", findet Hoff. „Was die Leute nur nicht wollen, ist ja, dass jemand wegen Kürzungen rausfällt."

Zusätzliche Aufnahmen in die Förderung durch einen höheren Gesamtetat seien ebenso wenig möglich. Es gilt also das Omnibusprinzip: Bevor jemand neu einsteigen kann, müsste ein anderer aussteigen.

Nach einer unglaublich langen Phase des Aufschwungs stehe man „an der Schwelle zur Rezession", sagt der Minister. Die Sachlage in der nächsten Wahlperiode werde insgesamt viel schwieriger. Deshalb agiere man antizyklisch und dehne das Budget nicht weiter aus. Erhöht wurde der Kulturetat zwar für Investitionen und Gehälter (bei Theatern und Orchestern zum Beispiel). Neue Programme legt man aber keinesfalls auf. „Ich muss das stabilisieren, was ich habe", sagt Benjamin Hoff.

Mittelfristig, für 2022, strebt er ein neues Thüringer Kulturkonzept an - sollte er dann noch im Amt sein. Das aktuelle wäre dann zehn Jahre alt und laut Hoff überholt: „weil sich die Rahmenbedingungen verändern."