30.10.2017

Local Heros, Kultur-Tandems, Marketing und Museumsregion

Zwischenbilanz von vier Jahren regionaler Kulturentwicklungskonzeptionen in Thüringen

Erschienen in: Hoff, Benjamin-Immanuel/ Jakob, Antje, Local Heros, Kultur-Tandems, Marketing und Museumsregion, in: Kulturpolitische Mitteilungen, Heft 158, 3/2017, S.70f.

Die vielfältige Kulturlandschaft Thüringens beruht sowohl auf dem reichhaltigen Erbe der Residenzkultur als auch auf einer in der DDR gewachsenen und geförderten Kulturlandschaft, die sich nach der friedlichen Revolution vollkommen neuen Herausforderungen gegenübersah.

Die spezifischen ostdeutschen Entwicklungsmerkmale der 1990er und 2000er Jahre zeitigen bis heute spürbare Rückwirkungen auf die lokale und regionale Kulturlandschaft jenseits der Hochkultur im ländlichen Raum als abgehängte Regionen. Mit Blick auf den Rückgang der Arbeitslosigkeit und das Wirtschaftswachstum ist die Landesentwicklung seit einigen Jahren hervorragend. In Thüringen verbindet Menschen, denen es wirtschaftlich und finanziell gut bis sehr gut geht, mit denen, die von der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung abgekoppelt sind, die Überzeugung, dass viele Ostdeutsche in den vergangenen 25 Jahren auf der gesellschaftlichen Verliererseite standen. Wachsenden Städten wie Erfurt, Weimar und Jena stehen weiterhin schrumpfende Regionen wie Greiz oder Sonneberg gegenüber. Die kognitive Umstellung, dass heute qualifizierte Fachkräfte für einen guten Job Thüringen nicht mehr verlassen müssen, sondern das Land vielmehr um Fachkräfte in Industrie, Dienstleistungssektor, Verwaltung und Kultur wirbt, dauert an. Dass es dafür Rahmenbedingungen braucht, ist freilich auf allen Ebenen bewusst.

Die Kulturpolitischen Mitteilungen berichteten darüber, dass seit 2014 in zwei Thüringer Modellregionen in einem partizipativen Prozess Kulturentwicklungskonzeptionen[1] (KEK) erarbeitet wurden. Zwei Regionen, Sonneberg und Hildburghausen in Südthüringen, sowie der Landkreis Nordhausen und der Kyffhäuserkreis in Nordthüringen, wurden ausgewählt. Die Ergebnisse in den beiden Modellregionen waren so unterschiedlich wie die Voraussetzungen, mit denen die Regionen damals an den Start gegangen sind.

Mit dem Erarbeitungsprozess verband sich auf allen Seiten auch ein Lernprozess. Erkenntnisse wurden seitens der Akteure und der politischen Ebene angenommen und als Handlungsempfehlungen in den Konzepten festgeschrieben, die nunmehr seit 2015 Schritt für Schritt umgesetzt werden. Zwei Jahre, die auch vom Zweifel begleitet wurden, ob die Konzepte, die da entstanden sind, zeitgemäß und wirklichkeitsnah sind und vor allem auch umgesetzt werden können.

Der Prozess insgesamt wurde als bislang einmalig für den Freistaat gewürdigt, da die Landesregierung sowohl die Erarbeitungsphase als auch die Umsetzungsphase kooperativ anlegt, sehr engmaschig und spartenbezogen begleitet und sich für eine Vollfinanzierung entschieden hat. Daraus entstanden jedoch Erwartungen, die über die auch für die Umsetzungsphase bereitstehenden jährlich 250.000 Euro hinausreichen.

Die Mittel sind unter anderem für die Einstellung je einer Kulturmanagerin bestimmt. In beiden Regionen stehen ihnen starke Partner auf kommunaler und zivilgesellschaftlicher Ebene zur Seite. Extern begleitet wird die Umsetzung durch Dr. Patrick S. Föhl, Leiter des Netzwerks Kulturberatung, dessen Team auch die Erarbeitungsphase moderierte.

Während im Süden ein Konsens über die Profilierung als Museumsregion besteht, die durch die Eröffnung des Deutschen Burgenmuseums unterstützt wurde und nunmehr institutionell durch einen Zweckverband getragen werden soll, stehen im Norden das regionale Kulturmarketing und die Bildung und Stabilisierung kooperativer Projekte und Netzwerke im Vordergrund. Bibliotheken der Zukunft und Local Heroes im Süden, kulturelle Bildung und Museumspädagogik im Norden sind weitere ausgewählte Handlungsfelder im Umsetzungsprozess. Dennoch sind temporäre Rückschritte oder Verzögerungen unvermeidlich. Der Gründung eines Zweckverbandes Südthüringer Museumsregion standen und stehen zweckrationale Eigeninteressen gegenüber, die immer wieder austariert und moderiert werden müssen, um lokale Zustimmung zu erreichen.

Die Kulturentwicklungskonzeptionen werden auch überregional reflektiert und führen zu neuen Kooperationsbeziehungen. Der Landkreis Mansfeld- Südharz aus Sachsen-Anhalt hat Interesse an einem gemeinsamen Tourismuskonzept mit der Nord-Modellregion. Das Potenzial, sich zu einer der attraktivsten und erfolgreichsten Tourismusregionen in Deutschland zu entwickeln, sei vorhanden.[2] In der Südregion wanderte die Botschafterausstellung »Himmel und Erde« durch die Museen Südthüringens und in angrenzende bayerische Landkreise wie Coburg und Rhön-Grabfeld.

Um den Prozess einerseits in den Regionen zum Erfolg zu führen, andererseits auch einzelne Ergebnisse in andere Regionen des Landes zu transportieren, wird der Thüringer Kulturrat verstärkt in den Umsetzungsprozess einbezogen. Der Entwurf des Landeshaushalts 2018/2019 setzt das Instrument der Kulturentwicklungskonzeptionen fort. Der künftige Charakter ist bewusst offen gehalten. Ein vergleichbarer Prozess in Ostthüringen ist ebenso denkbar, wie die Entwicklung von Regionalbudgets im Zusammenhang mit dem vorgesehenen Kulturgesetz
oder inhaltliche, spartenbezogene Entwicklungsprozesse. Entscheidend sind die Elemente
Partizipation, Kommunikation und tatsächlicher Mehrwert für die Thüringer Kulturlandschaft.

 

[1] Abschlussberichte zu den Kulturentwicklungskonzeptionen der Modellregionen; www.kulturkonzept-kyf-ndh.de und www.kulturkonzept-hbn-son.de.

[2] Osterländer Volkszeitung vom 16.8.2017, S. 4.