30.06.2023

ZDF und Deutschlandradio – Zwei die tatsächlich zusammenpassen

Im vergangenen Jahr fachte eine Rede von Tom Buhrow die bereits häufiger geführte Debatte um eine Fusion von ARD und ZDF an. Der WDR-Intendant forderte in seiner Rede, wie Christian Meier es in der APuZ ausdrückt, „eine ebenso selbstbewusste wie grundlegende Reform des beitragsfinanzierten Rundfunks“ und führte unter anderem aus: „Die erste Frage - glaube ich -, die wir uns stellen müssen, ist: Will Deutschland im 21. Jahrhundert weiter parallel zwei bundesweite, lineare Fernsehsender? Wenn nicht: Was heißt das? Soll einer ganz verschwinden und der andere bleiben? Oder sollen sie fusionieren, und das Beste von beiden bleibt erhalten?“

Sowohl der auf Buhrow in der Funktion als ARD-Vorsitzender folgende SWR-Intendant Kai Gniffke als auch ZDF-Intendant Norbert Himmler reagierten nachvollziehbar zurückhaltend und skeptisch auf die Fusionsforderung.

Norbert Himmler verwies auf den publizistischen Wettbewerb von ARD und ZDF, der essentiell und unverzichtbar sei. Und ergänzte im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): „Stellen Sie sich vor, wir hätten nur noch eine öffentlich-rechtliche Nachrichtensendung in Deutschland oder nur noch von einem Sender Wahlberichterstattung. Das wäre eine Machtkonzentration in einer Hand, die gerade in Zeiten, in denen gefordert wird, dass Macht möglichst verteilt sein sollte, wirklich falsch ist.“

Im Gespräch mit HORIZONT sagte Kai Gniffke: „Das, was man im Moment etwa in der Verlagsbranche erlebt, ist ja nicht ein Zuviel an Vielfalt, sondern zu wenig. Es gibt Konzentrationsprozesse in der digitalen Welt durch große Tech-Konzerne, die die Meinungsbildung drohen zu monopolisieren. Ich bin der festen Überzeugung, dass uns der publizistische Wettbewerb in Deutschland bisher sehr gutgetan hat.“

Die Forderung nach der Zusammenlegung von ARD und ZDF folgt weniger einer tatsächlichen konzeptionellen Idee als vielmehr dem Wunsch, mit einem radikalen Schnitt die seit Jahren geforderte Kostenoptimierung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk umzusetzen und auf diese Weise den ungeliebten Rundfunkbeitrag zu stabilisieren oder sogar abzusenken.

Umgesetzt wird dieses Vorhaben deshalb nicht-In der aktuellen Prägung des gesellschaftlichen Diskurses dürfte gerade dies nicht als Mangel an tatsächlicher Realisierbarkeit gewertet werden. Vielmehr wird ironischerweise ihre Nichtumsetzung der Forderung höhere Legitimität verleihen, statt sie einer kritischen Prüfung auf tatsächliche Umsetzbarkeit zu unterziehen.

Denn bei AfD, FDP und wohl auch einigen Kräften in der Union sind die finanziellen Gründe für die Forderung der Zusammenlegung beider Anstalten vielfach nur vorgeschoben. Mit den Worten des RND-Redakteurs Imre Grimm: „In Wahrheit geht es um die Verringerung vermeintlicher publizistischer Gegenmacht. Weniger öffentlich-rechtlicher Rundfunk – das bedeutet in der Gleichung von Populisten auch: weniger Gegenwind für uns.“

Weiterhin bestehender Reformdruck

Wer radikale Reformideen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ablehnt, muss gleichwohl sagen, wohin die Reise geht. Insbesondere weil allen Interessierten klar ist, dass weder mit dem 3. Medienänderungsstaatsvertrag, noch der Einrichtung des „Zukunftsrates“ der Handlungsdruck geringer geworden ist, vor dem die Anstalten stehen.

Hamburgs Senator für Kultur und Medien, Carsten Brosda, schrieb zutreffend in der FAZ, dass die Einrichtung eines Zukunftsrates noch keine Zukunft mache. Nötig sei vielmehr ein beherzter Zukunftsentwurf.

Bereits jetzt liegen eine Reihe von Vorschlägen auf dem Tisch, die über das „Klein-Klein aktueller Spardebatten“ (Brosda) hinausgehen. Insgesamt scheint mir auch weniger ein Erkenntnis- als ein Umsetzungsdefizit vorzuliegen. Dies befeuert einerseits die delegitimierende Dauerkritik am vermeintlich zu teuren „Staatsfunk“ befeuert. Und bestätigt andererseits die weiterhin zu hohe Dysfunktionalität und den Strukturkonservatismus in den Rundfunkanstalten. Aber nicht weniger auch in der föderal und parteipolitisch zerklüfteten Landschaft der politischen Entscheidungsträger.

Eine Reihe von Ministerpräsidenten, darunter Markus Söder (CSU), Reiner Haseloff (CDU) und Dietmar Woidke (SPD), haben bereits deutlich gemacht, dass sie einer Erhöhung des Rundfunkbeitrags nicht zustimmen werden. Damit ist – nach heutigem Ermessen – davon auszugehen, dass eine Beitragserhöhung kurzfristig nicht zu erwarten sein wird. Mit den entsprechenden Folgewirkungen auf die Finanzplanungen von ARD, ZDF und Deutschlandradio.

Grund sich zurückzulehnen haben die Länder nicht. Im Beschluss zum Ersten Medienänderungsstaatsvertrag bestätigte das Bundesverfassungsgericht unmissverständlicher Klarheit nicht nur die staatliche Finanzgewährleistungspflicht, sondern nahm zugleich die Länder in die Pflicht:

„Die staatliche Finanzgewährleistungspflicht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG obliegt den Ländern als föderaler Verantwortungsgemeinschaft, wobei jedes Land mit Verantwortungsträger ist. [...] Um dieser Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlichen Rundfunk [...] gerecht zu werden und die Erfüllung seines Funktionsauftrags zu ermöglichen muss der Gesetzgeber vorsorgen, dass die dafür erforderlichen technischen, organisatorischen, personellen und finanziellen Vorbedingungen bestehen.“

Der Druck, strukturelle Veränderungen vorzunehmen, bleibt also hoch – in allen drei Anstalten und bei den Ländern. Letztere müssen die Kraft haben, Entscheidungen über Strukturoptimierungen auch dann zu treffen, wenn dies in Bremen und im Saarland mit der Aufgabe der eigenen Sendeanstalten verbunden wäre. Mit anderen Worten: Ob der Saarländische Rundfunk und Radio Bremen, deren Lebensfähigkeit nur durch den ARD-internen Finanzausgleich gewährleistet ist, als eigene Anstalten bestehen bleiben oder im SWR und NDR aufgehen sollten, muss Gegenstand der Debatte sein. Die ostdeutschen Länder mit ihren zwei Sendeanstalten rbb und MDR sowie dem Norddeutschen Rundfunk haben gezeigt, wie Strukturoptimierungen praktisch umgesetzt werden können und müssen.

Für die ARD geht der Vorsitzende Gniffke im HORIZONTE-Gespräch immerhin davon aus, dass ein gemeinsames Mantelprogramm für das Regionalfernsehen kommen wird: „Das, was für die Radiowellen gilt, gilt auch für das Regionalfernsehen. […] Wir können auch Verbünde schaffen, wo drei, vier oder fünf Sender sagen: Wir einigen uns auf einen gemeinsamen Rahmen und machen darin unsere Regionalfenster.“

Es wird sich zeigen, ob die Bereitschaftserklärung der Sender auch tatsächlich umgesetzt wird. Denn das vereinbarte Modell steht unter dem Druck der weitergehenden Forderung, dass die ARD-Sendeanstalten grundsätzlich das Gemeinschaftsprogramm „Das Erste“ ausstrahlen und zeitweise das eigene regionale Programm. Dies schließt Gniffke zwar für die Zukunft nicht aus, will es derzeit aber den eigenen Worten nach nicht weiterverfolgen. Warum das regionale Fenster bei einem solchen Modell, das sich vermutlich hoher Akzeptanz bei den zuschauenden Beitragszahlenden erfreuen dürfte, kleiner als bei dem derzeit favorisierten Ansatz sein muss, erschließt sich nicht unmittelbar und dürfte als ernsthafter Einwand wenig Erfolg haben.

Deutschlandradio als Teil der ZDF-Programmfamilie

Ein noch engeres Zusammengehen von ZDF und dem 1993 gegründeten Deutschlandradio ist erstaunlicherweise bislang nur wenig diskutiert worden. Dabei liegt die Komplementarität beider Anstalten auf der Hand.

Hierzu genügt bereits ein Blick in die wortgleichen Regelungen in § 6 des Deutschlandradio- Staatsvertrages einerseits und § 5 des ZDF-Staatsvertrages andererseits. Im Angebot beider Anstalten „soll ein objektiver Überblick über das Weltgeschehen, insbesondere ein umfassendes Bild der deutschen Wirklichkeit vermittelt werden“. Zudem sind „das Geschehen in den einzelnen Ländern und die kulturelle Vielfalt Deutschlands […] angemessen in den Angeboten […] darzustellen. Die Angebote sollen dabei auch die Zusammengehörigkeit im vereinten Deutschland fördern sowie der gesamtgesellschaftlichen Integration in Frieden und Freiheit und der Verständigung unter den Völkern dienen und auf ein diskriminierungsfreies Miteinander hinwirken.“

Wenn also aktuell über Fragen des konkretisierten Auftrags gesprochen wird, dann gilt es denknotwendig auch über konkretisierte Strukturen nachzudenken. Vor diesem Hintergrund möchte ich meine Überlegungen darlegen, die für eine Einbindung von Deutschlandradio und den Deutschlandfunk-Angeboten in die Programmfamilie des ZDF sprechen.

Mit der Einbindung des Deutschlandradios in das ZDF würde die Aufgabenverteilung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nachvollziehbar neu gefasst. Es gäbe einen öffentlich-rechtlichen Anbieter mit nationalen Auftrag (ZDF/DLR) sowie die ARD mit mehreren starken Anbietern mit jeweils klarem regionalem Auftrag (s.o.).

Die Ankündigung der ARD, bundesweite Mantelprogramme für ihre verschiedenen regionalen Radiosender einzuführen, intensiviert den Wettbewerb zu den drei Hörfunkprogrammen des Deutschlandradios (Deutschlandfunk, Deutschlandfunk Kultur und Deutschlandfunk Nova).

Grundsätzlich wäre es natürlich auch heute möglich, über die bereits seit Jahren intensivierte Zusammenarbeit z.B. bei Podcasts, auch ohne eine strukturelle Einbindung des Deutschlandradios in das ZDF, im Programm zu kooperieren. Also unbürokratisch die Audio-Angebote der drei DLF-Hörfunkprogramme ins Online-Angebot des ZDF einzubinden und umgekehrt. Vor dem Hintergrund der Digitalisierung ergeben sich perspektivisch viele Potentiale für eine Einbindung der DLF-Audios in die verschiedenen Online-Angebote des ZDF sowie von ZDF-Videos in die Online-Angebote des DLF.

Gleichzeitig liegt auf der Hand, dass eine solche Kooperation die logische Frage aufwirft, warum nicht weitergehende Schritte gegangen werden.

Eine strukturelle Zusammenarbeit zwischen den DLF-Programmen bzw. dem DLF-Angebot DokDeb und dem ZDF-Partner-Kanal Phoenix im Bereich der Politik-, Parlaments- und Ereignisberichterstattung wird erfahrungsgemäß erst dann wirksam angegangen, wenn unter einem Dach Entscheidungen getroffen werden. Ebenso bei Mediatheken und den Audiotheken oder in den Social-Media-Repräsentanzen.

Anders als bei etwaigen Fusionen von Landesrundfunkanstalten, für die weder in Bremen noch im Saarland auf absehbare Zeit die politischen Mehrheiten gefunden werden dürften, wäre eine Einbindung des Deutschlandradios in das ZDF auch bei Aufrechterhaltung der Standorte in Mainz (ZDF) sowie Köln und Berlin (Deutschlandradio) möglich. Die Synergien im Bereich der Verwaltung würden sowieso nur zum kleineren Teil aus der Aufgabe von Standorten gehoben werden.

Spannender dürfte es sein, die Zusammenarbeit der jeweils 16 Landesstudios des ZDF und des Deutschlandradios zu intensivieren. Intensivierung ist hier explizit nicht als Euphemismus für Reduktion zu sehen, sondern vielmehr als engere Zusammenarbeit, die den nationalen Anbieter ZDF/DLR noch besser in die Lage versetzt, angemessen und eigenständig über die regionalen Ereignisse von nationaler Bedeutung vor Ort zu berichten, vor Ort in den Ländern präsent und kundig zu sein.

Bei jeder (institutionellen) Vertiefung der Zusammenarbeit von ZDF und DLR dürfen allerdings die Spezifika des Mediums Radio, die spezifischen Unternehmenskulturen und die sehr ungleichen Größenverhältnisse der beiden Anstalten nicht aus dem Auge geraten. Um hier nicht – quasi aus Versehen – das exzellente Radioangebot des DLR unter die Räder kommen zu lassen braucht es tragfähige und verbindliche Festlegungen zur Ressourcenverteilung und der Sicherstellung von Audio-Ausspielwegen.

Eine Rundfunkanstalt ZDF/DLR benötigt naturgemäß auch nur noch ein Aufsichtsgremium und entsprechende Bündelung der Gremienaufsicht.

Obwohl damit eine wesentliche Strukturveränderung einhergehen würde, können die Argumente zu hoher Machtkonzentration und zu geringem Wettbewerbs, die gegen die Fusion von ARD und ZDF sprechen, hier nicht 1:1 übertragen werden.

Auch ein solcher Vorschlag muss am Ende mit einem geänderten Staatsvertrag von der Rundfunkkommission vorbereitet, in der Ministerpräsidentenkonferenz beraten und am Ende in 16 Landtagen beschlossen werden. Will man die Umsetzungswahrscheinlichkeit erhöhen, wäre es im ersten Schritt gut, es würden sich Mitglieder aus dem Rundfunkrat des Deutschlandradio und dem Fernsehrat des ZDF darauf verständigen, das Anliegen ernsthaft zu verfolgen und dabei sowohl mit den Intendanzen als auch mit den Personalvertretungen, den Gewerkschaften ver.di und DJV über Vorbehalten und Stolpersteine zu sprechen, um letztlich in den Ausschüssen des Rundfunkrates einerseits und des Fernsehrates andererseits so gute Vorarbeit geleistet zu haben, dass der Diskussionsprozess über das Wie der Umsetzung des Vorschlags bereits die Umsetzung des Vorschlags selbst provozierte.

 

Transparenzinformation:

Benjamin-Immanuel Hoff ist Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Chef der Thüringer Staatskanzlei. Er gehört dem Fernsehrat des ZDF seit Januar 2015 an.

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Dieser Beitrag erschien am 13. Juli 2023 in der FAZ und kann hier abgerufen werden.