29.03.2023

Transparenz, ehrliche Aufarbeitung von Defiziten, nachvollziehbare Schlussfolgerungen

Rede zum Sonderbericht des Thüringer Rechnungshofes in der 106. Sitzung des Thüringer Landtages

 

Die Rede steht auch auf Youtube zum nachschauen und nachhören zur Verfügung.

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

Wir übernehmen Verantwortung

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, Frau Präsidentin des Rechnungshofes, die Fraktion der CDU und die Parlamentarische Gruppe der FDP stellen in der heutigen Sondersitzung die Frage „Wer übernimmt in der Regierung die Verantwortung?“

Die Antwort auf diese Frage, ist einfach, eindeutig und klar. Diese Landesregierung in Gänze sowie jedes einzelne Regierungsmitglied übernehmen jederzeit Verantwortung für ihr Handeln. Dessen Maßstab der Amtseid setzt, den Ministerpräsident und Minister:innen vor diesem Hohen Hause gemäß Art. 71 Abs. 1 der Thüringer Verfassung leisten. Er lautet:

"Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des Volkes widmen, Verfassung und Gesetze wahren, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde."

Dies gilt in gleicher Weise für die Staatssekretärinnen und Staatssekretäre dieser Landesregierung, die soweit Beamtinnen oder Beamte, folgenden Diensteid leisten:

"Ich schwöre, das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und die Verfassung des Freistaats Thüringen sowie alle in der Bundesrepublik geltenden Gesetze zu wahren und meine Amtspflichten gewissenhaft und unparteiisch zu erfüllen."

Der Augsburger Prof. Josef Franz Lindner, sprach in diesem Zusammenhang vom „Ethos des Beamten“. 

Prof. Lindner bedauert, dass die Verwendung dieser Bezeichnung eher selten geworden ist, unzeitgemäß klingt, politisch nicht korrekt. Ich stimme Prof. Lindner zu, dass sich dieses Ethos aus Loyalität, persönlicher Verantwortung und konstruktiver Kritik gegenüber den Vorgesetzten und der politischen Führung speist. Dafür braucht es Unabhängigkeit. Diese Unabhängigkeit muss die Politik gewährleisten und sich an diesem Ethos messen lassen.

Beschäftigte im Öffentlichen Dienst nicht unter Generalverdacht stellen

Ich sage das nicht ohne Grund. Der rechtspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Herr Schard, hat im Vorfeld der heutigen Debatte leider eine Tonlage gewählt, die der Sache nicht gerecht wird. Und die im Ergebnis dazu führen kann, Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in politische Institutionen zu untergraben. Er erhob pauschal den Vorwurf: „Ziel war es, hoch besoldete Stellen in den Ministerien ausschließlich nach ideologischen Gesichtspunkten mit eigenen Parteifreunden zu besetzen - und eben nicht auf Grundlage von Leistung.“ Ich werde Ihnen darlegen, warum dieser Vorwurf unzutreffend ist. Warum die Einstellungspraxis dieser Landesregierung sich nicht von der CDU-geführter Landesregierungen unterscheidet.

Der Rechnungshof hatte bekanntlich bereits 2014 begonnen, für die Haushaltsjahre 2009 bis 2013 – also für den Zeitraum der CDU-geführten Regierung Lieberknecht – die Stellenbesetzungen querschnittsmäßig zu prüfen. Er beanstandete fehlende Tätigkeitsdarstellungen, nicht nachvollziehbare Tätigkeitsbeschreibungen und nicht nachvollziehbare Stellenbewertungen.

Sie werden zutreffend einwenden, dass eine Rechnungshof-Kritik nicht dadurch besser wird, dass sie sich nicht allein die derzeitige Regierung richtet. Sondern bereits vorhergehende Regierungen Anlass für Kritik lieferten. Ich bitte darum, dass wir die Beschäftigten der Thüringer Landesverwaltung nicht unter Generalverdacht stellen, ihnen Qualifikationen absprechen oder ihnen die Bereitschaft absprechen, ihre Arbeit unter jenes Ethos zu stellen, zu stellen, dass ich mit den Worten von Prof. Lindner und anhand der Eidesformel zitiert habe.

Wir stellen Transparenz her und wir räumen auf

Sehr geehrte Damen und Herren, die Landesregierung hat seitdem der SPIEGEL erstmals am 25. November 2022 über den unveröffentlichten Entwurf des Prüfberichts des Thüringer Rechnungshofs berichtete, größtmögliche Transparenz hergestellt in vertraulichen und öffentlichen Ausschusssitzungen.

Es liegt doch in der Natur der Sache, dass Sie das bestreiten, aber Sie müssen doch erstmal zur Kenntnis nehmen, dass wir größtmögliche Transparenz hergestellt haben und ich werde Ihnen darstellen, warum. Sie haben danach die Möglichkeit, in einem öffentlichen Gespräch, das aus Rede und Gegenrede besteht, darauf reagieren zu können.

Wir haben in vertraulichen Ausschusssitzungen und öffentlichen Ausschusssitzungen ausführlich Stellung genommen. Eine Vielzahl an Kleinen Anfragen und Mündlichen Anfragen wurden bereits beantwortet. Weitere Antworten auf Kleine Anfragen werden derzeit erarbeitet.

Die Landesregierung hat dem Thüringer Landtag die Prüfungsmitteilungen Teil I und II nebst allen Stellungnahmen der Landesregierung zum Entwurf der Prüfungsmitteilung des Rechnungshofes zur Einsichtnahme zur Verfügung gestellt. Jedes Mitglied dieser Volksvertretung kann sich sein eigenes Bild machen. Die vertrauliche Übersendung ist dem Schutz vertraulicher Persönlichkeitsdaten geschuldet.

Gemäß § 74 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Landtags habe ich selbst um Gelegenheit zur Berichterstattung und Erörterung des Sonderberichts und der Prüfmitteilungen im Fachausschuss ersucht.

Am 15. März 2023, dem Tag der Veröffentlichung des Sonderberichts des Rechnungshofes, der auf der Internetseite des Hofes von allen Bürgerinnen und Bürgern abgerufen und nachgelesen werden kann, habe ich öffentlich informiert, dass wir selbstverständlich den Sonderbericht bewerten und berechtigte Empfehlungen des Rechnungshofes umsetzen werden.

Das Kabinett hat in seinen Sitzungen am 21. März 2023 und am heutigen Dienstag die Bewertungen intensiv erörtert und Maßnahmen zur Umsetzung von Empfehlungen des Rechnungshofes festgelegt.

Maßnahmen in sieben Handlungsfeldern

Die Landesregierung hat bereits angekündigt, eine Novelle zur Anpassung des Laufbahnrechts vorzulegen.  Mit dieser Änderung würde Klarheit geschaffen, dass § 28 ThürLaufbG nicht für Staatssekretär:innen als sogenannte politische Beamt:innen im Sinne des § 27 ThürBG Anwendung findet.

Um dem Vorwurf vorzubeugen, hier würde sich die Landesregierung ein genehmes Gesetz ausgestalten, ist darauf hinzuweisen, dass eine solche Regelung keineswegs ein Thüringer Spezifikum wäre. Im Gegenteil. Mit dieser Änderung wird das Laufbahnrechts des Freistaats Thüringen dem anderer Länder (so z.B. Brandenburg, Sachsen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein) angepasst.

Wir haben aus Respekt vor dem Thüringer Rechnungshof mit der Novelle gewartet, bis die Prüfmitteilungen veröffentlicht wurden. Die Ressortabstimmung wird nun eingeleitet und der Entwurf anschließend dem Landtag zugestellt.

Einzelne Länder - zweitens - haben die Rechtsstellung der Staatssekretär:innen gesetzlich außerhalb des Beamtenrechts geregelt. So unterliegen in Bayern anders als in allen anderen 15 Ländern die Staatssekretär:innen als Teil der Regierung einem besonderen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis.

Wir werden prüfen, ob eine gesetzliche Regelung außerhalb des Beamtenrechts mehr Klarheit schaffen kann und welche Folgewirkungen ein öffentlich-rechtliches Amtsverhältnis hätte.

Drittens: Politische Beamt:innen in Thüringen sind die Staatssekretär:innen, der Präsident des Landesverwaltungsamtes, der Präsident des Amtes für Verfassungsschutz, der Präsident der Landespolizeidirektion, die Landesgleichstellungsbeauftragte, Beauftragte für Integration, Migration und Flucht und der Regierungssprecher.

Hinzu tritt nach § 98 Abs. 2 ThürBG der Direktor beim Thüringer Landtag.

Das Bundesverfassungsgericht vertritt die Auffassung, dass dem Institut des Politischen Beamten gegenüber dem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit ein „eng zu bestimmender Ausnahmecharakter“ zukommt.

Es soll sich um den „engsten Kreis unmittelbarer Berater der Träger politischer Ämter“ handeln.

Der Katalog politischer Beamt:innen ist in vielen anderen Ländern deutlich kleiner. Wir werden die Reduzierung der Zahl der politischen Beamt:innen prüfen. Ich bin beauftragt, dem Kabinett einen entsprechenden Vorschlag zu unterbreiten.

Das Kabinett hat - viertens - in seiner heutigen Sitzung die „Eckpunkte zur Ausgestaltung der Leitungsbereiche der Staatskanzlei und der Ressorts“ beraten.

Wir werden, so wie es der Rechnungshof vorschlägt, die Umfänge der Leitungsbereiche aufgabenkritisch prüfen und eine zwischen den Ressorts vergleichbare schlanke Organisationsvorstellung formulieren.

Wir werden Maßgaben für die Ausstattung der engeren Leitungsbereiche, also Ministerbüros, Staatssekretärsbüros, Referat Presse/Öffentlichkeit festlegen, einschließlich der entsprechenden Stellenbewertung.

Ich will darauf hinweisen, dass der Thüringer Landtag in der 5. Wahlperiode mit der Mehrheit der damaligen CDU-geführten Koalition das Thüringer Laufbahngesetz beschlossen hat. Und wenn Herr Schard sagt, wir sollen nicht auf vorhergehende Wahlperioden schauen, dann muss man aber auch vorhergehende Wahlperioden schon deshalb schauen, weil dort die Rechtsgrundlagen geschaffen wurden, die für unser heutiges Handeln Anwendung finden. Da kann man nicht so tun, als ob man damals regelungen getroffen hat, die heute nicht mehr gelten sollen, auch es wenn es Ihnen nicht gefallen hat, Herr Schards, dass Ihre Partei sie damals mitbeschlossen hat. 

Vor diesem Hintergrund will ich darauf hinweisen, dass der Thüringer Landtag in der 5. Wahlperiode mit der Mehrheit der damaligen CDU-geführten Koalition das Thüringer Laufbahngesetz beschlossen hat. In der Drucksache 5/7453 ist die Ausnahme von der Ausschreibungspflicht für die Büroleiter und die persönlichen Referenten sowie die Leiter des Bereichs für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit enthalten. Also § 3 Abs. 2 Nr. 2 und 3 LaufbG.

Von dieser Ausnahme machten alle Thüringer Regierungen seit 1990 Gebrauch – wie übrigens die Regierungen aller Länder, in denen vergleichbare Regelungen in den Laufbahngesetzen enthalten sind.

Von dieser Möglichkeit des Verzichts auf die Stellenausschreibung soll künftig nur noch dann Gebrauch gemacht werden, wenn mit der einzustellenden Person ein befristeter Vertrag geschlossen wird.

Unbefristete Stellen sind, wie alle anderen Stellen im Öffentlichen Dienst grundsätzlich auszuschreiben. So stellen wir sicher, dass die Voraussetzungen des Art. 33 Abs. 2 GG eingehalten werden.

Der Rechnungshof schlägt - fünftens - vor, künftig keine politischen Beamt:innen in den Landespersonalausschuss zu entsenden. Er behauptet, damit würde eine sichtbare Vorbildwirkung in die Integrität und Leistungsfähigkeit des Öffentlichen Dienstes gezeigt.

Der Landespersonalausschuss ist ein unabhängiges, absolut integres Gremium, dessen Spruchpraxis über jeden Zweifel erhaben ist.

Sechstens: Mit Blick auf die Redezeit, die angemeldete Beratung im Fachausschuss und den hohen Detailgrad, führe ich hierzu nur kursorisch aus.

Die Landesregierung nimmt die Kritik des Rechnungshofes an der mangelnden Dokumentation und ungenügenden Tätigkeitsdarstellungen ernst. Der Rechnungshof weist auf die gesetzesmäßige Verpflichtung zur Aktenführung in Personalangelegenheiten hin. Die Ressorts haben nach eigener Aussage bereits begonnen, vorhandene Mängel zu beseitigen.

Die Landesregierung wird die Tätigkeitsdarstellungen und die damit verbundenen Bewertungen nachholen. (Vgl. Teil I 0.3)

Für künftige Einstellungsfälle werden Tätigkeitsbeschreibungen und –bewertungen vor der Einstellung angefertigt.

In Übereinstimmung mit dem Rechnungshof stellen wir fest, dass die Funktion des Staatssekretärs grundsätzlich auf Dauer angelegt ist. Dem ist mit der Ausbringung einer Planstelle Rechnung zu tragen. Arbeitsvertragliche Anstellungen erfolgen deshalb nur in begründeten Ausnahmefällen.

Die entsprechenden Arbeitsverträge sollen die beamtenversorgungsrechtlichen Vorschriften nachbilden. Die Staatskanzlei wird unter Beteiligung des Finanzministeriums und des Ministeriums für Inneres und Kommunales Musterverträge erstellen und diese mit dem Rechnungshof abstimmen.

Die Landesregierung wird künftig eine befristete Beschäftigung von Staatssekretär:innen nur im Ausnahmefall in Betracht ziehen und die Hinweise des Rechnungshofes beachten.

Siebentens: Die Landesregierung sieht die Rechtslage als eindeutig an: Bei den politischen Beamten werden alle Entscheidungen, die sonst der Landespersonalausschuss zu treffen hat, durch die Landesregierung getroffen.

Die Landesregierung entscheidet gemäß § 50 Abs. 5 ThürLaufbG an Stelle des Landespersonalausschusses gesetzeskonform unabhängig und in eigener Verantwortung über die Handhabung beamtenrechtlicher Ausnahmevorschriften. Dazu zählt u.a. die Frage, ob eine Beamtin oder ein Beamter die Befähigung für eine Laufbahn ohne die vorgeschriebene Vorbildung durch Lebens- oder Berufserfahrung erworben hat.

 Das Recht der Landesregierung, diese Entscheidungen in eigenem Ermessen zu treffen, wurde bisher auch in Thüringen nie in Frage gestellt und von jeder Vorgängerregierung selbstverständlich in Anspruch genommen.

Diese Rechtstatsache lag vielen Personalentscheidungen in der Vergangenheit zugrunde.

Die CDU-Affäre Peter Zimmermann ist aufgrund der Umstände seiner Entlassung als Staatssekretär vielen in Erinnerung.

Festzuhalten ist, dass Peter Zimmermannn im Alter von 32 Jahren in Sachsen und mit 34 Jahren in Thüringen zum Staatssekretär ernannt wurde. Ein fiktiver Lebenslauf spielte keine Rolle. Ebenso wenig, dass er kein  Hochschulstudium absolviert hatte. Weder in Sachsen noch in Thüringen wurden jemals Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Ernennung geäußert.

Wenn der Rechnungshof den der Landesregierung kraft Gesetz zustehenden Beurteilungsspielraum nun durch eigene Erwägungen ersetzt, bedeutet dies nicht weniger als einen  Bruch mit einer langjährigen Ernennungspraxis, die wir hier in Thüringen genauso handhaben wie andere Länder.

Sollte nun diese seit 1990 in Thüringen praktizierte Handhabung in Frage gestellt werden, ist die Landesregierung offen dafür, einen Gutachter oder Sonderbeauftragten mit dieser Frage zu befassen.

Öffentliches Gespräch mit offenem Visier über den Rechnungshofbericht

Sehr geehrte Damen und Herren, zehn Werktage liegen zwischen der Veröffentlichung des Sonderberichts des Rechnungshofs und unserer heutigen Beratung. In diesen zehn Werktagen hat die Landesregierung ein umfangreiches Arbeitsprogramm vorgelegt. Die Beanstandungen des Rechnungshofes werden bewertet. Geeignete Maßnahmen zur Abhilfe von beiderseits akzeptierten Mängeln werden ergriffen.

Transparenz, ehrliche Aufarbeitung von Defiziten, nachvollziehbare Schlussfolgerungen, die in der Praxis anwendbar sind – das sind die Maßstäbe unseres Handelns.

Ebenso gehört zu unserem Selbstverständnis die Debatte mit offenem Visier – das öffentliche Gespräch über den Sonderbericht.

Rechnungshöfe: Wächter über Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit

In dieses öffentliche Gespräch involviert sind die Verfassungsorgane Parlament und Regierung. Ebenso der Thüringer Rechnungshof. Der § 6 des Haushaltsgrundsätzegesetzes besagt: „Bei Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans sind die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten.“ Zu Wächtern über die Einhaltung dieses Gebots sind die Rechnungshöfe berufen. Sie nehmen in unserer Demokratie deshalb eine bedeutsame Funktion ein.

Anders als Parlament und Regierung sind die Rechnungshöfe weder der im Bund, noch die in den Ländern ein Verfassungsorgan. Sondern der Rechnungshof ist eine oberste Landesbehörde, die nur dem Gesetz unterworfen ist und deren selbstständige Stellung von der Verfassung garantiert wird.

Der Rechnungshof untersucht die zweckmäßigste, wirtschaftlichste und einfachste Gestaltung der öffentlichen Verwaltung. Er übermittelt das Ergebnis seiner Prüfung gleichzeitig Landtag und Landesregierung. Er kann ferner die Öffentlichkeit über eine abgeschlossene Prüfungstätigkeit informieren. Der Rechnungshof hat sich darüber hinaus auf Ersuchen des Landtages oder der Landesregierung gutachterlich zu Fragen zu äußern, die für die Bewirtschaftung öffentlicher Mittel von Bedeutung sind.

Rechnungshöfe: Keine Pflicht zur Zurückhaltung bei Wertungen aber zugleich keine Entscheidungskompetenz

Schon aus Art. 103 Thüringer Verfassung folgt, dass der Rechnungshof als unabhängige Instanz konzipiert ist. Ohne Entscheidungsrechte, dafür mit ausreichend Spielraum für deutliche Zweckmäßigkeitseinschätzungen. Ein Verfassungskommentar formuliert: „Die rechtliche Sanktionslosigkeit der Entscheidungen des Rechnungshofes ist „notwendiges Korrelat der umfassenden Kontrollkompetenzen“.

Dass der Rechnungshof anders als Gerichte keine Entscheidung trifft, seine Aufgabe nach geltender Rechtslage also die Information und die Empfehlung zu sein hat, ist dabei kein Mangel. Im Gegenteil: Der Wissenschaftliche Dienst des Landtags Schleswig-Holstein formulierte in einem Gutachten zutreffend: „Die Zweckmäßigkeitseinschätzungen des Rechnungshofs sollten gerade nicht Klagegegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein.

Denn die Sonderrolle der Rechnungshöfe gegenüber den drei Staatsgewalten garantiere die Unverfälschtheit der Informationen, welche von den Rechnungshöfen bereitgestellt werden. Die Furcht vor einer Zweckfärbung müsse notwendig zunehmen, würden die Rechnungshöfe vermehrt in den „Schlagabtausch des politischen Alltags“ verstrickt.

Sehr geehrte Damen und Herren, auch wenn die CDU Fraktion es gerne anders hätte: Der  Wissenschaftliche Dienst des Landtages Schleswig-Holstein unterstützt mit guten Argumenten die  Vorgehensweise der Thüringer Regierung, den Rechnungshof aus dem „Schlagabtausch des politischen Alltags“ herauszuhalten. Es war richtig, ihn seine Arbeit in Ruhe abschließen zu lassen.

In der Diskussion um den Sonderbericht des Rechnungshofes und die darin enthaltenen Bewertungen wurde vielfach deutlich, dass die garantierte Unabhängigkeit in der Prüftätigkeit des Rechnungshofes oftmals missverstanden wird als quasi-rechtsprechende Tätigkeit.

Deshalb noch einmal: Die Aufgabe des Rechnungshofes ist Information, nicht Entscheidung. Dabei kann und soll der Rechnungshof durchaus klare Worte sprechen. Eine Pflicht zur Zurückhaltung in der Begründung seiner Empfehlungen gibt es nicht. Doch Gunter Kisker stellte bereits vor 40 Jahren in der Neuen Juristischen Wochenschrift fest:

„Dass die Rechtsordnung einer Beratungs- und Prüfungstätigkeit [des Rechnungshofes] nicht entgegensteht […] bedeutet nicht, dass der Rechnungshof sich ungeniert auf das Glatteis der Politik begeben könnte. Das läuft im Ergebnis auf die Empfehlung hinaus, sich an jene self-restraint [also Zurückhaltungs-]Regel zu halten“ (Zitatende), die auch für die Justiz gilt.

Ernsthafter Umgang mit Beanstandungen und Empfehlungen einschließlich Benennung von Kritik und anderen Auffassungen

Gerade deshalb nimmt diese Regierung nimmt die Beanstandungen und Empfehlungen sehr ernst. Und sie zieht, wie ich Ihnen dargelegt hat eine ganze Reihe durchaus gravierender Schlussfolgerungen.

Der ernsthafte Umgang mit den Beanstandungen und Empfehlungen beinhaltet aber auch, dass wir deutlich machen, wo der Rechnungshof aus unserer Sicht falsch liegt oder aufgrund Pauschalverdachts zu Fehlschlüssen kommt.

Vier wesentliche Punkte:

Erstens: Der Rechnungshof kritisiert nachvollziehbar und berechtigt unzureichende Dokumentationen bei Tätigkeitsdarstellungen und Bewertungen. Dies räumen wir ein und wir räumen auf. Der Rechnungshof erhebt gleichzeitig auch zugleich den Pauschalverdacht, dass jede unzureichende Dokumentation auf eine fehlerhafte Bestenauslese schließen lasse. Dieser Schluss ist in keiner Weise belegt und unzulässig. Ebenso die  daraus gezogene Folgerung des Rechnungshofes „die festgestellten Verstöße gegen Art. 33 Abs. 2 GG waren systematisch und schwerwiegend.“ Er beweist nicht selbst, dass der Vorwurf stimmt, sondern schiebt diese Aufgabe der Regierung zu. Dieses Vorgehen stellt die betroffenen Beschäftigten unter den Generalverdacht mangelnder Qualifikation, gegen den sich zu wehren, sie keine Chance haben. Diese Beschäftigten fühlen sich dadurch an den Pranger gestellt. Insbesondere, wenn sie – anders als suggeriert – überhaupt kein Parteibuch haben oder keines der gegenwärtigen Regierungsparteien.

Zweitens: Der Journalist Sebastian Haak hat bereits vergangene Woche in einem nachlesenswerten Artikel unter der Überschrift „Sollen es wirklich nur die Juristen machen?“ auf eine unzulässige Engführung des Rechnungshofes hingewiesen. Und ausdrücklich anders als der Rechnungshof geht diese Landesregierung davon aus, dass die für die öffentliche Verwaltung nötigen und geeigneten Qualifikationen auch im Leitungsbereich oberster Landesbehörden nicht allein von  Juristen oder Politikwissenschaftler erbringen lassen. Der Rechnungshof verkennt u.E. in dieser tradierten Sichtweise die im modularen Aufbau heutigen Bachelor- und Masterstudiums enthaltene Vielfalt. Er verkennt, dass entscheidender Ausdruck eines akademischen Studiums die Fähigkeit ist, sich selbständig Wissen anwendungsorientiert zu erschließen. Er übersieht darüber hinaus die Lebenswirklichkeit der privaten Wirtschaft, die auch in Abschlüssen auf Diversität statt kanonischer Enge setzt.

Drittens: Sehr geehrte Damen und Herren, wie bereits in Fußnote 1 des Sonderberichts nachgelesen werden kann, begann der Rechnungshof im Jahre 2014 die Einstellungspraxis in den Leitungsbereichen der Ministerien für die Jahre 2009-2013 zu prüfen. Der Querschnitt, den der Rechnungshof behauptet, umfasste seinerzeit allerdings kein einziges CDU-geführtes Ressort, auch nicht die Staatskanzlei (trotz der Affäre Zimmermann, die hohe Wellen schlug), sehr wohl aber die SPD-Ressorts. Abgeschlossen wurde diese 2014 begonnene Prüfung bis 2020 nicht. Über die Gründe hat der Rechnungshof bisher keine Aussage gemacht. Er muss es auch nicht. Ich möchte aber anmerken, dass zeitigere Schlussfolgerungen und Empfehlungen frühzeitigere Maßnahmen hätten bewirken können. Im Jahre 2020 wurde die Prüfung dann auf alle Ressorts und die Staatskanzlei ausgeweitet. Nun, immerhin jetzt können wir Maßnahmen auf Basis der Empfehlungen ergreifen.

Viertens: Der Rechnungshof widmet sich mit seiner Prüfung der Einstellungspraxis der Staatssekretär:innen einer in der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur seit  Jahrzehnten umstrittenen  Frage, die bislang keine praktische Lösung gefunden hat.

Dieter Kugele brachte es 2007 in der Zeitschrift für Beamtenrecht auf den Punkt: „Die Institution des politischen Beamten stand seit jeher rechts- und politikwissenschaftlich in der Kritik. […] Das Wort von der Ämterpatronage geht schnell um. Im Einzelfall mag derartiges vorgekommen sein und auch in Zukunft vorkommen. Andererseits muss man bedacht sein, dass ein Minister, der sich einen ungeeigneten Parteigenossen als politischen Transformator ins Ministerium holt, die Suppe selbst auslöffeln muss, die er sich damit eingebrockt hat. Denn gute Transformationsarbeit ist für das moderne Management unumgänglich.“

Politische Beamte unterliegen gesetzlich geregelten Besonderheiten. Hierzu gehört bereits die in § 3 Abs. 2 Nr. 1 ThürLaufbG enthaltene Ausnahme von der Pflicht zur Ausschreibung, die auch die heutige CDU-Opposition seinerzeit beschlossen hatte als sie noch Regierungsverantwortung trug.

Schon bei der Auswahl der potenziellen Bewerber zeigt sich also eine einschränkende Modifikation des Prinzips der Bestenauslese. Dem politischen Vertrauen kommt im Rahmen des Auswahlvorgangs die Bedeutung eines konstitutiven Auswahlkriteriums zu, das sich nahezu ausschließlich in der subjektiven Überzeugung des betreffenden politischen Entscheidungsträgers erschöpft. Wie übrigens auch die zugestehen, die das Verhältnis von politischen Beamten und dem Leistungsprinzip rechtswissenschaftlich bemängeln.

Der Rechnungshof lässt dies nicht gelten. Dies ist aus seiner Argumentationslogik heraus nachvollziehbar. Doch noch einmal sei betont: Die Aufgabe des Rechnungshofes ist Information, nicht Entscheidung. Er vertritt eine Rechtsauffassung, der widersprochen werden kann und der wir an dieser Stelle widersprechen.

Bestenauslese hat stets stattgefunden

Für uns als Landesregierung war und ist maßgeblich: In Bezug auf die Leistungsfunktion gilt die Komplementärfunktion, nicht die Exklusivfunktion der politischen Übereinstimmung mit dem Amtsinhaber.

Ich räume dabei selbstkritisch ein, dass, wie z.B. Armin Steinbach 2018 im Verwaltungsarchiv feststellt, durchaus die fachliche Geeignetheit politischer Beamter in Frage gestellt wird, weil sich Fachautorität und Amtsautorität nicht zwangsläufig decken. Doch er ergänzt: „Für den politischen Beamten stehen die politischen Implikationen im Vordergrund, Umsetzbarkeit, Kommunizierbarkeit und die Auswirkungen auf die politische Profilierung des Ministers – das sind legitime Anliegen, wenn man Staatsleitung nicht als rationalen Steuerungsprozess begreift, sondern gerade irrationales, interessengeleitetes Handeln als Ausdruck des Demokratieprozesses ansieht.“

Die Verwaltungs- und Organisationskultur ist besser als vor 2014

Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe in meiner Rede den Bogen gespannt von dem Amtseid, dem wir verpflichtet sind. Über die Maßnahmen, die wir in den vergangenen zehn Werktagen bereits ergriffen haben, um die Beanstandungen des Rechnungshofes zu bewerten und geeignete Maßnahmen zu ergreifen.

Ich habe zudem an vier exemplarischen Punkten deutlich gemacht, wo wir systematische Engführungen und Vorgehensweisen des Rechnungshofes bemängeln. Weil dies zum öffentlichen Gespräch gehört, das wir als Koalition und als Landesregierung führen wollen.

Nichts wäre falscher und unzutreffender als ein sich verfestigender Eindruck von Ämterpatronage, bei dem im Übrigen – dies sage ich an alle Rednerinnen und Redner, die nach mir sprechen werden – erfahrungsgemäß aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger zwischen den Parteien nicht differenziert sondern die politische Klasse als solche am Pranger steht Die AfD im Übrigen eingeschlossen.

Ich möchte deshalb festhalten: Sollte eine der heutigen Oppositionsparteien einmal wieder in Regierungsverantwortung kommen, wird insbesondere die CDU eine andere und stark verbesserte Organisations- und Verwaltungskultur im Freistaat vorfinden.

Aus mehreren Gründen:

Die Landesregierung hat ein modernes Personalentwicklungskonzept 2025 erarbeitet, das derzeit bis 2035 fortgeschrieben wird. Dies dient auch der Untersetzung der Prinzipien von Art. 33 Abs. 2 i.V.m. Art. 33 Abs. 5 GG. 

Diese Koalition hat das Personalvertretungsgesetz bereits in der vergangenen Wahlperiode ausgeweitet und damit den Personalvertretungen einen weiten Handlungs- und Mitbestimmungsspielraum eingeräumt und damit einen Beitrag zu mehr Transparenz von Personalentscheidungen geleistet.

Diese Koalition nimmt das Landesgleichstellungsgesetz und das Antidiskriminierungsgesetz nicht nur zur Kenntnis, sondern wendet es an. Ebenso die in den vergangenen Jahren spürbar verstärkten Compliance-Regelungen.

Anders als die CDU am 6. Dezember 2010 hat diese Landesregierung nie einen Beschluss getroffen, einen Staatssekretär aus einem anderen Bundesland nur deshalb für einen Tag zum Staatssekretär in Thüringen zu ernennen, damit dieser schon als Finanzminister vorgesehene Kandidat dann nach seinem Ausscheiden als Minister den goldenen Pensionärs-Spazierstock genießen darf. Wie Sie wissen, war ich Staatssekretär in Berlin. Aber ich wäre nie auf den Gedanken gekommen, mich für nur einen Tag in Thüringen zum Staatssekretär ernennen zu lassen, wissend, dass ich als Minister vorgesehen bin.

Hohe Verdrängungskunst bei der CDU über Vorgänge in der Vergangenheit

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU sagte in einer Pressekonferenz der vergangenen Woche, ausnahmslos alle Ernennungen der CDU in der Vergangenheit seien über jeden Zweifel erhaben. Dies scheint mir eine von hoher Verdrängungskunst gespeiste steile These zu sein.

Ich behalte mir vor, im Verlauf der anschließenden Debatte noch einmal das Wort zu ergreifen, falls weitere Beispiele gewünscht sein sollten.

Da in der Debatte nachher sicherlich wieder das bekannte Lied der Alternative Alternative zu den sogenannten Altparteien gespielt wird. Lassen Sie mich deshalb an den früheren hessischen Staatssekretär und Staatskanzleichef Alexander Gauland erinnern.

Ins Amt gekommen als politischer Beamter, mit einer lupenreinen CDU-Parteikarriere. Bundestagsfraktion, Persönlicher Referent, Redenschreiber und Büroleiter des Oberbürgermeisters und als der Ministerpräsident wurde, in die Staatskanzlei. Bestenauslese? Fehlanzeige.

Wolfgang Juncker nannte es einen bürgerlichen Tod „die Loyalität, die Umstellungsbereitschaft eines Beamten nicht mehr zu erproben, sondern die Parteigänger der ehemaligen Regierung und nunmehr neuen Opposition sogleich auszuschalten.“ Alexander Gauland hatte keine Bedenken vor diesem bürgerlichen Tod des hessischen Kirchenbeauftragten in der hessischen Staatskanzlei, dessen einziger Fehler im SPD-Parteibuch lag. Falsche eidesstattliche Versicherungen inklusive. Martin Walser setzte diesem Machtmissbrauch eines politischen Beamten mit dem Roman „Finks Krieg“ ein literarisches Zeugnis.

Insofern, sehr geehrte Damen und Herren auf der rechten Seite, ein bisschen Zurückhaltung, wenn Sie nachher in der politischen Debatte so tun, als ob Sie nicht Fleisch vom Fleische derjenigen seien, sie Sie gern als Altparteien kritisieren.

Die Zukunft in den Blick nehmen, um künftig Defizite der Vergangenheit zu vermeiden

Sehr geehrte Damen und Herren, die vorgenannten Beispiele sollen nicht mehr und nicht weniger zeigen, dass es in der Diskussion darum gehen muss, die Zukunft in den Blick zu nehmen. Wie sollen künftig Defizite der Vergangenheit vermieden, bessere Regeln geschaffen werden? Hierzu habe ich Maßnahmen vorgetragen. Konstruktive Hinweise und Verbesserungsvorschläge, sei es vom Rechnungshof, der Opposition oder aus anderen Institutionen werden wir auch künftig vorurteilsfrei prüfen und soweit sie hilfreich sind zur Anwendung bringen.

Ungeachtet dessen bleibt festzuhalten: Diese Landesregierung hat sich stets an die Maßstäbe des Art. 33 Abs. 2 GG gehalten, selbst dann wenn im Einzelfall die nötige Sorgfalt in der Dokumentation fehlte. Die Ernennungen der Staatssekretärinnen und Staatssekretäre erfolgte stets rechtskonform. Dies werden auch die weiteren Beratungen hier im Thüringer Landtag zeigen.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

 

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