12.12.2022
Benjamin-Immanuel Hoff

Willkür bei der Ernennung von Staatssekretär:innen in Thüringen?

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Update 19. Dezember 2022:

in der 97. Plenarsitzung des Thüringer Landtages wurden durch Abgeordnete der CDU-Fraktion mehrere mündliche Anfragen gestellt. Die Antworten auf diese mündlichen Anfragen - vorbehaltlich des Protokolls der Plenarsitzung, das auf der Internetseite des Thüringer Landtages veröffentlicht werden wird, werden unten dokumentiert.

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Am 25. November 2022 berichtete das Magazin DER SPIEGEL unter der Überschrift „Thüringer Rechnungshof geißelt Ramelows Personalpolitik" über den unveröffentlichten Entwurf eines Prüfberichts des Thüringer Rechnungshofes zur Einstellungspraxis der Landesregierung für Staatssekretär:innen.

In dem Artikel wird unter Bezugnahme auf den nicht abgeschlossenen Prüfbericht des Rechnungshofes die Einstellungspraxis für Staatssekretäre als „rechtswidrig", „fehlerhaft", und „schlichtweg intransparent" bezeichnet.

Laut Bericht prüfte der Rechnungshof auf Basis der Personalakten von 8 der damals 13 Staatssekretäre der Ramelow-Regierung, ob ihre Ernennung „wirtschaftlich und sparsam" war und dabei alle beamtenrechtlichen Vorschriften eingehalten wurden. Laut Medienbericht konnten die Prüfer dies letztlich bei keiner Person bejahen. Nur ein Staatssekretär brachte eine „Regellaufbahnbefähigung" für den höheren öffentlichen Dienst mit. Bei insgesamt fünf Staatssekretären seien nicht einmal „die Mindestvoraussetzungen für eine Einstellung" erfüllt worden, ihre Auswahl sei „insgesamt intransparent und fehlerhaft" und zum Zeitpunkt der Ernennung hätte keiner der fünf Staatssekretär:innen ernannt werden dürfen.

Nach Information gegenüber dem Landesrechnungshof veröffentlichte die Landesregierung aufgrund öffentlichen Interesses eine Stellungnahme zu dem nicht abgeschlossenen Prüfbericht auf der Webseite thueringen.de sowie die Fragen des SPIEGEL und die Antworten der Thüringer Staatskanzlei.

Die Fraktion der CDU im Thüringer Landtag, zugleich die größte Oppositionsfraktion, nahm die Berichterstattung zum Anlass, einen 38 Fragen umfassenden Katalog an die Landesregierung zu richten und den Medienbericht zum Anlass einer Aussprache im Justizausschuss zu machen. Dort fand am 06. Dezember 2022 eine nicht-öffentliche mehrstündige Sitzung statt, in der der Autor dieses Beitrags den Abgeordneten Rede und Antwort stand.

Da für die Haushaltskontrolle der Regierung freilich nicht der Justizausschuss des Landtages zuständig ist, sondern der Haushalts- und Finanzausschuss, hatte die Landesregierung ihrerseits - mit dem Ziel der weitgehenden Transparenz zur Berichterstattung und der damit aufgeworfenen Fragestellungen – einen Bericht im Haushalts- und Finanzausschuss angemeldet. In öffentlicher Sitzung am 08. Dezember 2022 berichtete die Landesregierung erneut ausführlich und stand den Abgeordneten für Fragen zur Verfügung.

Die Südthüringer Tageszeitung „Freies Wort“ veröffentlichte am 09. Dezember 2022 in ihrer Printausgabe einen ganzseitigen Beitrag unter der Überschrift „Rot-Rot-Grüne Selbstbedienung bei Staatssekretären?“, in dem ausführlich aus dem der Zeitung offenbar vorliegenden internen Entwurf des Prüfungsberichtes zitiert wird.

Keine Veröffentlichung des Entwurfs des Prüfberichtes

Angesichts der medialen Berichterstattung über den Entwurf des Prüfberichts stellte der FDP-Abgeordnete Thomas L. Kemmerich in der öffentlichen Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses die auf den ersten Blick nicht unberechtigte Frage, ob es nicht gute Gründe gäbe, sowohl im Sinne der Transparenz für die Abgeordneten als auch um möglichen Schaden von in der Presse namentlich zitierten Staatssekretär:innen abzuwenden, wenn die Landesregierung den internen Entwurf des Prüfberichtes des Rechnungshofes veröffentlichen würde.

Es ist naheliegend anzunehmen, dass die Zurückhaltung der Landesregierung zur Veröffentlichung eines ihr Handeln kritisch bewertenden Entwurfs eines Prüfberichtes des Thüringer Rechnungshofes, dazu dienen soll, Informationen zurückzuhalten.

Der Grund für die Zurückhaltung liegt nicht in mangelndem Respekt gegenüber dem Thüringer Landtag und den Rechten seiner Abgeordneten, sondern im Respekt vor der verfassungsrechtlich geschützten Unabhängigkeit des Rechnungshofes.

Artikel 103 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaats Thüringen bestimmt, dass der Rechnungshof eine selbstständige, nur dem Gesetz unterworfene oberste Landesbehörde ist. Im Staatsgefüge des Freistaats nimmt der Landesrechnungshof mithin eine Sonderstellung ein. Er ist eine oberste Landesbehörde, die selbstständig und unabhängig von Exekutive und Legislative im sogenannten ministerialfreien Raum handelt.

Aus der richterlichen Unabhängigkeit der Mitglieder des TRH gemäß Art. 103 Abs. 1 Satz 2 ThVerf in Verbindung mit § 6 Abs. 1 S. 1 ThRHG folgt die Unabhängigkeit des Landesrechnungshofs als eigene verfassungsrechtliche Instanz, was sich vor allem in seiner Dispositionsfreiheit äußert. Der Landesrechnungshof entscheidet selbst, was und wann zu prüfen ist und auch wann er seine Prüfergebnisse veröffentlicht. Diese Unabhängigkeit gewährleistet, dass die Mitglieder in der Wahrnehmung ihrer Aufgaben selbstständig und von sachfremdem Einfluss frei sind.

Angesichts dessen war es der Landesregierung nicht erlaubt, eine eigene Stellungnahme zu dem nicht abgeschlossenen Prüfvorgang zu veröffentlichen und den Landtagsausschüssen für die Erörterung des Themas zur Verfügung zu stehen. Ein Eingriff in die Dispositionsfreiheit des Rechnungshofes steht der Landesregierung nicht zu.

Die Veröffentlichung eines nicht abgeschlossenen Prüfvorgangs stellt jedoch auch die Verfahrensabläufe von Rechnungshofprüfungen auf den Kopf.

Auf seiner Internetseite legt der Thüringer Rechnungshof sehr ausführlich den Ablauf seiner Prüfungsverfahren dar. Dabei werden ausgehend von der Auswahl des Prüfungsstoffs im Rahmen der Arbeitsplanung die dem Prüfungsauftrag entsprechende Prüfungsankündigung gegenüber der zu prüfenden Stelle übersendet. Die geprüfte Stelle hat nach § 95 ThürLHO dem TRH die Unterlagen, die er zur Erfüllung seiner Aufgaben für erforderlich hält, innerhalb einer bestimmten Frist zu übersenden oder den Beauftragten des TRH vorzulegen. Erbetene Auskünfte sind dem TRH zu erteilen.

Nach einer Schlussbesprechung mit der geprüften Stelle wird das Prüfungsergebnis in den sog. Prüfungsmitteilungen niedergelegt. Diese Mitteilungen werden nach § 96 ThürLHO der geprüften Stelle zur Stellungnahme zugeleitet. Nach deren Stellungnahme und ggf. einer (weiteren) Erwiderung durch den Rechnungshof ist das Prüfungsverfahren in der Regel beendet.

Im hier interessierenden Fall wurde der Entwurf der Prüfungsmitteilung vom 22. Februar 2022 der Landesregierung in schriftlicher Form am 01. März 2022 zugeleitet. Die Thüringer Staatskanzlei gab ihre Stellungnahme am 09. September 2022 gegenüber dem TRH ab, der nun über das weitere Vorgehen und eine ggf. weitere Erwiderung zu entscheiden hat.

Politische und nicht-politische Beamt:innen

Die Ernennung politischer Beamt:innen unterliegt, ebenso wie die Trennung von ihnen durch Entlassung oder Versetzung in den Ruhestand, erfahrungsgemäß nicht unerheblichen öffentlichen Interesse. Denn der Kreis politischer Beamt:innen umfasst gemeinhin Spitzen- und Leitungspositionen. In Thüringen benennt § 27 Abs. 1 Thüringer Beamtengesetz (ThürBG) folgende Ämter:

  • Staatssekretär:innen,
  • Präsident:in des Landesverwaltungsamtes,
  • Präsident:in des Amtes für Verfassungsschutz,
  • Präsident:in der Landespolizeidirektion,
  • Beauftragte für die Gleichstellung von Frau und Mann,
  • Ausländerbeauftragte:r,
  • Regierungssprecher:in.

Hinzu tritt nach § 98 Abs. 2 ThürBG die Direktorin oder den Direktor beim Thüringer Landtag.

Entgegen einer Vorstellung, dass es sich bei der Besetzung der Ämter politischer Beamt:innen um einen wenig rechtlich geregelten Raum handeln würde, der willkürliche oder rein politisch interessegeleitete Auswahlentscheidungen ermöglicht, ist das Gegenteil der Fall. Für die Ernennung politischer Beamt:innen gelten, wie für alle anderen Beamt:innen auch, die allgemeinen Vorschriften der §§ 7ff. Beamtenstatusgesetz (BeamtStG), sowie der Grundsatz der Bestenauslese gemäß Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz.

In den Thüringer Verwaltungsblättern führen Claudia Brandstädt und Ulrich Zahn aus, dass „die Beamtengesetze der Länder, in Thüringen § 27 ThürBG, wie auch vergleichbar das Bundesbeamtengesetz Regelungen für politische Beamte allein im Abschnitt ‚Beendigung des Beamtenverhältnisses‘ unter der Überschrift ‚einstweiliger Ruhestand‘ behandeln, nicht aber Sondervorschriften für die Begründung des Beamtenverhältnisses beinhalten.“ (Brandstädt/Zahn 2021: 178)

Worin sich die politischen Beamt:innen in Stellung und Funktion von den
„normalen“ nicht-politischen Beamt:innen unterscheiden, führten zehn Jahre vor Brandstädt und Zahn bereits Ulrike Schmidt und Jana Hechel in einer Ausarbeitung des Parlamentarischen Beratungsdienstes des Landtages Brandenburg über „Die Rechtsstellung der Staatssekretäre in den Bundesländern“ aus.

Die nicht-politischen Beamt:innen „sind entsprechend den hergebrachten beamtenrechtlichen Grundsätzen der §§ 33 f. BeamtStG zu parteipolitischer Neutralität verpflichtet. Sie haben dem allgemeinen Wohl zu dienen und die Interessen der Gesamtheit ebenso wie die des Dienstherrn zu wahren. Bei politischer Betätigung haben sie eine ihrem Amt gemäße Mäßigung und Zurückhaltung zu üben. Demgegenüber wird vom politischen Beamten erwartet, dass er bei der Ausübung seines Amtes in fortdauernder Übereinstimmung mit den grundsätzlichen politischen Ansichten und Zielen der Regierung steht. Er steht in einer besonderen Loyalitätspflicht gegenüber der politischen Regierung. Er hat deren Politik aktiv und wirksam zu unterstützen und benötigt dazu jederzeit deren volles Vertrauen in seine entsprechende Bereitschaft und Fähigkeit hierzu. Parteipolitische Neutralität gehört gerade nicht zu seinen dienstlichen Pflichten.“ (Schmidt/Hechel 2011: 8)

Aus diesen unterschiedlichen Funktionen und Dienstpflichten der politischen Beamt:innen gegenüber den nicht-politischen Beamt:innen ergeben sich Konsequenzen. Nicht-politische Beamt:innen können nur unter sehr engen Voraussetzungen aus dem aktiven Dienst entfernt werden. Schmidt/Hechel betonen: „Eine Versetzung in den Ruhestand vor Erreichen der Altersgrenze ist gegen seinen [des nicht-politischen Beamten - BIH] Willen nur wegen Dienstunfähigkeit zulässig.“ (Schmidt/Hechel 2011: ebd.)

Dadurch soll den nicht-politischen Beamt:innen die innere und äußere Unabhängigkeit gewährt werden, die Voraussetzung ist, trotz wechselnder politischer Ausrichtungen der jeweiligen Regierungen, das Amt als Beamt:in „neutral auszuüben, einen gleichförmigen Gesetzesvollzug zu sichern und damit einen ausgleichenden Faktor gegenüber den das Staatsleben gestaltenden politischen Kräften zu schaffen,“ wie Schmidt/Hechel darlegen.

Politische Beamt:innen hingegen können aufgrund der besonderen Loyalitätspflicht gegenüber der jeweiligen Regierung jederzeit und ohne Angabe von Gründen entlassen bzw. in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Hierbei kommt in Thüringen dem Ministerpräsidenten sowie der Landtagspräsidentin (für die Direktorin oder den Direktor des Thüringer Landtages) ein weiter Ermessensspielraum zu, der im Wesentlichen nur durch das Willkürverbot begrenzt wird.

Politische Beamt:innen bekleiden insoweit ein „Transformationsamt“ an der Nahtstelle zwischen Politik und Verwaltung. Zu deren Aufgaben zählt es, „politische Vorgaben in gesetzeskonformes und rechtsstaatliches Verwaltungshandeln umzuwandeln“, wie Brandstädt/Zahn unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausführen.

„Um dennoch das Wesen des Berufsbeamtentums nicht auszuhöhlen, bestimmt § 30 BeamtSgG, dass nur der zuständige Gesetzgeber den Kreis der politischen Beamten festlegen darf. Hierbei ist er gehalten, diesen Kreis auf wirkliche Schlüsselstellungen bzw. bedeutsame Mittlerstellen zwischen politischer Führung und Verwaltung zu beschränken.“ (Schmidt/Hechel 2011: 9)

Dies ist keineswegs nur eine theoretische Überlegung. So urteilte das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen im Jahr 2021, dass die landesgesetzliche Zuordnung der 17 nordrhein-westfälischen Polizeipräsident:innen zum Kreis politischer Beamt:innen, die jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können, verfassungswidrig sei. Da das OVG das vom Landtag beschlossene Gesetz nicht selbst verwerfen darf, legte das Gericht diese Frage dem Bundesverfassungsgericht vor, das hierzu entscheiden wird.

Auch in Thüringen wurde in der Vergangenheit über die weitere Reduktion der politischen Beamt:innen debattiert. Denkbar wäre beispielsweise eine Regelung zu treffen, nach der die Inhaber:in des Amtes des Präsidenten des Thüringer Landesverwaltungsamtes, der Beauftragten für die Gleichstellung von Mann und Frau sowie der Beauftragten für Integration, Migration und Flüchtlinge (Ausländerbeauftragte) und des Thüringer Polizeipräsidenten keine politischen Beamt:innen mehr sind. Nachdem die aktuellen Amtsinhaber:innen aufgrund des Erreichens der Altersgrenze oder auf eigenen Wunsch ausgeschieden sind, würde die jeweilige Nachfolge nach dem üblichen Verfahren aller nicht-politischen Beamt:innen besetzt werden.

 

Grundsätze der Auswahlkriterien für politische Beamt:innen in Thüringen

Die Bestenauslese gemäß Art. 33 Abs. 2 GG

In der parlamentarischen Beratung über die SPIEGEL-Berichterstattung und die veröffentlichten Positionen der Thüringer Landesregierung stellte die CDU-Fraktion im Landtag unter anderem die Frage, ob und wie die Thüringer Landesregierung die Einhaltung des Prinzips der Bestenauslese gemäß Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz bei der Ernennung von Staatssekretär:innen gewährleistet und ob die Landesregierung die Einschätzung teilt, „“dass das Prinzip der Bestenauslese und damit ein Mindestmaß an Leistung, Eignung und Befähigung auch bei der Ernennung von Staatssekretären aufgrund des Verfassungsrangs zwingend einzuhalten ist“.

Dies sind legitime Fragen, die sicherlich so oder so ähnlich auch die Leser:innen des SPIEGEL oder der Tageszeitung FREIES WORT sich stellen.

Nach Artikel 33 Abs. 2 Grundgesetz (GG)1 erfolgt die Personalauswahl im öffentlichen Dienst sowohl bei der Einstellung als auch bei der Übertragung von Leitungs- und Spitzenpositionen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung, womit das Prinzip der Bestenauslese verfolgt wird. Unter Eignung versteht man die persönliche (charakterliche und gesundheitliche) Eignung von Bewerbern. Die Befähigung umfasst Fähigkeiten, Kenntnisse, Fertigkeiten und sonstige Eigenschaften, die für die dienstliche Verwendung wesentlich sind. Die Beurteilung der fachlichen Leistungen spiegelt die Arbeitsergebnisse, die Arbeitsweise oder bei Vorgesetzten deren Führungsverhalten wider. Ferner sind bei Personalentscheidungen Benachteiligungsverbote beispielsweise nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zu berücksichtigen.

Dieser Grundsatz der Bestenauslese, der in § 9 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) seine einfachgesetzliche Entsprechung findet, gilt – mangels gesetzlicher Sonderreglungen – im Grundsatz natürlich auch bei der Einstellung von Staatssekretär:innen.

Aufgrund der Sonderstellung der Staatssekretär:innen als politische Beamt:innen im Sinne des § 27 ThürBG erfährt der Grundsatz der Bestenauslese eine verfassungsrechtlich gerechtfertigte Modifikation. Diese Modifikation drückt sich insbesondere in folgenden Sonderregelungen aus:

  • So bedarf es gem. § 3 Abs. 2 Nr. 1 Thüringer Laufbahngesetz (ThürLaufbG) bei den Staatssekretär:innen keiner öffentlichen Ausschreibung. Diese bewusste gesetzgeberische Entscheidung - im Hinblick auf eine Beschränkung eines möglichen Bewerberfeldes - basiert darauf, dass die Ausübung des sog. Transformationsamtes zwischen Politik und Verwaltung nur durch Personen möglich ist, die über das erforderliche politische Vertrauensverhältnis zur politischen Führung verfügen.
  • Dieses Vertrauensverhältnis tritt als entscheidendes Kriterium zum Kriterienkatalog des Art. 33 Abs. 2 GG hinzu. Es kommt mithin bei Staatssekretär:innen nicht allein auf Eignung, Leistung und Befähigung an. Hinzukommen muss zwingend ein politisches Vertrauensverhältnis, das wiederum von den regulären Beamten nicht vorausgesetzt wird.

Brandstädt/Zahn betonen richtigerweise, dass „das besondere politische Vertrauen […] ein zusätzliches Kriterium [ist], das jedoch nicht etwaige Defizite der an die Eignung, Befähigung oder fachliche Leistung zu stellenden Anforderungen auszugleichen oder gar zu überwiegen vermag.“ [Brandstädt/Zahn 2021: 178]

Alle durch die Landesregierung seit 2014 ernannten Staatssekretäre bzw. Staatssekretärinnen erfüllten bei ihrer Ernennung die erforderlichen Voraussetzungen der Eignung, Leistung, Befähigung und des politischen Vertrauens. Soweit letzteres nicht mehr vorlag, wurden die entsprechenden Staatssekretäre bzw. Staatssekretärinnen entweder entlassen oder in den einstweiligen Ruhestand versetzt.

In der Stellungnahme der Landesregierung zum Entwurf des Prüfberichtes des Thüringer  Rechnungshofs machte die Staatskanzlei deshalb deutlich, dass keine Ernennungen unter Missachtung des Prinzips der Bestenauslese rechtswidrig erfolgt seien.

 

Die Prüfung der Laufbahnbefähigung von Staatssekretär:innen

Auch die oben genannten politischen Ämter sind vom Thüringer Laufbahngesetz erfasst, das zum 1. Januar 2015 in Kraft getreten ist. Da im Zuge der Föderalismusreform eine Neuverteilung der Gesetzgebungskompetenzen auf dem Gebiet des Beamtenrechts erfolgte und die Regelungszuständigkeit für die Landesbediensteten auf die Länder überging, verabschiedete der Gesetzeber zum Jahr 2015 das novellierte Thüringer Beamtengesetz und  das Thüringer Laufbahngesetz.

Soweit das Laufbahnrecht ausnahmsweise keine oder nur teilweise Anwendung auf Ämter finden soll, ist eine gesetzliche Bestimmung erforderlich. Entsprechende Regelungen finden sich in § 1 Abs. 2 ThürLaufbG für Beamt:innen auf Zeit und kommunale Wahlbeamt:innen.

Für die politischen Beamt:innen sind aktuell keine ausdrücklichen Ausnahmen von der Zugehörigkeit zu einer Laufbahn vorgesehen. Vielmehr fungiert nach § 50 Abs. 5 ThürLaufbG für die politischen Beamt:innen die Landesregierung in allen Aufgaben, die für die nicht-politischen Beamt:innen dem Landespersonalausschuss vorbehalten sind. Der Landesregierung kommt, so die Rechtsauffassung von Brandstädt/Zahn „der sonst dem Landespersonalausschuss zustehende Beurteilungsspielraum darüber zu, ob die vorhandene Lebens- und Berufserfahrung den einzustellenden politischen Beamten befähigt, die Aufgaben des Amtes wahrzunehmen.“ (2021: 180)

Bei der Beantwortung der Frage nach der Prüfung einer Laufbahnbefähigung für die Thüringer Staatssekretär:innen ist vor dem Hintergrund der sich zum 01. Januar 2015 geänderten Rechtslage (Inkrafttreten des neuen Thüringer Beamtengesetzes und des Thüringer Laufbahngesetzes) zwischen dem alten Laufbahnrecht (bis zum 31.12.2014) und dem neuen Laufbahnrecht (ab 01.01.2015) zu differenzieren.

Für die Staatssekretär:innen, die vor dem 01. Januar 2015 sowohl die durch die Regierung Lieberknecht bzw. die vorhergehenden Landesregierungen ernannt wurden als auch für diejenigen, die im Dezember 2014 vom Kabinett Ramelow I ernannt wurden, gilt das alte Laufbahnrecht. Die Ernennung zum Staatssekretär bzw. zur Staatssekretärin erfolgte dabei gem. § 101 Abs. 4 ThürBG (alte Fassung) unter Anerkennung von Ausnahmen durch das Kabinett. Eine besondere Prüfung der Laufbahnbefähigung war daher nach altem Recht für Staatssekretär:innen nicht erforderlich und wurde auch so nicht praktiziert; weder von den vorhergehenden Landesregierungen noch dem Kabinett Ramelow I. Eine Dokumentation war daher im Übrigen für diese Personengruppe auch entbehrlich.

Für die Staatssekretär:innen, die ab dem 01.01.2015 ernannt wurden, gilt das neue Thüringer Laufbahngesetz. Danach müssen die Voraussetzungen der §§ 10, 11, 23, 26 ThürLaufbG vorliegen. Konkret bedeutet dies die Absolvierung verschiedener Prüfschritte zur Feststellung der Laufbahnbefähigung. Diese werden nachfolgend erläutert.

 

Prüfungsschritt 1:

Hat ein Kandidat oder eine Kandidatin für das Staatssekretär:innen- Amt einen Vorbereitungsdienst (z.B. zweites juristisches Staatsexamen) absolviert, dann liegt automatisch eine Laufbahnbefähigung für den höheren Dienst vor. Die Laufbahn selbst orientiert sich dann am Vorbereitungsdienst, z.B. dem höheren nichttechnischen Verwaltungsdienst.

 

Prüfungsschritt 2:

Liegt kein Vorbereitungsdienst im Sinne des Prüfungsschrittes 1 vor, müssen für die Laufbahn des höheren Dienstes die Voraussetzungen des § 23 ThürLaufbG vorliegen, d.h. ein abgeschlossenes Hochschulstudium (z.B. Master, Diplom) und eine mindestens 3-jährige hauptberufliche Tätigkeit, die nach Art und Schwierigkeit dem Studienabschluss entsprechen muss. Zusätzlich müssen die betreffenden hauptberuflichen Tätigkeiten von der Wertigkeit her mindestens Tätigkeiten des höheren Dienstes zuzuordnen sein. Die Kandidat:innen für das Amt eines Staatssekretärs oder einer Staatssekretärin haben entsprechende Dokumente ihres bisherigen beruflichen Werdegangs bei der personalführenden Stelle in der TSK vorzulegen, die die entsprechenden Prüfungen vornimmt.

 

Prüfungsschritt 3:

Liegen auch die Voraussetzungen des § 23 ThürLaufbG nicht vor, kann eine Laufbahnbefähigung nach § 26 ThürLaufbG als sogenannter „anderer Bewerber“ erfolgen. Dabei kommt es auf die Lebens- und Berufserfahrung an, die den Aufgaben im höheren Dienst entsprechen muss und die geeignet ist, die Aufgaben eines Staatssekretärs oder einer Staatssekretärin auszufüllen. Das Kabinett entscheidet, wie bereits dargelegt, über die Anerkennung dieser Lebens- und Berufserfahrung anstelle des Landespersonalausschusses.

Ein gesondertes Prüfungsverfahren, wie es § 26 Abs. 4 ThürLaufbG für den Landespersonalausschuss regelt, ist im Rahmen der Kabinettsentscheidung nicht vorgesehen.

Die Grundlagen für die Entscheidung zur Feststellung der Laufbahnbefähigung werden durch die für Personal zuständige Stelle in der Thüringer Staatskanzlei geprüft. Im Ergebnis einer umfassenden Prüfung erfolgt die Beteiligung der für die Laufbahn fachlich zuständigen obersten Dienstbehörde. Dies ist z.B. für den allgemeinen nichttechnischen Verwaltungsdienst das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales. Das Ergebnis der Prüfung findet schließlich Eingang in die Kabinettvorlage zur Ernennung des jeweiligen Staatssekretärs bzw. der jeweiligen Staatssekretärin.

Auf Hinweis des Rechnungshofs im Entwurf der Prüfungsmitteilung wurde die Personalstelle in der Thüringer Staatskanzlei angewiesen, das Prüfungsergebnis umfassender als bislang zu dokumentieren. Insbesondere wird nunmehr durch die personalführende Stelle in der Staatskanzlei ein Schreiben zur Feststellung der Laufbahnbefähigung gefertigt, dem zukünftigen Staatssekretär bzw. der künftigen Staatssekretärin ausgehändigt und eine Abschrift zur Personalakte genommen.

 

Die Prüfung des „fiktiven Werdegangs“

Von weiterem Interesse sind – neben den vorstehend ausgeführten Prüfschritten – die  Voraussetzungen des § 28 ThürLaufbG und hier speziell die des sogenannten fiktiven Werdegangs des § 28 Abs. 2 ThürLaufbG bei der Ernennung von Staatssekretär:innen.

Auch hier ist zwischen altem und neuem Laufbahnrecht zu unterscheiden. Das alte Laufbahnrecht kannte den „fiktiven Werdegang“ so nicht. Deshalb spielte er bei der Prüfung des Vorliegens ausreichender Voraussetzungen für die Ernennungen von Staatssekretär:innen bis zum 31.12.2014 keine Rolle. Weder unter den CDU-geführten Landesregierungen bis zur Landtagswahl 2014 noch bei den Ernennungen von Staatssekretär:innen des Kabinetts Ramelow I im Dezember 2014.

In den Thüringer Verwaltungsblättern führen Brandstädt/Zahn aus, dass der Landesregierung Ermessensspielraum darüber zukäme, „ob die beruflichen Erfahrungen des einzustellenden politischen Beamten ihrer Art und Bedeutung nach dem angestrebten Amt gleichwertig sind und das angestrebte Amt nach dem individuellen fiktiven Werdegang hätte erreicht werden können (§ 28 Abs. 2 Satz 1 ThürLaufbG). Der Gesetzeswortlaut des § 28 Abs. 2 Satz 1 ThürlaufbG legt es dabei nahe, bei der Bestimmung des fiktiven Werdegangs von einem abstrakt potenziell erreichbaren Amt auszugehen.“ (2021: 180).

Demgegenüber kann der sogenannte fiktive Werdegang bei der Ernennung von Staatssekretär:innen keine Anwendung finden. Dies ergibt sich aus dem Schutzzweck der Norm selbst. Denn § 28 Abs. 2 ThürLaufbG will in seinem Anwendungsbereich verhindern, dass die notwendig zu durchlaufenden Statusämter einfach „übersprungen“ werden, obwohl dies eine nichtpolitische Beamt:in im Rahmen der beamtenrechtlichen Karriere zum Zeitpunkt der Ernennung so nicht geschafft hätte. Dieser Fall tritt aber bei Staatssekretär:innen nicht ein. Denn diese durchlaufen keine Laufbahn, sondern werden direkt im Statusamt eines Staatssekretärs (B9) ernannt. Die vom § 28 ThürLaufbG beschriebene Fallkonstellation tritt folgerichtig bei diesen politischen Ämtern nicht ein.

 

Ausblick – Konkretisierung des Thüringer Laufbahngesetzes nach dem Vorbild anderer Länder

In Auseinandersetzung mit dem Entwurf des Prüfberichts des TRH, der Erarbeitung der Stellungnahme der Landesregierung und der zu ziehenden Schlussfolgerungen aus sowohl aus Sicht der Landesregierung berechtigter Kritik und wichtigen Hinweisen des TRH einerseits und bei Benennung von Differenzen zu vom TRH im Entwurf des Prüfberichts benannten Einschätzungen ist seitens der Landesregierung vorgesehen, eine Änderung des Laufbahnrechts vorzunehmen. Mit dieser Änderung würde Klarheit geschaffen, dass § 28 ThürLaufbG nicht für Staatssekretär:innen als sogenannte politische Beamt:innen im Sinne des § 27 ThürBG Anwendung findet.

Um dem Vorwurf vorzubeugen, hier würde sich die Landesregierung ein genehmes Gesetz ausgestalten, ist darauf hinzuweisen, dass eine solche Regelung keineswegs ein Thüringer Spezifikum wäre. Im Gegenteil. Mit dieser Änderung wird das Laufbahnrechts des Freistaats Thüringen dem anderer Länder (so z.B. Brandenburg, Sachsen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein) angepasst. Länder wie Bayern und Baden-Württemberg hingegen haben aufgrund der Position von Ministerialdirektoren wiederum andere Regelungen für die Staatssekretärinnen und Staatssekretäre. Im Gutachten des Parlamentarischen Beratungsdienstes des Landes Brandenburg vom 16. August 2011 über „Die Rechtsstellung der Staatssekretäre in den Bundesländern“ finden sich weitergehende Informationen zu den Staatssekretär:innen als politische Beamt:innen, im öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis und als Tarifbeschäftigte, also nicht als Beamt:innen sondern Angestellte.

Eine entsprechende Änderung des ThürLaufbG hätte keine Auswirkungen auf das Prinzip der Bestenauslese gemäß Art. 33 Abs. 2 GG. Dies gelangt bei der Ernennung von Staatssekretär:innen grundsätzlich weiterhin zur Anwendung.

Die geplante Änderung soll im Rahmen der aktuellen Novellierung des Laufbahnrechts erfolgen, für die das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales (TMIK) federführend zuständig ist. Aktuell laufen dafür die Abstimmungen zwischen der Staatskanzlei und dem TMIK. Es ist davon auszugehen, dass sich der Landtag im kommenden Jahr mit dem Gesetzesentwurf befassen können wird. * * *