14.05.2022
Benjamin-Immanuel Hoff

Alternativantrag zum Leitantrag L02 zum Erfurter Parteitag 2022

DIE LINKE Perspektive 2025: Vertrauen wiedergewinnen – gemeinsam stärker werden – unsere politische Kultur erneuern

Dieser Antrag wurde am 13. Mai 2022 im Landesvorstand Thüringen durch mich vorgestellt und diskutiert. Ich stehe für eine Diskussion dieses Antrages, ebenso wie der von mir gestellten Anträge zur Änderung der Satzung gern bei Gremien oder Delegiertenberatungen zur Verfügung. Wenn ihr den Antrag unterstützen wollt, dann bitte einfach das Kontaktformular auf dieser Seite nutzen.

 

Antragsteller:in: Benjamin-Immanuel Hoff (Thüringen)

Der Parteitag möge beschließen:

Der Antrag L02 wird neu gefasst.

 

DIE LINKE Perspektive 2025: Vertrauen wiedergewinnen – gemeinsam stärker werden – unsere politische Kultur erneuern

Wir leben in einer Zeit multipler Krisen und Konflikte. Der Klimawandel setzt sich fort und die bisher getroffenen Maßnahmen reichen nicht aus, um selbst die politisch gesetzten Ziele für die Erhaltung biologischer Vielfalt und die Ersetzung der fossilen Energieträger durch nachhaltige Energieerzeugung zu erreichen. Die klimatischen Veränderungen einerseits und die Kriege sowie militärischen Konflikte weltweit andererseits verschärfen Hungerkrisen und erhöhen den Migrationsdruck, weil zunehmend mehr Menschen in ihrer Heimat nicht mehr sicher sind oder überleben können. Die ökologische Krise ist zugleich eine soziale Krise, denn die Regionen und Bevölkerungsgruppen, die am verwundbarsten sind, werden als erste und am stärksten getroffen.

Während das Gleichheitsversprechen und die Menschenrechte universell gelten, also für jeden Menschen an jedem Ort, schotten sich die reichen Länder durch repressive Grenzregime ab und sterben täglich Menschen an der Festung Europa, bei dem Bemühen, die universelle Gültigkeit von Freiheit und Gleichheit für sich in Anspruch nehmen zu können.

Die Ungleichverteilung der Vermögen spitzt sich zu. Während einige immer reicher werden und aus den Krisen, der Pandemie und den Kriegen Extragewinne erzielen, leben Milliarden Menschen in Armut.

Auch in der Corona-Pandemie wurde ein weiteres Mal deutlich, dass die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung ungerecht ist. Die Wertschöpfung basiert neben der Lohnarbeit und der Ausbeutung natürlicher Ressourcen auf der unbezahlten Sorgearbeit, die überwiegend von Frauen geleistet wird. 

Die bisherigen Formen der Krisenbearbeitung entsprechen weitgehend den Prinzipien der neoliberalen und imperialen Globalisierung. Der imperialistisch motivierte Angriffskrieg Putins auf die Ukraine lässt zwar die Grenzen der neoliberalen Globalisierung klar hervortreten, stellt freilich das Muster der bisherigen Krisenbearbeitung nicht infrage. Diese beförderten die Polarisierung sowohl zwischen dem globalen Norden und dem globalen Süden als auch innerhalb der Gesellschaften.

Die große Zahl von Bürgerinnen und Bürgern, die sich mit ihren Anliegen weder vertreten sehen, noch die Erwartung, dass das politische System die Fähigkeit und die Bereitschaft zeigt, die Ursachen gesellschaftlicher Ungleichheiten und bestehender Ungerechtigkeiten tatsächlich an der Wurzel zu packen, mündet letztlich in die Krise gesellschaftlicher Integration und Repräsentation. In diese Hegemoniekrise des neoliberalen Kapitalismus interveniert die extreme Rechte in Deutschland und international mit dem Identitätsangebot des autoritären Populismus. Dessen Instrumente sind insbesondere Ausgrenzung sowie ein paranoider Diskurs der Delegitimierung demokratischer Institutionen, öffentlich-rechtlicher Medien sowie faktenbasierter Wissenschaftlichkeit.

Nicht weniger als die Überwindung dieser parallelen und miteinander verflochtenen Krisen ist unser Anspruch als Partei DIE LINKE. Eine Gesellschaft, die untrennbar ökologische, friedenspolitische und ökonomische Nachhaltigkeit mit den sozialen und politischen Menschenrechten eint, ist unser Ziel. Dabei stehen wir keineswegs allein. Weltweit gab und gibt es große und kleine Bewegungen, politische Bündnisse bis hin zu linksliberalen oder sozialistischen Regierungen, die vom rebellischen Willen und der emanzipatorischen Überzeugung einer Alternative zu den Krisenerscheinungen getragen sind.  Deshalb wollen wir - im Bündnis mit all denjenigen, die für internationale Solidarität und Gerechtigkeit, für Frieden und radikale Demokratie sowie für die sozial-ökologische Transformation eintreten – unseren Beitrag leisten, den Zukunftshorizont zu öffnen.

Uns verändern, um die Welt zu verändern

Gemeinsam mit vielen Menschen, wollen wir die Welt verändern. Dafür müssen wir zunächst uns selbst verändern. Nicht indem wir unsere Grundsätze aufgeben, sondern indem wir unsere derzeitigen Schwächen und Fehler ehrlich und klar benennen, um sie anschließend zu überwinden.

Unsere Partei hat sich in den vergangenen Jahren fundamental verändert. Mit dem Abklingen der tiefen Verwerfungen aus dem deutschen Vereinigungsprozess und dem Frontalangriff auf den bundesdeutschen Sozialstaat in Form der Agenda 2010 ließ das Mobilisierungspotenzial unserer aus PDS und WASG entstandenen Partei DIE LINKE nach. Die Rückkehr zu politischen Antworten, die in der Zeit des Widerstands gegen die Wendepolitik des Westens oder gegen die Agenda-2010-Politik der Nullerjahre richtig waren, ist kein erfolgversprechender Weg.

Gleichzeitig war bis Ende des vergangenen Jahres die Hälfte unserer Mitglieder erst in den vergangenen zehn Jahren der LINKEN beigetreten. Ein Drittel der Partei war Ende 2021 unter 30 Jahre alt. Mehr als 29.000 Genossinnen und Genossen sind in den vergangenen zehn Jahren durch Tod von uns gegangen oder haben unsere Partei durch Austritt verlassen. DIE LINKE unserer Zeit ist deshalb weder die alte PDS noch die frühere WASG.

Mit dieser Veränderung der Mitgliedschaft, die sich zwischen Ost und West ebenso wie zwischen Stadt und Land sehr unterschiedlich ausprägt, ging und geht ein Wandel des politischen Selbstverständnisses einher. Welche Themen besondere Bedeutung haben und wie Politik gemacht wird. Was früher selbstverständlich schien oder toleriert wurde, steht heute in der Kritik.

Angesichts der Polarisierungen im gesellschaftlichen Diskurs über Flucht und Migration, über die ökologische Transformation zur Bekämpfung des Klimawandels und die Maßnahmen sowie deren Wirkung zur Bekämpfung der Pandemie wundert es nicht, dass sich diese auch in unserer Partei DIE LINKE abbilden. Gesellschaftlich umkämpfte Themen und Konflikte auch innerhalb unserer Partei DIE LINKE ausgetragen werden.

Doch diese selbstverständlichen Widersprüche oder Gegensätze einer Partei im fundamentalen Wandel stellen unsere Partei DIE LINKE aktuell vor eine existenzielle Zerreißprobe. Zu konstatieren ist, dass uns derzeit viele Mitglieder verlassen – mit unterschiedlichsten und vielfach diametral entgegengesetzten Begründungen.

Die Vorfälle sexistischen Verhaltens (#LinkeMeToo) haben darüber hinaus strukturelle Defizite offengelegt, die zügig und konsequent überwunden werden müssen.

Wir haben weder Zeit, unsere Probleme auszusitzen, noch können wir uns ein Scheitern leisten. Ganz klassisch müssen wir konstatieren: Es rettet uns kein höheres Wesen – uns aus dem Elend zu erlösen, können wir nur selber tun.

Unseren Kompass neu auszurichten bedeutet:

  • Klarheit über unsere Grundwerte herzustellen und in diesem Sinne programmatisch zu arbeiten,
  • unsere politische Kultur zu verändern sowie die Form der Zusammenarbeit und der öffentlichen Kommunikation zu verbessern.

Unser Anspruch besteht darin, durch die Bewältigung unserer innerparteilichen Gegensätze und Widersprüche Erfahrungen zu sammeln, die uns in die Lage versetzen, auch die gesellschaftlichen Gegensätze und Widersprüche zu überwinden.

Unsere Grundwerte

Vor mehr als zehn Jahren beschloss der Erfurter Parteitag unser Parteiprogramm, das seitdem „Erfurter Programm“ genannt wird. Mit jeweils mehr als 95 Prozent der abgegebenen Stimmen wurde das Programm sowohl vom Parteitag als auch in einem Mitgliederentscheid bestätigt.

Wir haben uns zusammengeschlossen, so formulieren wir in der Präambel, zu einer neuen politischen Kraft, die für Freiheit und Gleichheit steht, konsequent für Frieden kämpft, demokratisch und sozial ist, ökologisch und feministisch, offen und plural, streitbar und tolerant. Gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland, in Europa und weltweit, mit Gewerkschaften und Bewegungen suchen wir nach alternativen Lösungen und gesellschaftlichen Alternativen. Wir wollen eine Gesellschaft des demokratischen Sozialismus aufbauen, in der die wechselseitige Anerkennung der Freiheit und Gleichheit jeder und jedes Einzelnen zur Bedingung der solidarischen Entwicklung aller wird. Wir kämpfen für einen Richtungswechsel der Politik, der den Weg zu einer grundlegenden Umgestaltung der Gesellschaft öffnet, die den Kapitalismus überwindet.

Die Voraussetzungen für Freiheit, Gleichheit und demokratische Kooperation sind nicht ohne die Errungenschaften der »bürgerlichen Gesellschaft« zu denken. Moderne Produktionsverhältnisse und Produktivkräfte tragen auch emanzipatorische Potenziale in sich. Unter kapitalistischen Verhältnissen wurden demokratischen Beteiligungsformen und individuelle Freiheitsrechte »von unten« erstritten und abgerungen, teilweise »von oben« hervorgebracht. Sie bilden ein stets umkämpftes Feld. 

Erreicht werden die politischen Ziele der LINKEN im Schoße der alten Gesellschaft, hier agieren wir um einer besseren Zukunft willen. Da, wo die Emanzipation des Individuums voranschreitet, wollen wir dies ausbauen, vorwärtstreiben und so »aufheben«. Da, wo Verhältnisse herrschen, die diese befreienden Potenziale fesseln sowie Gewalttätigkeit, Ausschluss, Ungleichheit und Naturzerstörung produzieren, setzen wir alles daran, sie zu überwinden.

Wirkliche Veränderung entsteht aus Erfahrungslernen, baut auf dem bisher Erreichtem auf, ist also tätige Praxis, nicht eine Frage des bloßen Willens. Für eine LINKE heißt das, sich nicht nur über Akte der Befreiung dieser Potenziale Gedanken machen zu dürfen, sondern auch darüber nachzudenken, wie diese Potenziale unter den falschen Bedingungen trotzdem »in richtige Richtung« weiter wachsen. 

Unser Ziel heißt Veränderung. Der Politikwechsel den wir anstreben bedeutet, dem Selbstbestimmungsanspruch der Menschen durch Erweiterung ihrer Gestaltungs- und Teilhabemöglichkeiten gerecht zu werden. Durch gemeinsames Handeln die praktische Erfahrung von Selbstermächtigung zu machen, statt des beherrscht und regiert zu werden. Die umfassende gesellschaftliche Demokratisierung von Wirtschaft und Gesellschaft steht im Zentrum sozialistischer Politik. Ausgehend davon werden Strukturveränderungen zu Zwischenzielen, die Ausweitung der Mitbestimmung ermöglichen; strukturverändernde Reformen in diesem Sinne verbessern nicht nur den Alltag hier und heute, sie stellen zugleich die Voraussetzung zu weiteren Veränderungen dar. 

Ohne die Mobilisierung von Mehrheiten für dieses Ziel wird Fortschritt, wie wir ihn denken, nicht zu haben sein. Die notwendige sozial-ökologische Transformation, die Bewältigung des Klimawandels, der solidarische Umgang mit Flucht und Migration, die Herstellung von Resilienz angesichts von Pandemien, Naturkatastrophen und Kriegen gelingen nur, wenn wir gesellschaftliche Mehrheiten gewinnen. Dies gelingt weder von oben, schulmeisternd oder gar repressiv. Aus unserer Geschichte haben wir gelernt: Kein Zweck heiligt die Mittel. Weder in unserem Land noch anderswo. Unsere Methode ist deshalb die Aufklärung. Als sozialistische Gerechtigkeitspartei treten wir in die gesellschaftliche Debatte im Großen wie im Kleinen. Zukünftige Heilsversprechen können andere anbieten. Unsere Vision einer gerechten Gesellschaft soll sich bereits im Hier und Jetzt beweisen. Indem wir konkrete Verbesserungen und praktische Problemlösungen anbieten.

Lange hat sich linke Politik mehr über die Abgrenzung und Distanz oder die Nähe zu sozialdemokratischen Politiken definiert als über eine eigene demokratisch-sozialistische Gesellschaftsvorstellung – unsere Partei eingeschlossen. Entstanden unter anderem aus der Kritik zum damals neoliberalen Kurs der SPD, der rot-grünen Politik des Kabinetts Schröder-Fischer, stand die Ablehnung der neoliberalen Agenda-Politik lange Zeit im Zentrum unserer Politik.

Das hat viele Menschen mobilisiert und es hat auf die politische Diskussion eingewirkt. Den Mindestlohn, auf den die SPD heute so stolz ist und den sie als ihren Erfolg reklamiert, hätte es ohne den politischen Druck der LINKEN einerseits aber eben auch ohne die konkrete Regierungspolitik der SPD im Bund andererseits, nicht gegeben.

Wir haben als LINKE lange Zeit den Eindruck erweckt, die SPD und die Grünen seien bundespolitisch der »Hauptfeind«, während wir als LINKE landespolitisch mit beiden Parteien koalieren. Derlei Widersprüche aufzulösen bedeutet, unseren konkreten politischen Gebrauchswert als sozialistische Gerechtigkeitspartei eigenständig zu bestimmen. Nicht in Abgrenzung zu Mitte-Links-Parteien und auch nicht in der Behauptung, alle anderen Parteien seien unterschiedslos neoliberal. Es kann keine Rede davon sein, dass Parteien mehr oder weniger gleich seien. Die Unterschiede der Parteien sind in vielen Feldern tiefgreifend. Darüber hinaus nützt die analytisch falsche Annahme sogenannter Kartellparteien nur den antidemokratischen und autoritären Kräften.

DIE LINKE regiert derzeit in den Ländern Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Thüringen. In Thüringen stellt unsere Partei den Ministerpräsidenten. In Hamburg, Hessen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen sowie im Deutschen Bundestag gestalten wir linke Politik aus der Opposition heraus. Für die Durchsetzung unserer Ziele spielen wir auf der gesamten Klaviatur demokratischer Politik, der außerparlamentarischen und parlamentarischen Opposition ebenso wie in der Regierung oder der Tolerierung von Minderheitsregierungen. Die Entscheidung darüber treffen wir auf Parteitagen oder durch Mitgliederentscheide.

In unserer politischen Praxis sind wir erfolgreich und wir machen Fehler. Das eine ist nicht ohne das andere zu haben. Wir treffen Entscheidungen, die sich rückblickend als falsch herausstellen können. Damit offen umzugehen und die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen, verstehen wir als selbstverständlichen Lernprozess.

Deshalb wurden auch Fehler in der Arbeit unserer Landesregierungen selbstkritisch aufgearbeitet. Wir haben dadurch viel über die Begrenzungen und auch die Widersprüche sozialistischer Gerechtigkeitspolitik im Alltag gelernt. Begrenzungen und Widersprüche im Handeln sind freilich nicht auf die linke Regierungspolitik beschränkt – sie sind Begleiterscheinung und Treibstoff aller linken Gestaltungspolitik.

Damit wir Widersprüche und Begrenzungen in unserer Politik erkennen können, müssen wir uns politisch weiterentwickeln. Hierzu gehört ein fortlaufender programmatischer Prozess, der nicht unsere Grundsätze über Bord wirft, sondern die inhaltlichen, strategischen und programmatischen Grundlagen unserer Politik überprüft und diskutiert. In einer Zeit der multiplen Krisen, in einer Phase, in der sich die Haarrisse innerhalb der neoliberalen Hegemonie zu manifesten Brüchen verstärkten und neue Bewegungen neue Fragen aufwerfen, wollen wir als DIE LINKE nicht stehen bleiben.

Marx formulierte in den Randglossen zum Gothaer Programm ironisch: „Lassalle wußte das Kommunistische Manifest auswendig wie seine Gläubigen die von ihm verfassten Heilsschriften“. Wir haben unserem Programm das Gedicht Bertolt Brechts „Fragen eines lesenden Arbeiters“ vorangestellt. Es endet mit den Zeilen: „So viele Berichte. So viele Fragen.“.

Wir wollen deshalb Fragen stellen und gemeinsam mit unseren Partnerinnen und Partnern in Bewegungen, der kritischen Wissenschaft und auch in befreundeten Parteien ebenso wie im ständigen Austausch mit Bürgerinnen und Bürgern Antworten formulieren. Es ist kein Ausdruck von Schwäche, sondern ein Zeichen von Ehrlichkeit und Stärke, Fragen und Widersprüche zuzulassen um diese gemeinsam aufzulösen. Dies ist der Grundwerte- und programmatische Prozess, den wir einleiten werden.

Unsere politische Kultur, Zusammenarbeit und Kommunikation

Durch unsere Arbeit und unser Handeln bieten wir Orientierung und wollen Beispiel geben für eine gesellschaftliche Haltung, die antidemokratischen Kräften und autoritären Tendenzen klar entgegentritt. Die Solidarität und den Zusammenhalt, den wir gemeinsam mit Vielen für diese Gesellschaft erstreiten wollen, müssen wir in unserer Partei selbst leben.

Dafür müssen wir unsere politische Kultur erneuern. Wir können nicht mehr die Augen davor verschließen, dass wir uns vielfach selbst blockieren. Selbst dort wo wir uns einig sind und kraftvoll gemeinsam für einander und unsere politische Forderungen einstehen, dominiert das Bild einer zerstrittenen und sich selbst blockierenden Partei, in der politische Funktionär:innen nicht miteinander um die beste Lösung ringen, sondern sich gegenseitig öffentlich bekämpfen.

Die demokratisch-sozialistische Strömung, die wir als Partei DIE LINKE darstellen, speist sich aus vielen Traditionsgewässern. Auf dem Sonderparteitag der SED/PDS brachen wir mit dem Stalinismus in der kommunistischen Bewegung. Eine Lehre daraus war die Überzeugung, dass Tendenzen, Plattformen und Fraktionen nie mehr unterdrückt werden dürfen, sondern die Vielfalt der Positionen die politische Kultur und Debatte unserer Partei bereichert.

Der Stillstand unserer programmatisch-inhaltlichen Debatte einerseits und die politischen Selbstblockaden andererseits haben dazu beigetragen, dass die Vielfalt der Positionen innerhalb unserer Partei DIE LINKE keinen vielstimmigen Chor mehr erzeugt, sondern in relevanten Fragen sich gegenseitig ausschließende Positionen vertreten werden.

Über das politische Profil unserer Partei und die politische Richtung entscheiden jedoch die Mitglieder, die von ihnen gewählten Gremien der Partei, also Parteitage und Vorstände, nicht aber die Zugänge zu Talkshows, Vertreter:innen der Medien oder die Reichweite in sozialen Netzwerken. 

Für diesen kritischen Zustand unserer Partei tragen Viele die Verantwortung und die Kritik an diesem Zustand muss die selbstkritische Betrachtung des eigenen Handelns einschließen. Die selbstkritische Benennung dieser Defizite, die keineswegs selbstverständlich ist für Parteien, ist unser gemeinsamer erster Schritt zur Erneuerung. Wir wollen mit dieser Erneuerung, durch das gemeinsame Handeln Vieler dazu beitragen, Vertrauen wiederzugewinnen. Vertrauen in die Solidität unserer Forderungen, in die Attraktivität der Mitgliedschaft und Mitarbeit in unserer Partei.

Unverzichtbar dafür ist die gemeinsame Politikentwicklung von Partei und Fraktionen, vom Gemeinderat über die Kreis- und Landtage bis zum Deutschen Bundestag, ebenso wie der Vertreter:innen unserer Partei in kommunaler Verwaltung oder Regierungen.

Unsere Satzung formuliert in Paragraph 6 Rechte und Pflichten der Mandatsträger:innen. Sie haben das Recht, aktiv an der politischen Willensbildung innerhalb der Partei mitzuwirken, von der Partei bei der Ausübung ihres Mandates unterstützt zu werden und sie sind verpflichtet, sich loyal und solidarisch gegenüber der Partei zu verhalten, die programmatischen Grundsätze der Partei zu vertreten sowie die demokratische Willensbildung in der Partei bei der Wahrnehmung des Mandates zu berücksichtigen.

Auf Bundesebene wollen wir im Lichte dessen u.a. den Bundesausschuss als höchstes Gremium zwischen den Bundesparteitagen, als Länderrat und Gremium der gemeinsamen, kohärenten Politikentwicklung von Partei und Fraktion sowie auch der Landesregierungen weiterentwickeln.

Die gute Nachricht: Wir fangen nicht bei null an. Wir haben als Partei viele Erfahrungen gemacht, die wir ausgewertet haben. Hierauf können wir aufbauen. Aus den guten Praxen („best practice“) wollen wir für die gesamte Partei lernen. Dabei gibt es nicht eine gleiche Lösung für alle: Die Rahmenbedingungen sind in Ost und West, Stadt und Land zum Teil unterschiedlich.

Die vor uns liegenden Aufgaben

Wir haben die Chance in einer Krise zu wachsen, wenn wir unsere neuen Mitglieder politisch mitnehmen und unsere langjährigen Mitglieder wieder stärker einbinden. Die Bundestagswahl 2021 war eine Zäsur, eine Niederlage für DIE LINKE. Wahlen, aber auch politische Erfolge insgesamt, werden durch Klarheit im Inhalt, Authentizität der Personen und eine engagierte Mitgliedschaft gewonnen. Plakate, Zeitungen und Presseerklärungen allein gewinnen nicht die Herzen der Menschen und auch nicht die Wahlen in der Bundesrepublik. Notwendig ist ebenso eine Mitgliedschaft, die sicht- und vor allem auch ansprechbar ist, die verankert ist und Vertrauen genießt. Die authentisch als Botschafterin der sozialistischen Gerechtigkeitspartei wirkt, für die Ziele der Solidarität und Demokratie brennt. Dies kann niemand schaffen, außer wir selbst.

Die Rückmeldungen aus unserer Mitgliedschaft waren deutlich und wir nehmen sie ernst: Nötig ist mehr Einigkeit, mehr Debatte untereinander, klare Entscheidungen statt Formelkompromisse und mehr Kontakt vor Ort – untereinander und mit Bürgerinnen und Bürgern. Wir arbeiten daran: Wahrnehmbar und aktiv vor Ort, glaubwürdig und verlässlich in unseren Positionen. Für und mit denjenigen, die in sozialen Kämpfen um bessere Arbeits- und Lebensbedingungen einen spürbaren Unterschied machen.

Unsere Wahlniederlagen schränken unsere Ressourcen ein. Dies betrifft nicht allein die parlamentarischen Vertretungen, sondern auch die Finanzen der Partei insgesamt. Wir werden mit weniger Ressourcen mehr erreichen müssen. Dies wird uns dann gelingen, wenn wir Menschen für unsere Partei gewinnen. Sowohl Menschen, die neu zu uns kommen aber auch Mitglieder, die uns verlassen haben. Wir wollen Mitglieder, die uns verlassen haben, weil sie die Hoffnung in die Erneuerung unserer Partei aufgegeben haben, ermutigen, mit uns gemeinsam die Erneuerung Wirklichkeit werden zu lassen. Dies wird nicht sofort gelingen. Aber jeder Schritt in diese Richtung kann dazu beitragen.

In einer Gesellschaft, in der der Ton rauer wird, wollen wir der Ort der Solidarität sein, an dem Genoss:innen Gemeinschaft finden. Dies muss sich in all unseren Handlungen ausdrücken. Aus #LinkeMeToo ziehen wir Konsequenzen. Wir schaffen professionelle Strukturen und Regelungen in unserer Satzung, die dafür Sorge tragen sollen, dass Fehlverhalten sanktioniert und Betroffene geschützt und unterstützt werden. Eine Kultur des Wegschauens und des Bagatellisierens von Fehlverhalten tolerieren wir nicht. Wir wirken ihr entgegen. Weil wir zwar die Vision einer gerechten Gesellschaft verfolgen, aber wissen, dass patriarchale Strukturen, Machtasymmetrien und autoritär geprägte Persönlichkeiten um unsere Partei und damit letztlich um uns keinen Bogen machen, sondern wir selbst Teil davon sind.

Der Generationswechsel in unserer Partei wird oft als kultureller und politischer Gegensatz erlebt. Vielfalt der Milieus, der Generationen, der Herkünfte und der Selbstbeschreibungen ist bereichernd. Sie ist zugleich herausfordernd und kann als überfordernd erlebt werden. Deshalb werden wir neue und offene Formate der Debattenkultur, der Mitmach-Möglichkeiten entwickeln. Wir werden genauer zuhören, um in unserer Partei der vielfältigen Lebenserfahrungen, der unterschiedlichen Lebenswelten Gelegenheiten und Räume zu schaffen, in denen sowohl gemeinsam als auch differenziert mitgemacht werden kann.

Es ist die Verantwortung von Vorständen, in der Aktivität vor Ort das Gemeinsame zu betonen, verschiedene Interessen zusammenzuführen und deutlich zu machen: Wir sind verschieden – aber gemeinsam für linke Ideen aktiv.

Alle Kreisverbände, besser noch die Ortsverbände, entwickeln Willkommensstrukturen und Projekte, in die neue Mitglieder niedrigschwellig einsteigen können. Wer zur LINKEN kommt, muss eine offene Kultur vorfinden, die Austausch und Aktivität stärker macht als Bürokratie und Routine; funktionierende Strukturen, die Angebote zur Beteiligung machen. Und es muss ein transparenter Wissenstransfer organisiert werden.

Unsere Treffen dürfen keine geschlossenen Veranstaltungen sein, sondern sind linke Ankerpunkte in der Gesellschaft: Sie müssen Orte des Austausches von politischen Ideen sein, Orte des gemeinsamen Planens und gegenseitigen Erlebens. Wenn Interessierte zum ersten Mal bei uns sind, sind sie ein Teil von uns, so wie wir Teil der Nachbarschaft, des Betriebes, der Bewegung oder der Wartenden im Jobcenter sind.

Wir wollen, dass DIE LINKE im Alltag der Menschen an ihrer Seite steht, dass wir gemeinsam mit Plan, Vision und in lockerer Atmosphäre für Verbesserungen kämpfen. Dazu gehört auch, Orte in der Partei zu schaffen, in denen wir ohne Beschlussdruck zusammenkommen, neue Erkenntnisse gewinnen, Erfahrungen austauschen, lachen und Interessen und Ziele ausloten können. Wir können Verbindungen zwischen den Menschen wieder stärken, wenn wir unsere Arbeitsweise umstellen. Im direkten Gespräch, in der direkten Erfahrung auf gelungenen Treffen, in gemeinsamen Kämpfen, sei es vor Ort oder bei weltumfassenden Themen.

Perspektive 2025: In Opposition und Regierung erfolgreich sein. Zu alter Stärke zurückkehren.

Der Erneuerungsprozess unserer Partei verfolgt zunächst die Perspektive 2025. Bis dahin wollen wir zu alter Stärke zurückkehren. Wir wollen neue Mitglieder hinzu und ehemalige Mitglieder zurückgewinnen. Wir wollen Menschen begeistern, mit uns Politik zu machen und sie ermutigen, uns ihre Stimme bei Wahlen zu geben.

In den kommenden zwei Jahren stehen wichtige Wahlen an. Im nächsten Jahr werden die Landtage in Bayern und Hessen sowie die Bürgerschaft in Bremen gewählt. In Schleswig-Holstein finden Kommunalwahlen statt. In diese Wahlen gehen wir mit unterschiedlichen Voraussetzungen und Zielen.

In Bayern wollen wir wachsen und den Wahlkampf nutzen, um in der Fläche sichtbar zu sein. Als sozialistische Gerechtigkeitspartei wollen wir erkennbare Alternativen zur Politik der Christsozialen und dem bräsigen Konservatismus der Freien Wähler formulieren. Wir machen deutlich: Weder die CSU noch die Freien Wähler stehen für „das Bayern“, auch wenn sie das gern behaupten. In der Flüchtlings- und Migrationspolitik, bei Umwelt- und Naturschutz, dem Ausbau der Demokratie statt Polizeigesetzen und Verschärfung der inneren Sicherheit sowie in einer modernen Gesellschaftspolitik zeigen wir, wie bunt Bayern ist.

Bei den Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein wollen wir den Dialog fortsetzen und verstärken, den wir im Landtagswahlkampf 2022 begonnen und geführt haben. Die konkreten Sorgen und Probleme vor Ort, sei es die Mietenentwicklung in den Städten, insbesondere im Hamburger Umland, die Sorgen abgehängter Regionen u.a.m. werden wir thematisieren, Alternativen anbieten und wir wollen Menschen einladen, gemeinsam mit uns in den kommunalen Vertretungen für konkrete Verbesserungen einzutreten und für uns als Kandidat:innen anzutreten.

Der hessische Landtag hat für unsere Partei eine besondere Bedeutung. Hier gelang uns seinerzeit der erste Einzug in einen Flächenlandtag der alten Bundesländer. Nur in Hessen sind wir derzeit in einem westlichen Flächenland im Landesparlament. Ob NSU-Skandal, Flughafenausbau, Wirtschafts- und Sozialpolitik. Wir formulieren linke Alternativen zur schwarz-grünen Politik. Der Anspruch, Hessen grüner und gerechter zu machen, wurde erkennbar nicht eingelöst. Als sozialistische Gerechtigkeitspartei werden wir deshalb die Unverzichtbarkeit einer starken linken Stimme im Landtag deutlich machen.

Seit 2019 regiert DIE LINKE erfolgreich in Bremen. Im Gesundheits- und im Wirtschaftsressort haben unsere Senator:innen über den Zeitraum der Pandemie hinweg gezeigt, wie linke Gestaltungspolitik gerade in Krisenzeiten ausbuchstabiert wird. In der rot-grün-roten Koalition ist DIE LINKE die treibende Kraft sozial-ökologischer Stadtentwicklung. Wir wollen im Frühjahr 2023 bei der Bürgerschaftswahl in Bremen als starke linke Kraft zeigen, dass wir Verantwortung für soziale und ökologische Gerechtigkeit übernehmen.

In neun Bundesländern, also mehr als der Hälfte aller Länder, finden im Frühjahr 2024 Kommunalwahlen statt. In der Kommunalpolitik sind Tausende für DIE LINKE aktiv – als Mandatsträger:innen, als sachkundige Bürger:innen oder auch als politisch gewählte
Verwaltungsbeamt:innen. Darüber hinaus sind Tausende Mitglieder vor Ort aktiv als Vorstände in Bürger:inneninitiativen und in Vereinen, in Elternvertretungen, in migrantischen oder antifaschistischen Selbstorganisationen und Bündnissen, in Selbsthilfegruppen, in Stadtteilzentren und Bürgerhäusern. Sie alle geben unserer Partei ein erkennbares Gesicht. Wir wollen die Kommunalwahlen 2024 nutzen um unsere Verankerung vor Ort, in den Dörfern, Gemeinden und Städten, den Landkreisen und Bezirksvertretungen zu verstärken. Wir werden übergreifende Themen und Angebote formulieren und zugleich Lösungen für die konkreten Sorgen und Herausforderungen vor Ort anbieten. Wir wollen mehr Menschen ansprechen, für uns vor Ort Verantwortung zu übernehmen und gemeinsam mit uns und für uns als Kandidat:innen anzutreten.

Die ostdeutschen Landtagswahlen sind für uns naturgemäß von großer Bedeutung. Bei den vergangenen Wahlen 2019 mussten wir in Sachsen und in Brandenburg herbe Verluste konstatieren. Wir wollen diesen Prozess umkehren und wieder stärker werden. Zweistellige Ergebnisse sind unser Anspruch. Die Kenia-Koalitionen in Potsdam und Dresden sind nicht in der Lage, den sozial-ökologischen Umbau auszugestalten und für soziale Gerechtigkeit sowie gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Landesteilen zu sorgen. Die ostdeutsche Gesellschaft ist in einem Umbruch. Die Nachwendezeit ist zu Ende gegangen, doch die Erfahrungen der vergangenen dreißig Jahre, u.a. geprägt von Massenarbeitslosigkeit, Abwanderung, Niedriglöhnen und weiterhin bestehenden Ungerechtigkeiten zwischen West und Ost, sitzen tief. Während der autoritäre Rechtspopulismus diese Erfahrungen für das Schüren von Ressentiments und eine Politik der Ausgrenzung nutzt, wollen wir durch Optimismus und Mut einerseits sowie die Wiederherstellung einer konkreten Politik des „Kümmerismus“ andererseits die Zivilgesellschaft stärken.

Seit 2014 regiert DIE LINKE in Thüringen und stellt mit Bodo Ramelow den ersten und bislang einzigen Ministerpräsidenten Deutschlands. Seit 2019 hat die rot-rot-grüne Koalition keine Ein-Stimmen-Mehrheit mehr, sondern regiert als Minderheitskoalition – allen Widrigkeiten zum Trotz erfolgreich. Wir wollen bei der Landtagswahl in Thüringen nicht weniger als erneut zur stärksten politischen Kraft zu werden. Der verantwortungslosen Politik von FDP und CDU, die mit dem Tabubruch im Frühjahr 2020 einen 24-Stunden-FDP-Ministerpräsidenten von Gnaden der Rechtsextremisten wählten, setzen wir die Zusammenarbeit und die erfolgreiche soziale, demokratische und ökologische Gestaltungspolitik des Bündnisses aus LINKEN, SPD und Grünen entgegen.

Solidarity in Europe – Kurs auf die Europawahl 2024

Die Europawahl ist entscheidend. Für uns als Partei DIE LINKE ist diese Wahl die Zwischenbilanz unseres Erneuerungsprozesses. An diesem Ergebnis bemisst sich, ob es uns gelungen ist, als linke Kraft, als sozialistische Gerechtigkeitspartei Vertrauen zurück und neues Profil gewonnen zu haben.

Wir gehen in diese Europawahl mit einem unmissverständlichen Kurs: Wir wollen diese Europäische Union zu einer sozial und ökologisch gerechten, friedlichen und demokratischen Gemeinschaft entwickeln. Dies bedeutet an vielen Stellen einen klaren Kurswechsel hin zu einer humanitären Migrationspolitik, wirksamen Maßnahmen zum Abbau sozialer und regionaler Ungerechtigkeit durch eine wirksame Sozialunion und den Schutz von Arbeitnehmer:innenrechten. Wir wollen eine noch wirksamere Umwelt- und Klimaschutzpolitik, die durch eine sozial gerechte Transformation der fossilen Industrien gestützt wird. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit müssen in allen EU-Mitgliedsstaaten Gültigkeit haben. Wir treten gemeinsam mit unseren europäischen linken, grünen und alternativen Partner:innen für Frieden, Humanität und Weltoffenheit ein und damit allen autoritären Populisten entgegen, die mit Brexit, illiberalen Demokratien oder durch Austerität die europäische Idee untergraben. Unsere Antwort darauf lautet: Solidarity in Europe (Solidarität in Europa).

DIE LINKE Mitmachpartei – Kommunal und Digital

Die Partei muss als lebendige Mitgliederpartei zu erleben sein. Gemeinsam arbeiten und kämpfen, gemeinsam gewinnen und auch mal verlieren, gemeinsam lachen und trauern. Diejenigen, die für uns Verantwortung übernehmen wollen, die für ein Amt oder Mandat kandidieren, die unterstützen wir und sind auch dann an ihrer Seite, wenn wir verloren statt gewonnen haben.

Persönliche Gespräche, sei es an der Haustür, am Gartenzaun oder an einem Infostand, der aktiv gestaltet ist und zum Dialog einlädt, sind das mit Abstand effektivste und wirkungsvollste Mittel, um mit Interessierten zu reden und sie zum Mitmachen einzuladen. Gleiches gilt für unsere Mitglieder: Keine E-Mail kann das persönliche Gespräch mit ihnen, direkt oder auch am Telefon, ersetzen. Unsere Mitglieder sind diejenigen, die im Alltag linke Themen in der Gesellschaft setzen und vor Ort Wähler*innen überzeugen.

Jede Gliederung der Partei, die keine persönlichen Gespräche mit Bürger:innen, ob an der Haustür, oder ähnlichen direkten Formen, führt, verschenkt Potenzial. Wenn Kreisverbände ein Prozent ihrer Wähler:innen als Mitglieder gewinnen würden, würden sie ihre Mitgliederzahl verdoppeln.

Die Rahmenbedingungen dafür sind unterschiedlich, die Kräfte und Ressourcen nicht gleich verteilt. Wir wollen uns deshalb erreichbare Ziele setzen, aktiv in das Gespräch kommen, dort wo wir wissen, dass wir Bürger:innen wieder antreffen. Wir möchten unsere neuen Mitglieder motivieren, sich dabei mit ihren Erfahrungen einzubringen.

Hauptamtliche und sehr aktive ehrenamtliche Genoss:innen befähigen wir, andere darin zu bestärken, stückweise mehr Verantwortung zu übernehmen. Aus Interessierten werden erst
Unterstützer:innen, dann Mitstreiter:innen und schließlich Mitglieder. Um dies zu erreichen, verändern wir unsere Arbeitsweise und unsere Kultur auf allen Ebenen der Partei und in den Parlamenten

Unsere Ressourcen sind begrenzt, deshalb schwächt uns Eigenbrötelei, stärkt uns wiederum gemeinsame abgestimmte Politik – bundesweit und vor Ort. Kampagnen sind kein Selbstzweck, sondern erleichtern politische Aktivität. In den Kampagnen ist die Partei an verschiedenen Orten gleichzeitig sichtbar und wiedererkennbar.

Das öffentlichkeitswirksame Arbeiten vor Ort, das die Kampagne der Bundespartei nutzt, soll Teil der Kultur unserer Kreisverbände und vor allem Ortsverbände sein. Die Beteiligung von anfangs 50 auf nunmehr 180 Kreisverbänden an öffentlichen Aktionen unserer Kampagnen ist gut. Wir wollen dies ausbauen: Kampagnengruppen vor Ort gehen an Haustüren und Nachbarschaften, laden zu Treffen ein und kämpfen vor Ort für konkrete Verbesserungen. Es werden lokale Kampagnenpläne erarbeitet, Verantwortlichkeiten verteilt und benannt, damit Interessierte unkompliziert dazu kommen können.

Der Parteivorstand hat einen Kampagnenrat (bestehend aus Parteivorstand, Ländern und Fachleuten) auf den Weg gebracht, der zusammen mit einem Aktivenrat (aus Kreis- und Ortsverbänden und weiteren Aktiven) die Schwerpunkte fokussieren und ausarbeiten wird. Wir nehmen damit den Aufbau der politischen Arbeit von unten in den Blick.

Wir sind eine lernende Partei. Die Gesellschaft verändert sich und wir verändern uns mit unseren Mitgliedern. Wir wollen politische Bildung als Teil von alltäglicher Parteiarbeit in den Kreisverbänden stärken. Aus gemeinsamer Praxis und deren Reflexion erarbeiten wir uns einen gemeinsamen Blick auf die Welt, auf linke Perspektiven, Alternativen und Strategien und Praxis. Sowohl langjährige als auch neue Mitglieder haben Fragen – zu einzelnen Themen, aber auch grundsätzlich. Linke Positionen müssen sich immer wieder dem radikalen Zweifel stellen. Dafür ist die offene Debatte im Orts- und Kreisverband der richtige Ort. Geschützte Räume für politische Debatten und den Austausch tragen zu einer solidarischen Kultur in der Partei bei. Wir lernen auch, solche Debatten gut und attraktiv zu führen. Den zwanglosen Zwang des besseren Arguments zu schätzen, statt vermeintliche Geländegewinne im Kampf zwischen Strömungen oder um politischen Einfluss erzielen zu wollen. Die Auseinandersetzung mit inhaltlichen Positionen, Ansätzen und Praxis von Organisierung, Strukturaufbau und (Wahl-)Kampagnen ist zentral, um eine gemeinsame Praxis zu entwickeln. Es geht darum: Im Wissen um unsere Pluralität geeint handeln.

Wir werden auch künftig keine Unternehmensspenden annehmen. Stattdessen werben wir um die ehrenamtliche Unterstützung und die Kleinspenden der Vielen, mit denen wir diese Gesellschaft besser machen wollen. Wir sind auf viel Leidenschaft und ehrenamtliches Engagement angewiesen.

Die Bundespartei fördert Multiplikator:innen für die Bildungsarbeit: Kampagnen-, Wahlkampf- und Mitgliederverantwortliche, Teamer:innen, Multiplikator:innen und Organizer:innen. Wir schaffen für sie Austauschorte und stärken entsprechende Ansätze in den Kreisverbänden.

Praktische Bildungsarbeit ist attraktiv: In den letzten Jahren haben wir mehr als 2 500 Menschen darin ausgebildet, selbst Organisierungsprozesse anzustoßen und Verantwortung zu übernehmen. Wir wissen, dass es möglich ist. Nun übertragen wir diese Erfahrungen auf die gesamte Partei.

Konkret wird unsere Arbeit als sozialistische Gerechtigkeitspartei vor Ort. Dort sind wir konkret erfahrbar. Dort engagieren sich unsere Mitglieder. Die unterschiedlichen Kämpfe um demokratische Beteiligung, gegen Privatisierungen der Daseinsvorsorge aber für deren öffentliche oder genossenschaftliche Erbringung, für bezahlbares Wohnen, zukunftsfähigen Nahverkehr, Inklusion im Alltag und für gebührenfreie Bildung sind für uns Teil einer Strategie des Kommunalsozialismus.

Deshalb wollen wir die Arbeit in den Kommunalvertretungen stärker mit der alltäglichen Parteiarbeit und unseren Bündnispartner:innen vor Ort verbinden. Wir setzen den Fokus auf Konflikte, die wir als LINKE zusammen mit interessierten Nachbar:innen gewinnen können. In der Kommunalpolitik entwickeln und verwirklichen wir „im Kleinen“, was wir am Großen verändern wollen. Kommunale Erfolge machen Mut und Lust auf Mehr.

Wir wollen die Erfolge, die unsere kommunalen  Mandatsträger:innen gemeinsam mit den Menschen erzielen, übertragbar machen und mit den zentralen Schwerpunktsetzungen kombinieren. Bis 2024 werden wir gemeinsam mit der BAG Kommunalpolitik, den Kommunalpolitischen Foren und allen hier aktiven Gliederungen ein Unterstützungsangebot für die kommunalpolitische Arbeit aufbauen.

Digitale Infrastruktur muss die Arbeit erleichtern, unnötige Bürokratie abbauen und unsere Arbeit effizienter machen. Tausende Chatgruppen in den sozialen Netzwerken, diverse Cloudlösungen in den Ländern und uneinheitliche Datenbankstrukturen sind ein Zeichen für unser Bemühen, um digitale Modernisierung, die wir nunmehr weiter professionalisieren. Unser Ziel sind unkomplizierte Lösungen. Dafür bauen wir die Plattform der DIE-LINKE.APP weiter aus und schaffen endlich die  Schnittstellen zu einer professionellen linken Mitglieder- und Aktiven-Datenbank. In ihr soll alles zusammenkommen: Mitglieder können eintreten; sie haben Zugriff auf Inhalte und wichtige Infrastruktur und können sich mit anderen Mitgliedern vernetzen. Die eigenen Mitgliederdaten, einen kommunalpolitischen Musterantrag finden, die neuesten Kommunikationslinien oder FAQs, den Leitfaden für die nächsten Haustürgespräche – je nach Funktion alles aus einer Hand.

Damit beseitigen wir auch die oft angemahnte Kommunikationslücke, alle Informationen und Termine sollen darüber bereitgestellt, sowie Befragungen und Abstimmungen möglich werden. Dafür sind finanzielle Mittel erforderlich. Wir werden bei der Beschlussfassung über den Haushaltsplan entsprechende Prioritäten unter knapper werdenden finanziellen Ressourcen der Partei festlegen müssen.

Wir werden dafür werben, dass die Digitalisierung und Modernisierung unserer Partei auch durch finanzielle Beiträge der Mitglieder unterstützt wird. Unsere Bitte lautet deshalb, dass jedes unserer Mitglieder für diesen Zweck bis 2025 durchschnittlich einen Euro monatlich mehr zum Mitgliedsbeitrag bezahlt. Klar ist, dass die Bereitschaft dafür wächst, je attraktiver wir sind, je ernsthafter und offensiver wir die Erneuerung der Partei DIE LINKE Realität werden lassen. Packen wir es an! Wir haben eine Welt zu gewinnen!

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