03.05.2021

Sozialer Wohnungsbau hat Priorität

Rede in der 42. Plenarsitzung des Thüringer Landtags am 21.4.2021

43. PLENARSITZUNG IM TH

 

Sehr geehrter Herr Präsident,

sehr geehrte Damen und Herren,

es ist in dieser Aktuellen Stunde bereits ein breiter Fächer an Themen der Mieten- und Wohnungspolitik aufgespannt worden. Ich beginne mal mit der Höhe der Grunderwerbssteuer, die hier von der Opposition kritisiert wurde. Schleswig-Holstein wird regiert durch eine Koalition aus CDU, FDP und Grüne – die Grunderwerbssteuer beträgt 6,5 Prozent. Nordrhein-Westfalen – ebenfalls 6,5 Prozent Grunderwerbssteuer – wenn ich richtig informiert bin, regieren dort CDU und FDP gemeinsam. Das heißt, hier ist wieder so eine Situation, wo die Opposition, in diesem Falle die FDP, die Landesregierung für das kritisiert, was die eigene Partei in anderen Konstellation als Teil einer Landesregierung in gleicher Weise tut. Sie verstehen, dass mich Ihre Kritik deshalb nicht überzeugt.

[Beifall DIE LINKE]

Wenn sich Abgeordnete dieses Landtages, deren Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und FDP, insgesamt 284 Mitglieder des Bundestages, darunter auch Thüringer Abgeordnete, den Mietendeckel zu Fall gebracht haben und damit Hunderttausende Berlinerinnen und Berliner in Unsicherheit gestürzt haben, ob sie sich die Mietpreise für ihre Wohnungen in Berlin noch weiterhin leisten können, hier hinstellen und sagen, das ist ein Thema, das mag in Städten interessant sein, aber im ländlichen Raum ist das Thema weitgehen uninteressant und es braucht keine weiteren Mietenregulierungen, kann das nicht überzeugen, insbesondere dann nicht, wenn nach einer aktuellen Umfrage 69 Prozent der Mieterinnen und Mieter und 50,6 Prozent der Vermieter der Überzeugung sind, dass die bundesweiten Regelungen zur Mietendeckelung verschärft werden müssen und ein angemessenes Instrument sei.

[Beifall DIE LINKE]

Genau in diesem Sinne wird in diesem Jahr auch der Bundestagswahlkampf geführt werden unter dem Gesichtspunkt, welche Bundesregierung denn in der Lage ist, genau eine solche Regulierung des Mietenmarktes – und die braucht es – durchzusetzen.

[Zwischenruf Abg. Kemmerich: Sie kennen aber die Äußerungen der Sprecherin des Innenministeriums, wie sie der Berliner Wohnung…?]

Dann schaue ich mir den zweiten Punkt an, Herr Kemmerich. Das ist das Absinken der Sozialwohnungen.

[Zwischenruf Abg. Kemmerich: Das war nicht die Antwort!]

Wir hatten im Jahr 2007 2 Millionen Sozialwohnungen in Deutschland und bis 2018 ein Absinken der Sozialwohnungen um 44 Prozent auf 1,137 Millionen Wohnungen. Wir merken das auch daran, wie der Bund von 2018 bis 2019 seine Förderung für den sozialen Wohnungsbau um 5,5 Prozent reduzierte, während es uns in Thüringen auf Basis der Evaluation, die sowohl vom Abgeordneten Liebscher als auch von der Abgeordneten Lukin bereits in dieser Aktuellen Stunde angesprochen wurden, durch das Umstellen unserer Förderrichtlinien gelungen ist, im sozialen Wohnungsbau einen Fördermittelanstieg um 103 Prozent zu realisieren. Daran zeigt sich auch, wie die Prioritätensetzung aussieht.

Abgeordneter Liebscher hat heute fünf Punkte angesprochen, die ich eins zu eins, unterstützen kann. Neben der Tatsache, dass das Wohnungsbausondervermögen tatsächlich eins der wenigen Sondervermögen ist, die in unserem Landeshaushalt tatsächlich werthaltig ist und dem Begriff eines Sondervermögens auch Rechnung tragen, haben wir eine elendige anhaltende Grundsatzdiskussion auch aus dem Rechnungshof über die Frage geführt: Darf ein solches Sondervermögen weiter existieren oder nicht?

Ich spreche klar dafür. Von den fünf Vorschlägen, die der Abgeordnete Liebscher heute unterbreitet hat, kann ich vier sofort unterstreichen: der 1. Punkt, hier Sicherheit in die Diskussion reinzubringen, Langfristigkeit bei der Zuführung und auch was die Förderstrukturen betrifft bin ich absolut dabei.

Ich will aber auf eines hinweisen: Hier werden in der Diskussion auch beim Barrierereduzierungsprogramm – das Anlass für die Debatte der CDU heute gewesen ist – die Zielstellungen sozialer Wohnungsbau und Programme der Eigenheim- und Wohnraumförderung vermischt. Ich muss mich entscheiden: Worüber diskutieren ich? Ich kann nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, die zusammenmixen und denken, daraus wird ein angenehmes Programm. Sondern ich muss klar sagen: Wenn ich über sozialen Wohnungsbau rede – und das ist die Kernaufgabe des Wohnungsbausondervermögens -, dann heißt das, dass diejenigen, die die entsprechenden Zuschüsse und Darlehen in Anspruch nehmen, auch Belehnungsbindung und Mietpreisbindung machen. Das ist die conditio sine qua non von sozialem Wohnungsbau.

Worüber ich noch zusätzlich reden kann – und da bin ich beim Abgeordneten Bergner und auch bei den Abgeordneten der CDU -, ist, was Wohnungsbau- und Eigenheimförderung in unserem Freistaat insbesondere dort bedeutet, wo die soziale Wohnraumförderung nicht der Hauptbestandteil ist.

Natürlich haben wir auch solche Kommunen. Wir haben in diesen Kommunen übrigens – und darauf haben der Abgeordnete Liebscher und die Abgeordnete Lukasch hingewiesen – eine hohe Nachfrage nach Wohnungen, weil es um die Qualität der zur Verfügung gestellten Wohnräume geht, die häufig nicht optimal ist und deshalb die Nachfrage trotz formal ausreichend bestehendem Wohnraum nicht gedeckt werden kann.

Insofern müssen wir jenseits der Notwendigkeit, ich betone der weiterhin bestehenden Notwendigkeit, im sozialen Wohnungsbau aufzustocken, gleichzeitig Programme der Eigenheimförderung, der Barrierereduzierung und auch Programme wie den Kinderbauland-Bonus auflegen, für die der Landtag ja auch Mittel zur Verfügung gestellt hat. Es gibt exakt zwei Förderrichtlinien, an denen sich der Freistaat beim Kinderbauland-Bonus orientieren kann: Das ist Hannover und das ist Bayern und beide werden derzeit geprüft. Hannover hat eine Richtlinie aufgemacht, die im Kern sagt: Wer bei uns aus unserem städtischen Vermögen Flächen kaufen will, der bekommt einen Kinderbauland-Bonus entsprechend der Zahl an Kindern im Haushalt. Bayern hat eins oben draufgelegt, weil die nicht nur an der Eigenheimförderung interessiert sind, sondern die sagen auch: Ein entsprechender Bonus wird auch für den Erwerb von Wohnungsgenossenschaftsanteilen gezahlt. Das finde ich völlig richtig, das liegt auf der Linie dessen, was eine rot-rot-grüne Landesregierung auch richtig finden kann und muss. Insofern ist die Erarbeitung einer entsprechenden Richtlinie für den Kinderbauland-Bonus, den der Thüringer Landtag in den Haushalt 2021 geschrieben hat, im Prozess. Ich hoffe, dass ich dem Thüringer Landtag auch kurzfristig vermelden kann, dass wir diesen Kinderbauland-Bonus zur Verfügung stellen – dann auch mit einer entsprechenden Förderrichtlinie untersetzt.

Lassen Sie mich aber noch mal auf das Barrierereduzierungsprogramm zurückkommen, weil das für mich beispielhaft ist. Das Barrierereduzierungsprogramm war ein Programm, das wir zeitlich befristet aufgelegt hatten – ganz bewusst zeitlich befristet, weil es dafür auch nur zeitlich befristet eine Bundesförderung gab.

Nachdem die Bundesförderung ausgelaufen ist und wir aus der Rückzahlung der Darlehen aus dem Wohnungsbausondervermögen die Abfinanzierung der Landesanteile an den Bundesmitteln vornehmen, müssen wir uns – wenn sozialer Wohnungsbau im Vordergrund steht – gemeinsam, Landesregierung und Landtag als Haushaltsgesetzgeber, überlegen, wie wir ein solch erfolgreiches Programm, aus dem 7.000 Wohnungen finanziert worden sind, als Zuschussprogramm auch mit einem gewissen Mitnahmeeffekt auflegen, ohne dass das Wohnungsbausondervermögen mit seiner Kernaufgabe des sozialen Wohnungsbaus geschmälert wird. Denn diese 7.000 Wohnungen unterlagen keinerlei Belegungsbindung, keiner Mietpreisbindung. Das heißt, damit sind Barrierereduktionen in Wohnungen geschaffen worden, die der Klientel, die auf den sozialen Wohnungsbau in Thüringen zwingend angewiesen ist, vielfach nicht zur Verfügung standen, weil diese sich die Mieten dort eben nicht leisten können.

Wenn wir ein solches Barrierereduktionsprogramm weiterhin wollen, müssen wir im Haushalt die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellen. Dort sind sie nicht, wenn die Kernaufgabe des sozialen Wohnungsbaus im Wohnungsbausondervermögen – Ute Lukasch hat darauf hingewiesen, wir haben Förderanträge im Umfang von 119 Millionen EUR allein für dieses Jahr, bei einem zur Verfügung stehenden Fördervolumen von rund 50 Millionen EUR. Wenn wir das wollen, müssen wir mehr tun.

Insofern kann ich nur sagen, nach der Pandemie wird die Aufräumphase kommen und dort wird es auf öffentliche Investitionen ankommen. Der Wohnungsbau ist einer der Daseinsvorsorgebereiche, in dem wir mehr öffentliche Investitionen benötigen. Vielen Dank.

[Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]