Benjamin-Immanuel Hoff

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Blogbeitrag auf www.freitag.de vom 8. Dezember 2020

Mit einem Paukenschlag hat der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt eine Entscheidung im anhaltenden Koalitionskonflikt um den Rundfunkbeitrag getroffen. Laut Mitteldeutscher Zeitung zieht die Landesregierung den Gesetzentwurf über den Staatsvertrag zum Rundfunkbeitrag zurück. Damit ist der Staatsvertrag für alle anderen Länder gescheitert – obwohl fast alle Länder bereits die Zustimmung zum Staatsvertrag erteilt hatten. Der Rundfunkbeitrag bleibt damit auch nach dem 1. Januar 2021 bei unverändert 17,50 EUR.

Noch im Sommer hatte Haseloff als Ministerpräsident auf ein direktes Veto gegen den Staatsvertrag verzichtet, obwohl er wusste - und zu Protokoll gab - dass es für die darin festgeschriebene Anhebung des Rundfunkbeitrags um 86 Cent auf 18,36 Euro pro Monat wegen des Widerstands seiner eigenen Partei im Landtag keine Mehrheit gibt. "Jetzt sind die Landtage Herr des Verfahrens" betonte er damals und bezeichnete diesen Schritt als Respekt vor der Legislative. Dieser Respekt ist in der der Koalitionskrise nun offenbar nicht mehr maßgeblich. Vielmehr konnte offenbar nur über das Ziehen der Notbremse vor der entscheidenden Abstimmung im Landtag, die das Ende des Drei-Parteien-Bündnisses bedeutet hätte, die Gesichtswahrung aller Beteiligten ermöglicht werden.

Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) hat über seine Intendantin Carola Wille angekündigt, gegen diesen Stopp des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht einzulegen. Der ARD-Vorsitzende Tom Buhrow erklärte eine Verfassungsbeschwerde für unausweichlich, "denn die ausreichende, unabhängig ermittelte Finanzierung wird das Programmangebot, das in allen Regionen Deutschlands verwurzelt ist, darunter leiden". In ähnlichem Sinne äußerten sich auch die Intendanten des ZDF, Thomas Bellut, und des Deutschlandradio, Stefan Raue. Letzterer erklärte gegenüber dpa: "Schon jetzt müssen wir einen strikten Sparkurs verfolgen, um mit unseren Angeboten auch in der digitalen Welt sichtbar zu sein. Ein Ausbleiben der Erhöhung würde sich daher unweigerlich auf die Programmgestaltung auswirken." Der Intendant des Bayerischen Rundfunks, Ulrich Wilhelm, wird von dpa mit den Worten zitiert: "Die Rundfunkfreiheit muss ja immer abgeschirmt werden gegenüber einem Missbrauch durch die Politik." Deshalb habe das Bundesverfassungsgericht stets gesagt, dass die Entscheidung zur Beitragshöhe nicht mit anderen Zielen wie etwa Kritik am Programm verknüpft werden dürfe.

Dass sich die Hoffnung von Rainer Haseloff, der in der vergangenen Woche zur Schlichtung des Koalitionskonfliktes seinen Innenminister und CDU-Landesvorsitzenden Stahlknecht entlassen hatte, erfüllt, dass „mit dieser Lösung die Koalition gefestigt aus der Krise hervorgeht“, wie er bei dpa zitiert wird, darf begründet bezweifelt werden.

Die Grünen im Land haben mit Zustimmung der Bundespartei erklärt, sowohl die Entscheidung zum bundesweiten Stopp des Staatsvertrages mitzutragen als auch in der Koalition verbleiben zu wollen. Laut dpa sagte Grünen-Fraktionschefin Cornelia Lüddemann am Dienstag, dass die Partei unter normalen Umständen die Koalition verlassen würde, doch aufgrund der Corona-Pandemie gebe es derzeit keine normalen Zustände. Ebenfalls gegenüber der dpa äußerte sich Grünen-Landeschef Sebastian Striegel: „In dieser schweren Situation können wir das Land nicht einer in der Tendenz handlungsunfähigen CDU überlassen – und erst recht nicht einer rechtsextremen AfD.“ Seine Partei halte es aus staatspolitischer Verantwortung für notwendig, in der Pandemie eine handlungsfähige Regierung zu gewährleisten.

Kenia-Koalition in Magdeburg in der Dauerkrise

Regierungsbündnisse aus CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bestehen derzeit in Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Das erste sogenannte Kenia-Bündnis jedoch wurde in Magdeburg geschmiedet. Bei der Landtagswahl 2016 hatten alle Parteien mit Ausnahme der AfD und der FDP verloren. Obwohl letztere 1,1 Prozentpunkte hinzugewann, verfehlte sie dennoch mit 4,9 Prozent den Einzug in den Landtag.

Der Wahlsieger war die AfD, die aus dem Stand 24,3 Prozent erreichte und darüber hinaus erstmals eine große Anzahl Direktmandate gewann, von denen viele vormals von der CDU gehalten worden waren. Das Ergebnis war ein Schock für alle demokratischen Parteien, insbesondere für die erfolgsverwöhnte CDU unter Rainer Haseloff, gleichwohl sie im Verhältnis zu SPD und LINKEN nur moderat Stimmen verloren hatte. Die drängende Frage nach den Schlussfolgerungen, die aus dem Wahlergebnis zu ziehen sind, spaltet seitdem die Christdemokratie zwischen Altmark und Burgenlandkreis.

Die Regierungsbildung zwischen CDU, SPD und Grünen glich einer Zwangsehe und gab einen Vorgeschmack auf die folgenden Jahre. Geprägt wird die Koalition bis heute durch inhaltliche Antagonismen, die insbesondere von demjenigen Teil der Christdemokratie im Land ausgehen, der eine Zusammenarbeit mit der AfD für kulturell selbstverständlicher hält als das Bündnis mit den ungeliebten Grünen und der SPD. Trotz aller Fragilität dieses Bündnisses beruhte die Zusammenarbeit auf der Überzeugung, dass auch vorgezogene Neuwahlen keine Verbesserung der Situation bedeuten würden und andere Konstellationen nicht zur Verfügung stünden. Und tatsächlich ergeben die Umfragewerte keine realistischen anderen Regierungsoptionen. Diese Erkenntnis prägt den Versuch der drei Parteien, auch diesen Konflikt zu überstehen, der nur ein Glied in einer langen Kette veritabler Koalitionskrisen bildet.

Koalitionsverträge sind Realpolitik und keine Polit-Lyrik

Am Konflikt um den Rundfunkbeitrag wiederum kann man erkennen, dass Formulierungen eines Koalitionsvertrags nicht politische Lyrik, sondern knallharte Realpolitik sind. Insoweit haben sich die drei Regierungsparteien das bestehende Problem selbst eingebrockt. Die Einigung auf den Terminus „Rundfunkbeitragsstabilität“ mag im Jahr 2016, ein Jahr nach der erstmaligen Senkung des Rundfunkbeitrags – schon damals ein Fehler, der sich heute rächt – nicht völlig von der Hand zu weisen gewesen sein. Gleichwohl konnte CDU, SPD und Grünen bereits damals klar sein, dass das leichtfertig gegebene Versprechen der Beitragsstabilität irgendwann eingelöst oder die Zusage zurückgezogen werden muss.

Die Landes-CDU glaubte jedoch daran, politische Geländegewinne im Parteienwettbewerb mit der AfD zu erreichen, indem sie Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk und dem Rundfunkbeitrag als scheinbar ungefährliches Terrain verkannte, auf dem das Experimentieren mit populistischen Phrasen folgenlos möglich sei. Die AfD wiederum lokalisierte bereits in ihrer Gründungsphase das Potential der Unzufriedenheit vieler Menschen gegenüber dem Rundfunkbeitrag und machte sich dies ebenfalls in populistischer Manier – nur viel erfolgreicher als die CDU – zu Nutze. Die Infragestellung der "Zwangsgebühr" wurde vermischt mit Kritik an Eliten und dem vermeintlichen Staatsfunk ARD, ZDF etc., der als "Lügenpresse" pauschal denunziert wurde.

Anhaltender Rundfunkbeitragspopulismus von Union und FDP

Freilich stand die CDU in Sachsen-Anhalt in ihrer Kritik am Rundfunkbeitrag und einem zu stark aufgeblähten Öffentlichen Rundfunk nicht allein innerhalb der Unionsfamilie. Im 2016 beschlossenen CSU-Grundsatzprogramms findet sich folgende Aussage: "Der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll sich auf seine Kernaufgaben rückbesinnen. Dadurch kann er Relevanz zurückgewinnen. Wir wollen eine vorurteilsfreie Diskussion über die Neuordnung der öffentlich-rechtlichen Rundfunklandschaft in Deutschland. Wir streben langfristig die Zusammenlegung von ARD und ZDF unter einem Dach an: Kostspielige Doppelstrukturen sollen beseitigt werden, die Programmvielfalt erhalten bleiben."

Statt also als Partei, die im Bund und einer relevanten Anzahl von Ländern regiert, zu einer konsistenten medienpolitischen Strategie im Umgang mit ARD, ZDF und den weiteren öffentlichen Rundfunkanstalten zu gelangen, wurde der bestehende Konflikt vor sich hergeschoben. Wichtige Vertreter der CDU, wie beispielsweise der ehemalige Bundesminister Franz-Josef Jung, der dem konservativen Freundeskreis im ZDF-Fernsehrat vorsitzt, erteilten dem Vorstoß eine Absage: „Zwei öffentlich-rechtliche Sender sind gerade unter dem Aspekt der politischen Berichterstattung sinnvoll“. Auch der medienpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion und heutige Ost-Beauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz (CDU), lehnte den Vorschlag ab. Das Handelsblatt zitierte ihn mit der Aussage: „Das duale Rundfunksystem mit ARD und ZDF hat sich bewährt. Es garantiert eine international vorbildliche publizistische Vielfalt an qualitätsjournalistischen Angeboten. Davon brauchen wir in den heutigen bewegten Zeiten sicher nicht weniger“.

Angesichts dessen und der jahrelangen Diskussion über die Strukturoptimierung des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks, an der die für Medien zuständige CDU-geführte Staatskanzlei in Sachsen-Anhalt prominent beteiligt war, war beileibe genügend Zeit, die notwendige Klärung herbeizuführen. Diese Gelegenheit haben die Kenia-Parteien ebenso verpasst wie die Unionsparteien CDU und CSU. Freilich war auch DIE LINKE in Sachsen-Anhalt bei der Positionierung zum Rundfunkbeitrag als Oppositionspartei von parteitaktischen Überlegungen angesichts der Spannungen in der Regierung nicht frei.

Im Bundestagswahlkampf 2017 wiederum hatte sich die FDP im Windschatten einer vor allem auf digitale Modernisierung abzielenden Kampagne inhaltlich als Tea-Party deutscher Prägung inszeniert. Sie versuchte, die Rundfunkbeitragskritik als Mobilisierungsthema zu nutzen. Bereits 2016 unterstützte FDP-Chef Lindner laut Handelsblatt die Forderung nach der Fusion von ARD und ZDF mit einem Seitenhieb auf die CSU, ob diese Worten auch Taten folgen lasse. „Schließlich hat die CSU in der Vergangenheit jede Expansion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mitgetragen und verschleppt gemeinsam mit anderen Bundesländern die von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten vorgeschlagene Absenkung des Rundfunkbeitrags“, so Lindner.

In den Blick nehmen, worum es tatsächlich geht

Auffällig ist freilich, dass in der öffentlichen Debatte zwar über vieles, nur nicht über den eigentlichen Streitgegenstand gesprochen wird – die Notwendigkeit einer Erhöhung des Rundfunkbeitrags einerseits und das veritable Problem einer gescheiterten ernsthaften Strukturreform des Öffentlichen Rundfunks andererseits. Stattdessen wird die Entscheidung über den Rundfunkbeitrag zum letzten Gefecht über die Zukunft der freien Presse stilisiert – eine gelinde gesagt verwegene Interpretation der tatsächlichen Sachlage.

Blicken wir deshalb einige Jahre zurück. Die Konferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder, die in der Bewältigung der Corona-Pandemie als Ministerpräsidentenkonferenz eine in ihrer Geschichte ungewohnte Prominenz erlangte, erteilte 2016 den Auftrag an die Intendant:innen von ARD und deren Anstalten, ZDF und Deutschlandradio, Vorschläge zu unterbreiten, mit denen auf die komplexen Herausforderungen der Anstalten reagiert werden kann. Dabei sollte das Spannungsfeld von technologischem Fortschritt, trimedialen Strategien, prognostizierten Kostensteigerungen und dem politischen Ziel der Beitragsstabilität durchmessen werden. Der Auftrag speiste sich aus der Hoheit über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, den die Länder allein ausüben.

In der letzten Septemberwoche 2017 legten ARD, ZDF und Deutschlandradio – die intensiv zusammengearbeitet hatten – ihre Vorschläge vor. Damit sollten insbesondere in den Bereichen Verwaltung, Technik, IT und Produktion Potenziale zur Minderung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten gehoben werden. Bis zum Frühjahr 2018 galt es anschließend, über die Umsetzung beraten zu beraten.

Die Ergebnisse jenes zähen und kontroversen Aushandlungsprozesses, die sich kontrovers bis in das laufende Jahr hineinzogen, blieben jedoch weit hinter den Erwartungen zurück. Verantwortlich dafür waren freilich nicht die Öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, sondern vielmehr die Länder selbst. Denn im Kreis der 16 Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten konnte über notwendige Strukturreformen keine Einigkeit hergestellt werden. Geeinigt wurde sich stattdessen auf den gemeinsamen Nenner – der wirklich der kleinste war, nämlich keine Modifikation des Auftrags. Retroperspektiv sicherlich eine nicht ausreichend genutzte Chance.

Möglich gewesen wäre ohne Zweifel mehr. Eine Gruppe von acht Ländern, bestehend aus Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Württemberg, Brandenburg, Sachsen, Thüringen und tatsächlich – trotz CSU-Grundsatzprogramm – auch Bayern hatte sich zusammengefunden und einen Vorschlag zu den Themen Auftrag, Budgetierung und Index unterbreitet. Wer die politischen Konstellationen betrachtet, wird sehen, dass in dieser Gruppe fast alle politischen Konstellationen, die in den Ländern regieren, vertreten waren.

Diese Gruppe der Acht war bereit, bei der Auftragsbeschreibung unter anderem folgende beitragsmindernden und qualitätssteigernden Aspekte zu fixieren:

  • Organisationsstrukturen wie Landesstudios, Töchterunternehmen und Beteiligungen sowie Sendernetzkosten,
  • die Gemeinschaftssendungen, -einrichtungen, -aufgaben (GSEA), womit der im Wesentlichen gesamte Bereich organisatorisch verfasster gemeinsamer Aktivitäten in der ARD bezeichnet wird,
  • die Gehaltsstruktur und Altersversorgung
  • im Hinblick auf das Programm die Konzeption und Notwendigkeit der „Digitalprogramme“,
  • die Verringerung der Hörfunkwellen sowie Verschlankung durch „De-Linearisierung“,
  • Verzicht auf die ausdrückliche Beauftragung einiger linearer Angebote,
  • Konzentration und Reduktion der Sportrechte,
  • Mehr Information und Kultur in der Prime-Time.

Insbesondere Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien in Hamburg, plädierte in der Debatte nachvollziehbar und berechtigt für ein Indexmodell. Weil die duale Medienordnung von dem Zusammenspiel von öffentlich-rechtlichen und privatwirtschaftlichen Angeboten lebt, so Brosda gegenüber medienpolitik.net, „brauchen wir eine klare Budgetierung, die über eine eindeutige Kostenkontrolle Entwicklungsfähigkeit garantiert, ohne maßlose Expansion zu fördern. Dieses Budget könnte indexiert und regelmäßig von der KEF überprüft werden.“

Wäre dieses weiterhin notwendige Programm umgesetzt worden, hätte sich für die Regierungsparteien in Sachsen-Anhalt das gleiche Problem gestellt. Sie hätten ihre verfehlte Festlegung zum Rundfunkbeitrag im Koalitionsvertrag korrigieren müssen. Statt ein widersprüchliches Verständnis der „Beitragsstabilität“ zu konservieren, hätten sie ein positives Verständnis der Entwicklung des öffentlichen Rundfunks formulieren müssen.

Die Kritik am Rundfunkbeitrag ernst nehmen und Lösungen anbieten

Gesellschaftspolitisch muss zusätzlich die Diskussion über den Rundfunkbeitrag offensiver geführt werden. Und zwar nicht mit dem Bemühen, den Kritiker:innen des Rundfunkbeitrags zu erklären, warum sie irren, sondern indem zunächst erstmal akzeptiert wird, dass manche Kritik am Rundfunkbeitrag absolut berechtigt ist. Und zwar überall dort, wo soziale Ungleichgewichte oder das Missverhältnis von Beitragshöhe und

Der Rundfunkbeitrag ersetzt seit 2013 die bis dahin bestehende Rundfunkgebühr. Jeder Inhaber einer Wohnung ist zur Zahlung von derzeit 17,50 EUR (bis 2015: 17,98 EUR) verpflichtet, unabhängig davon, ob und wie viele Rundfunkgeräte (einschließlich empfangsfähiger Endgeräte) vorhanden sind. Der Rundfunkbeitrag laboriert seit der Umstellung an einem erheblichen Legitimationsdefizit. Vorwiegend lokale Berichte über rigorose Maßnahmen bei der Beitragseinziehung vergrößern jenes Defizit noch erheblich. Sie reichen von Erzwingungshaft bis hin zum Einsatz von Parkkrallen, um die Autos säumiger Zahler bewegungsunfähig zu machen. An solchen Vorkommnissen – gleichviel, wie häufig sie tatsächlich zu beobachten sind – entzündet sich eine lange schon nicht mehr nur unterschwellig formulierte Fundamentalkritik am Rundfunkbeitrag.

Selbst diejenigen, die ARD und ZDF aufgeschlossen gegenüberstehen und den unvergleichlichen Qualitätsnutzen dieser Anstalten herausstellen, kommen um die berechtigte Frage, ob durch Strukturoptimierungen die Beitragssteigerungen vermieden werden könnten, kaum mehr herum. Die Antwort darauf lautet: Nein. Die Erhöhung des Rundfunkbeitrags ist notwendig, um zwingende Modernisierungen wie die Digitalisierung durchzuführen. Aber die Strukturoptimierungen, die von der Acht-Länder-Gruppe vorgeschlagen wurden, würden künftige Beitragssteigerungen reduzieren und notwendige Verschlankungen einleiten.

Kurzum: In der Debatte um den Rundfunkbeitrag geht es nicht um die AfD oder Parteitaktik und auch nicht um den Fortbestand der freien Presse. Noch nicht einmal um die Existenz des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks wird hier verhandelt. Zuvorderst geht es darum, deutlich zu machen, dass die gesellschaftlich breit getragene Kritik am Rundfunkbeitrag von den Volksparteien – also von CSU bis DIE LINKE – verstanden worden ist. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist wichtig in Zeiten postfaktischer Diskurse und selbstreferentieller Filterblasen. Besonders von Jüngern der letztgenannten Phänomene wird die Berichterstattung von ARD, ZDF, Deutschlandradio, der Deutschen Welle und den Dritten Programmen als bedrohlich empfunden, weil sie der Wahrheit und nachprüfbarer Faktizität verpflichtet ist. Gleichwohl sind die Anstalten nicht sakrosant. Im Gegenteil. Sie müssen sich ebenso wie der Rundfunkbeitrag gesellschaftlich immer wieder legitimieren. Deshalb gibt es keinen Weg vorbei an der konsequenten Ermittlung von Effektivierungspotentialen – dazu gehört auch das vergleichsweise üppige System der Altersversorgung, das rechtzeitig vor Veröffentlichung der Vorschläge für die Strukturoptimierung im Jahre 2017 – von der ARD tarifvertraglich abgesichert und fortgeführt wurde. Bei jenen Fragen sind die Anstalten ohne Wenn und Aber in der Pflicht.

Die Länder müssen wiederum die Kraft haben, Entscheidungen über Strukturoptimierungen auch dann zu treffen, wenn dies für die kleinsten Anstalten schwierig wird. Die ostdeutschen Länder mit ihren zwei Sendeanstalten RBB und MDR sowie dem Norddeutschen Rundfunk haben gezeigt, wie Strukturoptimierungen praktisch umgesetzt werden können und müssen. In diesem Sinne wäre eine diskursive Reset-Taste im beschriebenen Sinne hilfreich.