18.07.2018

Kulturminister Hoff hat neue Strategie für Thüringens Schlösser

Interview der TLZ mit Minister Prof. Dr. Hoff vom 18. Juli 2018

Herr Minister Hoff, Glückwunsch zum neuen Schloss! Wie groß ist die Gefahr, dass das Land auf Reinhardsbrunn sitzen bleiben wird?

 

Wenn wir keine Verantwortung für Reinhardsbrunn übernehmen wollten, hätten wir uns nicht die Mühe machen müssen, die erste denkmalschutzrechtliche Enteignung in Deutschland vorzunehmen. – Jetzt geht es um eine Perspektive für Reinhardsbrunn. Die wird aber nicht heute oder morgen gefunden werden. Es ist auch nicht auszuschließen, dass der bisherige Eigentümer Rechtsmittel gegen die Entscheidung einlegt.

 

Wie lautet derweil Ihr Fahrplan?

Wir haben im Haushalt 1,9 Millionen Euro eingestellt für Sicherungsmaßnahmen, die der bisherige Eigentümer versäumte – damit der weitere Verfall gestoppt wird. Darüber hinaus wollen wir öffentliche, aber auch private Partner finden, die mit uns sowohl eine Konzeption für das Schloss und den Park entwickeln als auch umsetzen. Ich hätte mir gewünscht, dass wir in der entsprechenden Arbeitsgruppe bereits mehr Ergebnisse hätten. Aber private Akteure, die grundsätzlich Interesse haben, wollten erst mitreden, wenn klar ist, mit wem: mit dem Land, das dem Eigentümer entgegensteht oder das als Eigentümer handeln kann. – Das Schloss in der heutigen Form wurde 1826/27 errichtet. Ich möchte, dass wir auf das 200. Jubiläum hinarbeiten. Das ist doch ein schönes Projekt für die zweite Regierungszeit von Rot-Rot-Grün: eine Perspektive für Schloss und Park Reinhardsbrunn ab 2026/27, mit einem Betreiberkonzept, das die Region mitnimmt.

Können Sie denn ausschließen, dass sich letztlich die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten Reinhardsbrunn annehmen muss?

Nichts ist ausgeschlossen. Das sage ich ganz bewusst, denn wir müssen ohnehin über die Funktion, die Leistungsfähigkeit und die finanzielle Ausstattung der Stiftung reden.

Inwiefern?

Nach bald 25 Jahren Existenz der Stiftung plädiere ich dafür, sie nach dem Vorbild anderer Länder, Bayern etwa, weiterzuentwickeln. Dafür muss man sie entsprechend finanziell ausstatten. Ich würde mir wünschen, dass sie die für Thüringen prägenden Residenzschlösser verwaltet.

Schloss Elisabethenburg zum Beispiel war mal dafür vorgesehen, gehört aber derzeit zur Kulturstiftung Meiningen-Eisenach. Auf der ursprünglichen Planungsliste stand einst auch das kommunal verwaltete Residenzschloss Altenburg.

Außerdem haben private Akteure, die sich für Herrenhäuser, Schlösser oder Burgen interessieren, bislang verschiedene Ansprechpartner: die Schlösserstiftung, das Landesamt für Denkmalschutz, die Landesentwicklungsgesellschaft, das Thüringer Liegenschaftsmanagement. Ich hätte für sie gerne das „One-Face-to-the-Customer“-Prinzip. Die Schlösserstiftung könnte für dieses spezifische Segment unserer Kulturdenkmäler der Ansprechpartner sein, in Abstimmung mit dem Landesdenkmalamt.

Sie setzen auf mehr Privatisierung?

Eben nicht. Ich möchte die landeseigene Schlösserstiftung profilieren und dafür sorgen, dass unsere prägenden Kulturdenkmäler sowohl erhalten bleiben als auch Funktionen erhalten, die nicht allein öffentlich finanzierte kulturelle Aufgaben umfassen können. Wir haben mehr als 200 Schlösser, Burgen, Herrenhäuser. Viele davon suchen Eigentümer. Aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase sucht das Kapital nach Anlagemöglichkeiten. Warum sollen wir als Schlösser- und Burgenland dafür keine Angebote unterbreiten?

Gleichzeitig will nicht jeder, der Eigentümer eines Schlosses werden will, auch dessen Betrieb gewährleisten. Es gibt andererseits gute Ideen, die nicht zum Tragen kommen, weil die Betreffenden sich das Eigentum nicht leisten können oder wollen. Diese potenziellen Eigentümer und Betreiber mit Ideen will ich zusammenbringen. Dies bedeutet aber, auf Immobilienmessen vertreten zu sein und nicht nur für ein Schloss, sondern für Schlösser und Burgen und unsere Tourismusdestination Thüringen zu werben. Kurzum: Ganzheitlich denken und handeln.

Haben Sie Konkretes vor Augen?

Ein spontanes Beispiel: Schloss Wilhelmsthal ist eine schlummernde Perle! Ich kann es mir durchaus als ein Internat wie Salem vorstellen. Das würde bedeuten, dass Wilhelmsthal zwar bei der Schlösserstiftung bleibt, der Betrieb aber über einen langfristigen Erbbaupachtvertrag geregelt wird. Der Park und historische Teile würden öffentlich zugänglich bleiben. Aber die leer stehenden und mühsam geschützten Gebäude würden sinnvoll mit Leben gefüllt

Ein weiteres Beispiel: Es gibt international erfolgreiche Konzepte für Schlösser der Größenordnung Crossen oder Hummelshain, in denen etwa Ferienwohnungen dafür sorgen, dass der Bestand erhalten wird, es eine Kommunikation mit dem Ort gibt und gleichzeitig nicht überall alles saniert werden muss. Das alles gehört in eine Entwicklungsstrategie der Schlösserstiftung 2.0.

Und Sie entwickeln diese gerade?

Das geht nur mit der Stiftung gemeinsam. Direktorin Doris Fischer ist ein Jahr im Amt. Sie hat sich mit der Einrichtung vertraut gemacht und ebenfalls strategische Konzeptionen erarbeitet. Nun müssen wir ihr die Ideen auf Umsetzbarkeit prüfen, die finanziellen Konsequenzen mit der Finanzministerin auf Plausibilität prüfen, um sie in die mittelfristige Finanzplanung einzupassen und dann öffentlich zur Diskussion stellen. Das sehe ich als eine der wesentlichen kulturpolitischen Aufgaben der nächsten Wahlperiode an. Ich will aber ehrlich sein: Frau Dr. Fischer ist als Denkmalschützerin durchaus noch nicht von jeder meiner Ideen überzeugt. Deshalb wollen wir uns die Zeit nehmen, das zu erörtern und uns gegenseitig zu überzeugen.

Wilhelmsthal gehört zur Schlösserstiftung, das wenige Kilometer entfernte Eisenacher Stadtschloss nicht. Ein Missverhältnis?

Aus meiner Sicht ja. Deshalb möchte ich das behutsam diskutieren. Denn die Bürger reagieren sehr sensibel darauf, was mit ‚„ihrem Schloss‘“ passiert. Aber ich will nicht mehr darauf warten, dass irgendwann mal irgend ein Glücksritter zu uns kommt und ein Schloss haben will. So etwas führte zum Drama von Reinhardsbrunn.

Die 60 Millionen Euro, die Sie mit dem Bund in die Sanierung von Schloss Friedenstein stecken wollen, verfallen gerade im Wert.

Wir müssen damit leben, dass Inflation und Preissteigerungen im Baugewerbe stärker sind als der tendenziellen Fall der Profitrate. Aber wir sollten nun nicht so tun, als seien von 60 nur noch sechs Millionen Euro an Wert übrig. Bundesweit können viele öffentliche Bauaufträge nicht vergeben werden, weil die Bauunternehmen nicht mehr wissen, wie sie die vielen Aufträge abarbeiten sollen.

Herr Paulus, Frau Fischers Vorgänger, erklärte, auf Friedenstein gehe es 2016 los . War das lebensfremd?

Lebensfremd sicher nicht. Aber vielleicht etwas zu optimistisch.

Es gibt aber keine Versäumnisse?

Wer den Wirtschaftsteil der Zeitung liest, liest von einer überhitzten Bauwirtschaft. Das hat doch Konsequenzen! Ich freue ich mich insofern über jede öffentliche Baumaßnahme, die im Plan ist. In dem, was machbar ist, sind wir sehr, sehr gut.

Was heißt das für ein noch sehr theoretisches Landesmuseum auf Erfurts Petersberg? Wäre eine Fertigstellung zum Ende der nächsten Legislatur auch zu optimistisch?

Sie wäre auf jeden Fall schön. Sollten wir zur Entscheidung kommen, dort ein archäologisches Landesmuseum zu errichten, ist eine Vielzahl von Fragen zu klären. Eine beträfe die bauliche Maßnahme. Eine zweite ist inhaltlich: dass wir nicht nur formal ein Landesmuseum haben, wie bislang, sondern es faktisch neu gründen. Ich bin da aber sehr vorsichtig. Diese Diskussion müssen wir unter anderem mit der Stadtgesellschaft in Weimar führen. Das historische Gedächtnis, bezogen auf die archäologischen Sammlungen im Museum für Ur- und Frühgeschichte, und die Verantwortung, die wir als Land haben, müssten in Ausgleich gebracht werden. Der neue OB Peter Kleine erwartet, dass mit ihm gesprochen wird, bevor irgendeine Entscheidung getroffen wird. Das halte ich für berechtigt, dem trage ich Rechnung.

Der Ministerpräsident hat ohnehin eine Bestandsgarantie für das abgegeben, was das Museum bislang in Weimar sichtbar machen konnte.

Und das ist eine gute Grundlage für Gespräche, die wir mit der Stadt in einem solchen Fall zu führen hätten.

Wenn Sie sich in einer nächsten Legislatur entscheiden müssten, Chef der Staatskanzlei oder Kulturminister zu bleiben: was würden Sie wählen?

Ministerpräsident Bodo Ramelow hat eine sehr gute Entscheidung getroffen, als er die Kultur in die Staatskanzlei holte. Und ich gehe davon aus, dass der nächste Ministerpräsident Bodo Ramelow daran nichts ändern wird.

Auf dem Höhepunkt der Theaterdebatte sagten Sie, den überwiegenden Teil Ihrer Arbeitszeit bestreiten Sie als Kulturminister. Wie das bis zum Ende der Legislatur so bleiben?

Die Hauptaufgabe eines Chefs der Staatskanzlei besteht ja darin, dass eine Regierung eine weitgehend reibungslose Arbeit machen kann. Diese Koordinationsaufgabe wird mir dadurch erleichtert, dass die Koalition sehr gut miteinander arbeitet. Insofern habe ich viel Gelegenheit, mich auf die Kultur konzentrieren zu können.

Was auch bedeutet, dass Sie jetzt bereits kulturpolitische Strategien für eine mögliche zweite Amtszeit entwickeln?

Natürlich denken wir in wesentlichen Punkten bereits darüber nach, was in einer nächsten Wahlperiode anstehen wird. An der Stiftung Schlösser und Gärten habe ich das exemplifiziert. Wir kommen dann aber auch in den zweiten Teil der Theaterverträge und in deren Evaluation. Das wird uns natürlich berühren. Uns wird auch berühren, dass wir mit Tarifabschlüssen von 2,5 Prozent gerechnet haben; sie sind derzeit aber höher.

Im Wahlkampf wird uns die Frage beschäftigen, warum wir eigentlich für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst die Tarifanpassungen ganz selbstverständlich in die Etats der Ressorts einstellen, nicht aber dort, wo wir uns als Land an Kulturinstitutionen beteiligen. Dort tun wir immer so, als würden die Einrichtungen teurer werden. Theater und Orchester werden aber nicht teurer, die haben einfach logische Tariferhöhungen. Wenn man diese in die Haushaltsplanungen einstellen würde, müsste man weniger verhandeln. Das kann man auch relativ einfach verändern. Der Bund tut das bereits, Baden-Württemberg tut es. Ich wünsche mir das auch für Thüringen.

Warum ist das bisher nicht gelungen?

Weil diese Denkart nicht nur für Thüringen, sondern auch für die Länder noch völlig untypisch ist. Ich werbe dafür, dass sie normal wird. Das heißt aber, dass auch die Kommunen die entsprechenden Mittel einplanen müssen. Das war bislang nicht vorgesehen. Für Natur- und Grünflächenämter hat man es gemacht, aber nicht für die Beschäftigten an kommunalen Kulturbetrieben. Ich sehe diese Einrichtungen als „Kulturstadtwerke“ – so sollten wir sie behandeln.

Sagen Sie genau das auch einem Intendanten wie Steffen Mensching in Rudolstadt, der 20 Prozent unter Tarif zahlen muss, durch die Kooperationen mit Nordhausen und Eisenach auf Verschleiß fährt und keine attraktiven Stellen für Fachkräfte anbieten kann? Vertrösten Sie Ihn also auf die Zeit nach der Wahl?

Nein, ich bin mit ihm in ständigem Austausch. Er formuliert sehr prononciert ein sehr grundsätzliches Problem: die Tariflücke im Theater nämlich. Wir haben von vornherein gesagt, das wird eine Aufgabe bei der Evaluation der Verträge 2021 bleiben. Aber wir suchen auch jetzt schon mit diesen Verträgen immer wieder nach Gegensteuerungsmöglichkeiten. Eine 20-Prozent-Anpassung macht man aber nicht von heute auf morgen. Und die Kommunen müssen mitziehen. Bei den Kooperationen haben wir möglicherweise zu optimistisch geplant. Aber dafür machen wir ja die Evaluation, nach ein paar Jahren Erfahrung.

Michael Helbing / 18.07.18