19.12.2017

Perspektiven für Museen

Erschienen in: Hoff, Benjamin-Immanuel/ Rieger, Miriam, Perspektiven für Museen, in: Kulturpolitische Mitteilungen, Heft 159, 4/2017, S.12f.

Das Museum gehört heute, so Walter Grasskamp, „zum unverzichtbareren Inventar der Stadtmitte“.[1] Es ist städtischer Mittelpunkt, „sei es als urbanes Accessoire oder als dramatisch ausgeleuchteter Erinnerungsschacht, als strenge Bildungsanstalt oder prächtiges Bilderhaus". Wie aber steht es um die vielen kleinen und mittleren Museen, die fernab der großen Metropolen angesiedelt sind und die die absolute Mehrheit der Museumslandschaft − nicht allein in Thüringen – ausmachen? Museen stehen vor großen Herausforderungen. Zusätzlich zu den klassischen Aufgaben Sammeln, Bewahren, Forschen, Ausstellen und Vermitteln müssen neue Aufgaben bewältigt werden, wie zum Beispiel mehr kulturelle Bildung, Fachkräfte- und Nachwuchsgewinnung, Kulturgutdigitalisierung und Inventarisierung, Provenienzforschung, zeitgemäßes Marketing und kulturspartenübergreifende Tourismusstrategien. Um diese Aufgaben bewältigen zu können, braucht es die Unterstützung von Bund, Land, Kommunen, aber auch von privaten Förderern.

Mit der Museumsperspektive 2025 haben 27 Jahre nach der Wiedergründung des Freistaates Thüringen der Museumsverband Thüringen e. V. und die Landesregierung erstmals eine gemeinsame Entwicklungsstrategie für die Thüringer Museumslandschaft vorgelegt.[2] Die Studie ist das Ergebnis eines rund zweijährigen Erarbeitungs- und Diskussionsprozesses, der mit seiner methodischen Herangehensweise und der betont nicht-hierarchischen, partnerschaftlichen Zusammenarbeit Neuland beschreitet.

Im Museumsverband Thüringen e. V. sind über 230 Museen und Gedenkstätten organisiert. Der größte Teil besteht aus mittleren und kleinen Einrichtungen, die jenseits der städtischen Zentren Erfurt, Weimar oder Jena weit in der Fläche verstreut sind. Bis heute ist die Thüringer Kulturlandschaft geprägt von einer Jahrhunderte andauernden territorialen Zersplitterung, die erst mit der Abdankung der Fürstenhäuser 1918 ein Ende fand. Viele der Museen gehen auf herzogliche Sammlungen zurück. Dazu kommen städtisch-bürgerschaftliche Initiativen aus dem späten 19. Jahrhundert und Gründungen aus der Zeit der DDR. Mit dem Deutschen Burgenmuseum auf der Veste Heldburg (2016) und dem Bauhaus-Museum (Eröffnung 2019) gibt es in jüngster Zeit zwei Neugründungen.

Mit der historisch gewachsenen, und in ihrer Dichte und kulturgeschichtlichen Bedeutung einzigartigen Kulturlandschaft steht der Freistaat in einer besonderen Verantwortung. Das spiegelt sich auch in den Ausgaben für den Kulturbereich wider. Gemessen am Gesamthaushalt gab Thüringen im Bundesvergleich – nach Berlin und Sachsen – im Jahre 2013 den größten Anteil für Kultur aus. Bei den Pro-Kopf-Ausgaben lag der Freistaat unter den Flächenländern nach Sachsen auf Platz 2.[3] Seit 2014 unternimmt die rot-rot-grüne Landesregierung erhebliche Anstrengungen zur Steigerung der Kulturausgaben. Dazu gehören das Kommunale Investitionsprogramm sowie die Fortführung des Kulturlastenausgleichs, der Kommunen unterstützt, die einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Kulturausgaben tragen. Zugleich erlebt Thüringen einen demographischen Wandel von historischem Ausmaß. Prognosen gehen davon aus, dass sich bis 2035 die Bevölkerungszahl im Vergleich zu 1990 um ein Drittel reduziert haben wird. Das hat Konsequenzen für Einnahmen, für das Aufgabenprofil der Kommunen – und für die Besucherstruktur der Museen.

Wie lässt sich unter den sich ändernden Bedingungen die Museumslandschaft in Thüringen in Qualität und Vielfalt erhalten? Das ist die Leitfrage der Museumsperspektive 2025. Dazu haben in einem ersten Schritt Thüringer Staatskanzlei, der Museumsverband Thüringen e. V. und externe Partner unter Mitwirkung des Büros für Kulturevaluation (Karlsruhe) eine umfangreiche Erhebung zu der Situation der Museen durchgeführt. Die Fragen umfassten ein breites Spektrum − von der Personalausstattung, den Öffnungszeiten, der Depotsituation, dem Inventarisierungsgrad und Restaurierungsbedarf der Sammlungsobjekte über die Nutzung sozialer Medien, der Kooperation mit anderen Museen und Kultureinrichtungen bis hin zu Freundeskreisen und Fördervereinen. 125 Museen und Träger haben sich beteiligt. Auf dieser soliden Datengrundlage wurden dann in einem zweiten Schritt Handlungsempfehlungen formuliert. Darin geht es unter anderem um die besondere Verantwortung der institutionell geförderten Museen und um die Personalsituation an den Museen. Eine Handlungsempfehlung appelliert an die Träger, für eine angemessene Ausstattung Sorge zu tragen. Weitere Problemfelder sind die Stärkung der Vermittlungsarbeit, Kulturtourismus, Notfallplanung und die Depotsituation.

Das Land hat für sich drei Aufgaben definiert: Erstens sollen Netzwerke und Kooperationen gestärkt werden. Vor allem kleinere Museen können von Zusammenarbeit profitieren, z. B. im Bereich Museumspädagogik, bei Themenausstellungen, beim Marketing, bei Depotlösungen. Klar ist auch, dass Zusammenarbeit Zeit braucht und von unten wachsen muss. Das Land unterstützt daher ausgewählte Projekte mit einer Anschubfinanzierung.

Zweitens sollen institutionell geförderte Museen künftig mehr in die Pflicht genommen werden.  Leistungsstarke Museen, die Landesförderung erhalten, sollen den kleineren Museen helfen. Dazu gehört auch, dass Träger es ermöglichen, wenn sich Museumsmitarbeiter in dem Beraternetzwerk des Museumsverbandes einbringen.

Drittens schließlich stärkt das Land den Museumsverband und damit die Museumsberatung. Der Museumsverband Thüringen ist ein wichtiger Dienstleister und Fachberater für Museen in Thüringen, bietet Fortbildungen an, treibt Digitalisierung voran, unterstützt Ausstellungen und bringt sich in die Volontariatsausbildung ein. Eine Stärkung des Museumsverbandes kommt allen Museen und ihren Trägern zu Gute.

 

Für die Umsetzung der Museumsperspektive erhöht das Land die institutionelle Förderung für Museen um eine Million Euro. Das Diskussionspapier wurde auf dem Verbandstag des Museumsverbandes Anfang Oktober vorgestellt. Alle beteiligten Akteure – also kommunale Spitzenverbände, Trägereinrichtungen, weitere Partner wie der Thüringer Beauftragte für Menschen mit Behinderungen − sind nun aufgefordert, bis Ende des Jahres Rückmeldung zu geben. Denn eines ist klar: Wie die Museumslandschaft in Thüringen in Qualität und Vielfalt erhalten werden kann,  können wir nur gemeinsam beantworten.

 

Weitere Informationen finden sich hier

 

[1] Walter Grasskamp, Ein Chamäleon im Kulturbetrieb, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 31.10.2015 (http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst/museums-debatte-vernachlaessigte-aufgaben-13881280.html).

[2] Thüringer Staatskanzlei (Hg.), Museumsperspektive 2025. Diskussionspapier. (http://thueringen.de/mam/th1/tsk/Museumsperspektive/museumsperspektive_diskussionspapier.pdf)

[3] Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Kulturfinanzbericht, Wiesbaden 2016, S.12, Zahlen beruhen auf Ausgaben im Zeitraum 2005 bis 2013.