10.02.2017

Rede zum Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

„Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Dieser – aus heutiger Sicht – simple Anspruch, der 1949 nur mit Mühen Eingang in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland fand, sollte zu Beginn des dritten Jahrtausends verwirklicht sein.

Tatsächlich sind heute Frauen und Männer gleichermaßen erwerbstätig. Auch die normativen Vorstellungen der Frauen – aber auch der Männer – von Arbeit und den Geschlechterrollen im Erwerbsleben sowie von der Erziehung haben sich gewandelt.

Andererseits ist der Anspruch „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ bei der Vergütung von Arbeit über weite Strecken immer noch nicht eingelöst. Das Erwerbseinkommen von Frauen ist nach wie vor erheblich geringer als das der Männer, obwohl sie insgesamt – bezahlt und unbezahlt – mehr arbeiten. So beziehen Frauen im Vergleich zu Männern ein um 21 Prozent niedrigeres Gehalt. Selbst unter Berücksichtigung struktureller Faktoren, etwa der Verdienstunterschiede zwischen Branchen, verbleibt auf der Seite der Frauen ein Minus von 7 Prozent.

Vergleichen wir die Einkommen, die Frauen und Männer im Laufe ihres Erwerbslebens erzielen, so stellen wir fest, dass Frauen im Durchschnitt nur die Hälfte der Einkommen der Männer verbuchen können. Ich meine, das ist nicht nur anachronistisch, es ist auch in hohem Maße beschämend.

Das Entgelttransparenzgesetz setzt sich zum Ziel, das Gebot des gleichen Entgelts von Frauen und Männern für gleiche und gleichwertige Arbeit durch die Herstellung von Transparenz der Entgelte und Entgeltregelungen zu fördern. Wir begrüßen diese Zielstellung ausdrücklich. Ich bezweifle aber die Wirksamkeit der vorgesehenen Regelungen.

Der Auskunftsanspruch ist richtig. Die Beschränkung auf Betriebe mit mehr als 200 Beschäftigten geht aber an den Realitäten der Betriebslandschaft vorbei. Ich möchte Ihnen das am Beispiel Thüringen verdeutlichen: Von den fast 60 000 Unternehmen im Freistaat haben gerade einmal 525 200 Beschäftigte und mehr. Es ist deshalb davon auszugehen, dass nur 11 Prozent aller weiblichen Beschäftigten in Thüringen den Auskunftsanspruch erhalten.

Eine weitere Beschränkung des Auskunftsanspruchs ist hinsichtlich der erforderlichen Mindestanzahl an Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts mit einer vergleichbaren Tätigkeit vorgesehen. Mit anderen Worten: Das geplante Auskunftsrecht wird de facto nur einer Minderheit der Frauen eingeräumt.

Um die Durchsetzung des Gebots des gleichen Entgelts von Frauen und Männern für gleiche und gleichwertige Arbeit tatsächlich zu stärken, müssten also mehr Beschäftigte von einem Auskunftsanspruch Gebrauch machen können.

Unserer Ansicht nach sollten daher die Regelungen zum Auskunftsanspruch erstens auch in Unternehmen mit deutlich unter den im Gesetzentwurf vorgesehenen 200 Beschäftigten zum Tragen kommen.

Zweitens sollte die Regelung nicht nur auf Betriebsebene, sondern auch auf Unternehmensebene Geltung erhalten.

Drittens sollte eine Absenkung der erforderlichen Beschäftigtenzahl des jeweils anderen Geschlechts zur Angabe des Vergleichsentgelts auf drei Beschäftigte vorgenommen werden.

Zugleich wollen wir den bürokratischen Aufwand gerade für die kleinen und mittleren Unternehmen in Grenzen halten. Aus diesem Grund lehnt Thüringen die in Ziffer 8 der Empfehlungsdrucksache geforderte Zertifizierung betrieblicher Prüfverfahren ab.

Mit diesen Änderungen versehen würde das Gesetz meiner Meinung nach deutlich stärker zum Abbau der Entgeltbenachteiligung von Frauen beitragen.