17.12.2016

Rede zum Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz)

Sehr geehrte Damen und Herren!

Die Thüringer Landesregierung hat die Absicht des Bundes, ein Bundesteilhabegesetz zu verabschieden, begrüßt, weil wir auch darin einen wichtigen Schritt gesehen haben, Menschen mit Behinderungen die volle Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.

Die Herauslösung der Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen aus dem Fürsorgerecht als Ziel ist ein konsequenter Schritt zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention der UN. Aus Thüringer Sicht sollte mit der Schaffung des Bundesteilhabegesetzes die Chance wahrgenommen werden, die Rechte und die Selbstbestimmungsmöglichkeiten der Menschen mit Behinderungen zu stärken und den in der UN-Behindertenrechtskonvention verankerten Gedanken der Inklusion weiter voranzubringen.

Das vorliegende Bundesteilhabegesetz enthält insoweit Elemente, die von dem Bemühen zeugen, den Wertungen der Behindertenrechtskonvention gerecht zu werden. Zu nennen sind insbesondere die neuen Elemente der Teilhabeplanung, die höheren Leistungen, die Verbesserungen bei der Einkommens- und Vermögensanrechnung und die Elemente zur Verbesserung der Integration in das Arbeitsleben. Meine Vorrednerinnen sind darauf bereits eingegangen.

Gleichwohl bleibt das Gesetz hinter den Möglichkeiten zurück, weitere substanzielle Verbesserungen im Interesse der betroffenen Menschen zu erreichen. Das hätten wir uns gewünscht, das hätten wir erwartet.

Insofern haben wir es begrüßt, dass im Gesetzgebungsverfahren angesichts vielfältigen politischen Drucks seitens der Verbände und seitens der Betroffenen in letzter Minute an wichtigen Punkten nachgebessert worden ist. Drei Punkte, die wir begrüßen und unterstützen, will ich nennen: die Verdopplung des Arbeitsförderungsgeldes für die rund 300 000 Beschäftigten in Werkstätten; die Leistungen für Bildung, die auch für den Besuch weiterführender Schulen sowie für schulische berufliche Weiterbildung gelten werden; die zeitliche Verschiebung des Inkrafttretens bestimmter Änderungen im Interesse eines geordneten Übergangs, Stichworte: Mehraufwendungen für Mittagessen in Werkstätten, Behinderungsbegriff in § 99.

Dennoch ist aus hiesiger Sicht die Gelegenheit versäumt worden, die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention so umzusetzen, dass man den Interessen der Betroffenen vollumfänglich gerecht wird und diese in die Lage versetzt werden, ihre Menschenrechte in vollem Umfang wahrzunehmen. Ich will wiederum drei Punkte nennen, die wir noch auf der Negativliste sehen:

Trotz Verbesserungen gegenüber der bisherigen Rechtslage wurde die Anrechnung von Einkommen und Vermögen auf Leistungen der Eingliederungshilfe grundsätzlich beibehalten.

Es wurde versäumt, ein allgemeines Bundesteilhabegeld als vorgelagerten Nachteilsausgleich für Menschen mit Behinderungen einzuführen.

Auch werden Leistungsbeschränkungen für in Einrichtungen der Behindertenhilfe lebende pflegebedürftige Menschen beibehalten.

Unter dieser Perspektive wird somit nicht zuletzt aus Kostengründen echte Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen verhindert. Die Notwendigkeit, das Thema weiterhin auf der politischen Agenda zu halten, bleibt bestehen.

Insofern kann ich dem Wunsch der Kollegin Bätzing-Lichtenthäler, dass wir dem Gesetz im Konsens zustimmen, aus der Thüringer Perspektive nicht Rechnung tragen.– Vielen Dank.

 

Die Aufzeichung der Rede kann hier eingesehen werden.