09.01.2017

Kultur und Rechenschieber

Keine Landesentwicklung ohne Kultur

Thüringen ist historisch, anders als sein östlicher Nachbar Sachsen, ein kleinräumig gegliedertes Land, dem aus einer Vielzahl von Klein- und Kleinstherzogtümern ein reichhaltiges Kulturerbe erwuchs.

Die reichhaltige und vielfältige Kulturlandschaft Thüringens ist das prägende Merkmal und eine der bedeutendsten Herausforderungen des Freistaates. Das Thüringer Kunst- und Kulturleben hat eine lange Tradition. Sie ist Teil des überregionalen und international wirksamen Renommees. Das bis heute äußerlich und geistig wirksame Erbe einer jahrhundertealten Residenzkultur bestätigt dieses Bild: Schlösser und Burgen, die Musik des Barock, Weimarer Klassik und die Sammlungen der Höfe in Gotha und Greiz usw. sind nur Beispiele dieses reichen, aber auch verpflichtenden Erbes. Die 173 Schlösser und Burgen im Freistaat, ergänzt um rund 300 Herrenhäuser bilden gemeinsam mit den Museen, Bibliotheken und Archiven den unmittelbar wahrnehmbaren Ausdruck dieses kulturellen Erbes, den zu erhalten und zu entwickeln zum Auftrag der Kulturpolitik und –finanzierung gehört. Hinzu kommt die höchst lebendige Gegenwartskunst, für die beispielhaft die neun großen landesfinanzierten Festivals stehen. In den Theatern und Orchestern spiegelt sich die kleinteilige Thüringer Herrschaftsgeschichte ebenfalls wieder. Die Häuser beruhen zum Teil auf über 400 Jahre zurückliegende Fürstengründungen und sind Ausdruck des höfischen Mäzenatentums. Mit dem endgültigen Ende der Residenzen im Zuge der Novemberrevolution 1918 gingen die Theater und Orchester in überwiegend kommunale Trägerschaften über.

Im Freistaat Thüringen investierten Land und Kommunen alleine im Jahr 2012 (letzte vorliegende Daten) knapp 300 Mio. EUR an Grundmitteln in die kulturelle Infrastruktur Thüringens. Dies entsprach 136,58 EUR pro Kopf der Thüringer Bevölkerung, einem Anteil von 0,61% des Bruttoinlandsproduktes im Freistaat sowie 2,77% des Landeshaushaltes. Gemessen am Gesamthaushalt gab Thüringen im Bundesvergleich – nach Berlin und Sachsen – im Jahre 2012 den größten Anteil für Kultur aus. Bei den Pro-Kopf-Ausgaben lag der Freistaat unter den Flächenländern nach Sachsen sogar auf Platz 2.

Es kann zutreffend eingewandt werden, dass der Anteil der Kulturausgaben bezogen auf die Bevölkerungszahl für sich genommen kein Qualitätsmerkmal darstellt. Er ist vielmehr Ausdruck des Spannungsverhältnisses zwischen einem überreichen kulturellen Erbe und einer abnehmenden Bevölkerungszahl. Thüringen zählt derzeit 2,2 Mio. Einwohner/-innen und hat gegenüber 1990 rund eine halbe Million Menschen verloren. Die Bevölkerungsprognose geht für unser Land trotz Zuwanderung von einem Netto-Rückgang auf unter 2 Millionen Menschen aus, was einem Rückgang von rund 25% gegenüber 1990 bedeuten würde. Diese Bevölkerungsentwicklung geht auch an den Kultureinrichtungen nicht spurlos vorbei. Absinkenden Einnahmen aus dem Solidarpakt II bis 2020, zurückgehenden Zuweisungen aus dem Länderfinanzausgleich und einer erheblich geringeren Förderkulisse aus Mitteln der Europäischen Kohäsionsfonds stehen Mehraufwendungen bei der Aufrechterhaltung öffentlicher Daseinsvorsorge, zu denen die Kultur als einem wesentlichen Bestandteil zu zählen ist, gegenüber.

Umso deutlicher wird jedoch, dass das finanzielle Engagement des Freistaates für die Kultur sowohl kulturpolitisch selbstverständlich als auch strategisch richtig ist. Eine positive Landesentwicklung, in Folge derer der Bevölkerungsrückrang abgeschwächt und mittelfristig umgekehrt werden kann sowie die Fachkräftelücke geschlossen wird, setzt attraktive Lebensbedingungen voraus, zu denen die Kultur untrennbar gehört. Darüber hinaus normiert der mittelbare Verfassungsauftrag der gleichwertigen Lebensverhältnisse in allen Landesteilen eine Konzeption dezentraler Konzentration von Kultur, beruhend auf den Thüringer Residenzstandorten bzw. vergleichbaren Städten im ehemals preußischen Landesteil und von dort aus sternenförmig ausstrahlender Kulturattraktivität.

Kultur und Kommune in Thüringen

Die trotz der Funktionalreform von 1994 noch sehr kleinteilige Verwaltungsstruktur Thüringens, bestehend aus 723 Gemeinden, von denen 40 Prozent eine Bevölkerung unter 500 Einwohnerinnen und Einwohnern aufweisen, 126 Städten, 17 Landkreisen und 6 kreisfreien Städten, ist geeignet, im Widerspruch zu adäquaten Nutzungs-, Organisations- und Finanzierungsanforderungen zu stehen. Viele Thüringer Kommunen befinden sich trotz der steigenden Steuereinnahmen in einer nicht unproblematischen Situation. Im vergangenen Jahr waren 125 von 841 Thüringer Kommunen der Haushaltssicherung unterworfen. Der Freistaat wird 2016 und 2017 rund 1,9 Milliarden EUR jährlich für den Kommunalen Finanzausgleich ausgeben. Hinzu kommen Förderprogramme und Zuweisungen an die Kommunen, die nicht Teil des Kommunalen Finanzausgleichs sind.

Die kleinteile Verwaltungsstruktur erleichtert auch nicht die Sicherung und Fortentwicklung der Thüringer Theaterlandschaft. Während sich bestimmte Landkreise in der Finanzierungsverantwortung für die Theater und Orchester in ihrem Verflechtungsraum sehen, wie z.B. die Landkreise Schmalkalden-Meiningen, Altenburg, Nordhausen, Saalfeld-Rudolstadt oder der Wartburgkreis, nutzen andere Landkreise dieses Kulturangebot quasi als Trittbrettfahrer, ohne durch entsprechende Finanzierung an dessen Aufrechterhaltung mitzuwirken. Der Kulturlastenausgleich, mit dem das Land in Höhe von 9 Mio. Euro pro Jahr Kommunen mit einem überproportional hohen Kulturanteil unterstützt, ist einerseits ein wichtiges Instrument zur Aufrechterhaltung der kommunalen Kulturlandschaft und verweist andererseits auf die problematische Lastenverteilung der Theaterfinanzierung zwischen den bestehenden Landkreisen. Interkommunale Finanzierungsverbünde, wie sie beispielsweise im Rhein-Main-Gebiet mit dem Ankerpunkt Frankfurt am Main entwickelt wurden, könnten dafür aus Sicht der Staatskanzlei Vorbildwirkung haben.

Die Landesregierung hat bereits in der vergangenen Legislaturperiode eine Neukonzeptionierung der Thüringer Kulturpolitik eingeleitet. Basierend auf der Entwicklung des Kulturellen Leitbildes im Jahr 2010 und dem Kulturkonzept des Freistaates 2012 wurden mit dem Kulturentwicklungskonzept (KEK) in den Modellregionen Sonneberg-Hildburghausen sowie Kyffhäuserkreis-Nordhauen regionale Kulturkonzepte erarbeitet, deren Wert in der landkreisübergreifenden Zusammenarbeit liegt. Die tragenden Säulen dieser Konzepte sind die „3K“ – Kommunikation, Koordination und Kooperation. Diesen Ansatz beabsichtigt die Staatskanzlei in alle geeigneten Kulturbereiche zu übertragen und damit auch die Zielstellung der Verwaltungs-, Funktional- und Gebietsreform zu unterstützen, an deren Ende eine kleinere Zahl kommunaler Gebietskörperschaften mit einer höheren Gestaltungsverantwortung und –fähigkeit stehen sollen. Der Kultur als kommunaler Kern- und gefühlter Pflichtaufgabe kommt dabei eine besondere Rolle zu.

Im Oktober des vergangenen Jahres führte der Thüringer Kulturrat, ein Zusammenschlus aus 15 kulturellen Dachverbänden, eine Kulturklausur durch, um sich den vielfach defizitären Rahmenbedingungen der institutionalisierten Kulturverwaltung in den Thüringer Klein- und Kleinstkommunen zu widmen. Sein Fazit: Die seitens der Landesregierung und der Koalition aus LINKE, SPD und Grünen geplante Verwaltungs-, Funktional- und Gebietsreform kann durch großräumigere und leistungsfähigere Kommunen auch die Handlungsfähigkeit der Kulturinstitutionen verbessern. Eine zutreffende Analyse, für deren Umsetzung der Kulturrat unter anderem eine regelmäßige Kulturamtsleiterkonferenz ins Leben rufen möchte.

Gebietsreform - Thüringen fair ändern

Letztmalig im Jahre 1994 wurde in Thüringen eine Gebietsreform durchgeführt, in deren Folge die Zahl der Landkreise von 35 auf 17 reduziert und die sechs kreisfreien Städte in ihrer Fläche erweitert wurden. Während alle anderen ostdeutschen Länder inzwischen weitere Gebietsreformen durchführten, um die kommunale Gliederung den demografischen Veränderungen anzupassen und die Daseinsvorsorge möglichst effizient zu erbringen, verhinderte die Thüringer CDU, solange sie die Landesregierung stellte, eine vergleichbare nachholende Entwicklung.

Dies hatte Vor- und Nachteile. Der Vorteil besteht zweifellos darin, dass anders als bei früheren Gebietsreformen, die im Geleitzug neoliberaler Entstaatlichungsdiskurse vorrangig auf den Rückzug des Staates aus der öffentlichen Daseinsvorsorge abzielten und weitgehend nicht eingelöste Versprechen über die Einspareffekte von Gebietsreformen postulierten, die Thüringer Gebietsreform darauf ausgerichtet werden konnte, Fehler aus anderen Ländern nicht zu wiederholen. Als erheblich nachteilig erweist sich, dass die Thüringer Christdemokraten als Landespartei sich jeder konstruktiven Zusammenarbeit im Hinblick auf die Planung, Gestaltung und Umsetzung einer mit der Gebietsreform verkoppelten Verwaltungs- und Funktionalreform verweigern, weshalb dieser Prozess in hohem Maße dichotom als Konflikt im Parteienwettbewerb aufgeladen ist, weshalb denkbare konstruktive gemeinsame Lösungen gar nicht erst entwickelt werden können.

Parallel zum Werben um eine gemeinsame Gestaltung dieses Prozessen, verabschiedete die Landesregierung am 22.12.2015 das Leitbild »Zukunftsfähiges Thüringen« und brachte damit die Gebietsreform auf den Weg. Daran anknüpfend legte die Landesregierung am 12. April 2016 dem Landtag den Entwurf für ein »Vorschaltgesetz zur Durchführung der Gebietsreform in Thüringen« vor, der am 23. Juni 2016 verabschiedet wurde und am 13. Juli 2016 in Kraft getreten ist. Darin finden sich dieLeitlinien für die zukünftigen kommunalen Strukturen in Form von Zielen und Grundsätzen, die den Thüringer Kommunen den notwendigen Rahmen für die dann anlaufende Freiwilligkeitsphase gegeben haben. Das Gesetz legt fest, dass Landkreise mindestens 130.000 und höchstens 250.000 Einwohner haben sowie eine Fläche von 3.000 Quadratkilometern nicht überschreiten sollen. Kreisfreie Städte sollen über mindestens 100.000 Einwohner und kreisangehörige Gemeinden über mindestens 6.000 Einwohner verfügen. Zu beachten ist dabei die Stärkung der zentralörtlichen Strukturen. Die entsprechenden Einwohnerzahlen sollen dabei mindestens bis zum Jahr 2035 nicht unterschritten werden.

Die Gebietsreform zielt auf die Schaffung leistungs- und verwaltungsstarker Gebietskörperschaften, die dauerhaft in der Lage sind, ihre Aufgaben in geordneter Haushaltswirtschaft sachgerecht, bürgernah, rechtssicher und eigenverantwortlich wahrzunehmen, und die gleichzeitig ein dauerhaft tragfähiges Fundament für die demokratische Mitwirkung der Bürger bilden. Deshalb wurde mit dem Vorschaltgesetz das Ortsteil- und Ortschaftsrecht gestärkt, um die Möglichkeiten der ehrenamtlichen Betätigung zu verbessern und die Identität der einzelnen Ortsteile und Ortschaften zu erhalten.

Kommunen sollen im Rahmen einer Freiwilligkeitsphase selbst entscheiden können, in welcher Form sie sich zu leistungsfähigeren Einheiten zusammenschließen. Um dies zu unterstützen, wurden in den §§ 7 und 8 des Vorschaltgesetzes finanziellen Hilfen im Volumen von 155 Millionen Euro festgelegt. Diese Mittel stehen stark verschuldeten Gebietskörperschaften und für freiwillige Gemeindefusionen innerhalb der Freiwilligkeitsphase der Gebietsreform 2017/18 zur Verfügung. Diese Summe steht außerhalb des kommunalen Finanzausgleichs. Verschuldete Gemeinden, die in den Jahren 2017 und 2018 neu gegliedert werden, können als Strukturbegleithilfen steuerkraftunabhängige Zuweisungen erhalten. Die Gemeinden sind verpflichtet, innerhalb von fünf Jahren Schulden in mindestens derselben Höhe zu tilgen, in denen sie Strukturbegleithilfen erhalten haben. Hierfür stehen im Haushaltsjahr 2018 insgesamt 55 der insgesamt 155 Millionen Euro zur Verfügung. Weitere 100 Millionen Euro sind für die Förderung freiwilliger Gebietsreformen vorgesehen.

Der Innenminister und die Landesregierung begleiteten diesen Prozess mit Bürgermeister-Dialogrunden, einer Vielzahl von Veranstaltungen, einem Bürgergutachten, das auf dem sogenannten Planzellenverfahren basierte und zwei Regierungserklärungen im Landtag.

Im Auftrag der Landesregierung unterbreitete der Bochumer Verwaltungswissenschaftler Jörg Bogumil ein Gutachten, auf dessen Grundlage das Kabinett die Entscheidung für einen Gebietsgliederungsvorschlag mit acht Landkreisen und zwei kreisfreien Städten traf.

Zwischenzeitlich haben die Thüringer Industrie- und Handelskammern, die Handwerkskammern sowie die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit einen eigen Vorschlag zur Gebietsreform unterbreitet, der bei Aufrechterhaltung des Ziels 8 + 2 eine Gebietsgliederung vorsieht, die sich an den Grenzen der vier Planungsregionen orientiert und insoweit insbesondere Änderungen in Mittelthüringen vorsieht. Der Landkreis Sömmerda würde nach diesem Modell nicht mit den Landkreisen Nordhausen und Kyffhäuserkreis fusionieren, sondern mit dem Landkreis Weimarer Land. Der Landkreis Saalfeld-Rudolstadt nicht wie von der Landesregierung vorgesehen mit dem Weimarer Land, sondern den Thüringer Saalekreisen Saale-Orla-Kreis und Saale-Holzland-Kreis. Ein Vorschlag, der viele gute Argumente auf seiner Seite hat und insbesondere zeigt, dass dieser Reform wie bereits vom Thüringer Kulturrat oder dem Bauernverband Thüringens bewiesen, auch konstruktiv begegnet werden kann.

Ostthüringer Theater und Orchester und Konsequenzen der Gebietsreform

Als die vormalige Landesregierung den Prozess der Kulturentwicklungskonzeptionen (KEK) auf den Weg brachte, bewarben sich aus Ostthüringen der Landkreis Altenburger Land und die kreisfreie Stadt Gera. Der ebenfalls zu Ostthüringen gehörende Landkreis Greiz, historisch und kulturell untrennbar mit den beiden Nachbarkommunen als Teil der früheren Gebiete Reuß ältere Linie und Reuß jüngere Linie verbunden, wollte sich zu diesem gemeinsamen Vorgehen nicht entschließen.

Diese Haltung hat durchaus eine negative Tradition, wie sich beispielsweise auch an der regionalen Theaterfinanzierung zeigt. Gemeinsam mit dem Freistaat Sachsen, dem sächsischen Kulturraum Vogtland-Zwickau und dem Freistaat Thüringen, die zusammen 75 Prozent der Kosten tragen, unterhält der Landkreis Greiz die länderübergreifende »Vogtland-Philharmonie« im Volumen von 450.000 EUR. Einer Mitfinanzierung des einzigen Fünf-Sparten-Hauses in Thüringen, dem Theater Altenburg-Gera verweigert sich der Landkreis Greiz bislang und verhält sich stattdessen, wie oben bereits erwähnt, als Trittbrettfahrer der Landes- und kommunalen Finanzierung, Zuweisungen im Volumen von 20 Millionen EUR für dieses Theater zur Verfügung stellen. Dass es gute Gründe gäbe für den Landkreis Greiz, durch entsprechende Finanzierung an dessen Aufrechterhaltung mitzuwirken, zeigt eine Untersuchung des Theaters. Rund 50 Prozent der Theatertickets seit August 2014 wurden außerhalb der Städte Gera, Altenburg und dem Landkreis Altenburger Land an auswärtige Personen, davon 20% mit Wohnort im Landkreis Greiz verkauft. Mit 6.179 Tickets lag der Anteil mehr als 50% höher als aus dem Altenburger Land (2.471 Tickets). Im Wissen um diesen Missstand kritisierte nun die Greizer Landrätin, zugleich Präsidentin des Thüringer Landkreistages, dass die Gebietsreform zu Mehrausgaben für die Kommunen des Landkreises Greiz führen würde, wenn diese sich ebenfalls an der Finanzierung des Theaters Altenburg-Gera zu beteiligen hätten. Dem ist zunächst nicht zu widersprechen. Im Unterschied zur Behauptung der Oberbürgermeisterin aus Gera, die ihrerseits widerum befürchtete, dass auf die Stadt Gera erhebliche Mehrausgaben zukommen würden, müsste sich die Stadt künftig noch an den kommunalen Anteilen für die Vogtland Philharmonie beteiligen. Festzuhalten ist zur angeblichen Mehrbelastung der Stadt Gera, dass unter dem Strich die über die Kreisumlage mögliche Mitfinanzierung der Vogtland Philharmonie durch Gera erheblich niedriger sein dürfte als umgekehrt die Mitfinanzierung des Landkreises Greiz am Theater Altenburg-Gera.

Kulturlastenausgleich anpassen

Die Vorwürfe haben hier wie dort vor allem eine gegen die Gebietsreform gerichtete instrumentelle Funktion. Sie verweisen jedoch auf einen sachlich richtigen Aspekt - die Herausforderung, den Kulturlastenausgleich Thüringens im Zuge der Gebietsreform anzupassen. Bislang folgt der Kulturlastenausgleich folgendem Muster:

Antragsberechtigt sind Kommunen, die eine überregionale Kultureinrichtung tragen oder mitfinanzieren. Die überregionale Bedeutsamkeit liegt vor, wenn der Bund und/oder das Land diese Einrichtung institutionell fördern. Zusätzlich müssen folgende Vorraussetzungen erfüllt werden:

  • Städte müssen eine Kulturquote (Anteil der Kulturausgaben am Verwaltungshaushalt) von mindestens 4 Prozent und pro Kopf-Ausgaben für Kultur von mindestens 50 € pro Einwohner aufweisen
  • Landkreise müssen eine Kulturquote von mindestens 4 Prozent und pro Kopf-Ausgaben für Kultur von mindestens 20 € pro Einwohner aufweisen

Die Unterscheidung folgt aus den historisch gewachsenen Strukturen in der Kulturfinanzierung. In Thüringen tragen vor allem die Städte und Gemeinden die Hauptlast der Kulturausgaben.

Das Ziel der Fortentwicklung des Kulturlastenausgleich sollte sein, das Volumen im Kontext der Anpassung des Kommunalen Finanzausgleichs (KFA) zu erhöhen und den Kulturlastenausgleich in den KFA zu überführen. Darüber hinaus wäre mit den Landkreisen und den Städten und Gemeinden gemeinsam zu prüfen, ob die Schwerpunktsetzung in Folge der Gebietsreform stärker als bislang auf die Landkreise gelegt werden sollte oder nicht.

Dass das einzubringende Kulturgesetz für den Freistaat die Entwicklung von regionalen Kulturentwicklungskonzeptionen, institutionell gefördert, vorsehen soll, würde diesen Prozess der Festlegung von Kulturlastenausgleichsmitteln konzeptionell untersetzen.

Kurzum: Kulturpolitik mit dem Rechenschieber zu betreiben ist kurzsichtig und führt zu weniger Ergebnissen, als den Blick über den Tellerrand hinaus auf die Chancen zu werfen, die sich aus der Bildung leistungsfähiger Kulturräume ergeben.