27.08.2016

Sommerinterview: „Auch mit Blick auf die Kultur haben wir viel zu viele kleine Gemeinden“

"Auch mit Blick auf die Kultur haben wir viel zu viele Gemeinden”, Thüringer Allgemeine vom 27.08.2016.
Das Interview wurde von Micheal Helbing und Martin Debes geführt.

 

Herr Hoff, auf die große Theater- soll Ende des Jahres die öffentliche Museumsdebatte folgen, ebenfalls mit einer „Perspektive 2025“. Wird das für Sie ein genauso heißer Herbst?

Die Museumsdebatte wird vermutlich weniger öffentliche Resonanz finden, wobei sie viel mehr Kommunen umfasst. Für das Land hat sie eine mindestens genauso große Bedeutung. Wir reden hier nicht nur über die vom Land institutionell geförderten, sondern auch über rund 200 rein kommunale Museen.

 

Schlagen Sie selbst Strukturveränderungen vor?

Zunächst machen wir mit dem Museumsverband eine Analyse. Die Ergebnisse einer Umfrage bei den Museen werden derzeit ausgewertet. Aber es wird materielle Entscheidungen geben. Es gibt Museen, die den dringenden Wunsch nach institutioneller Förderung deutlich machen – das Spielzeugmuseum Sonneberg, das Freilichtmuseum in Hohenfelden oder das Deutsche Burgenmuseum auf der Veste Heldburg, das in einigen Tagen eröffnet wird. Und das alles bei begrenzten Mitteln. Sofern wir keine Mittelaufstockung hinbekommen, müssen wir darüber nachdenken, ob alle Museen bei der bisherigen Förderung bleiben können oder einzelne aus dieser herausfallen müssen.

 

Mit einem Strukturvorschlag kommen Sie auf jeden Fall um die Ecke: einem Landesmuseum auf Erfurts Petersberg.

Wir haben bereits ein Landesmuseum, das nur nicht so genannt wird (das Museum für Ur- und Frühgeschichte Thüringens – die Redaktion). Der Erfurter Petersberg hat enormes Potenzial als Schaufenster Thüringer Landesgeschichte. Ich möchte ihn als Kulturort entwickeln. Einen Kulturort mit einem Landesmuseum, das eine Verbindung zu Erfurts Stätten jüdischen Lebens herstellt und in dem durch die Nähe zum Landesdenkmalamt Beruf und Handwerk der Denkmalpflege und der Archäologie in Schauwerkstätten nahegebracht werden. Natürlich reagieren einige sofort reflexhaft: Weimar wird etwas weggenommen, das nach Erfurt geht.

 

„Die Frau aus Ehringsdorf gehört nach Weimar“, heißt es.

Weimar bekommt ein ganz fantastisches Museum: das Bauhaus-Museum. Es wird mit den bestehenden Einrichtungen der Klassik-Stiftung Weimars Identität prägen. Weimar und Bauhaus sind untrennbar miteinander verbunden. Thüringens Ur- und Frühgeschichte ist für Weimar nicht identitätsbildend.

 

Ministerpräsident Ramelow kündigte in seiner ersten Regierungserklärung 2014 an, im Jahr darauf ein Kulturfördergesetz auf den Weg zu bringen. Jetzt haben wir Sommer 2016.

In Übereinstimmung mit den Kulturpolitikern der Koalition haben wir zunächst die Theaterverträge auf den Weg gebracht. Für den Haushalt 2018/’19 haben wir eine Entscheidung zum Kulturlastenausgleich vereinbart: Bleibt er Teil des Kulturhaushaltes, oder wird er im Kommunalen Finanzausgleich verankert? Einig sind wir uns auch, dass wir anders als Nordrhein-Westfalen kein Bekenntnisgesetz machen wollen. Wir wollen eine tatsächliche Untersetzung kommunaler Kulturpolitik. Wenn wir die Rahmenbedingungen geschaffen haben, ist es sinnvoll, über das Kulturgesetz zu diskutieren. Es soll um Inhalte gehen, bei denen nicht jeder nur darauf schaut, wie viel Geld wer am Ende bekommt.

 

Sie wollen sich mit dem Gesetz also aus der Legislatur bestenfalls verabschieden?

Eckpunkte dafür wird es sicherlich 2017 geben. Ob wir schon zu einem Beschluss kommen, kann ich nicht sagen.

 

Was soll überhaupt noch in einem solchen Gesetz stehen?

Infrage kommen Aspekte aus der Kulturförderrichtlinie, die kulturelle Bildung, die in einigen Ländern Gesetz ist, aber auch die Finanzierung der Musik- und Jugendkunstschulen. Aus Landessicht könnte ich argumentieren: Das Land hatte für die Musik- und Jugendkunstschulen zweckgebunden Mittel im kommunalen Finanzausgleich bereitgestellt. Diese Zweckbindung hob das Verfassungsgericht auf. Das Geld blieb bei den Kommunen und wird seitdem offensichtlich nicht für Jugendkunst- und Musikschulen ausgegeben, denn sie sind unterfinanziert. Nun rufen die Kommunen: Land, finanziere diese Aufgabe!

 

Kommunen könnten argumentieren: Wenn uns das Land zum Beispiel die Flüchtlingskosten vollständig ausgliche, hätten wir auch genug Geld für Musikschulen.

Das ist denkbar. – Wir werden aber 2017 mit den Kommunen über den Finanzausgleich reden. Der Grundkonflikt, dass diese stets meinen, zu wenig Geld für die Aufgabenerfüllung zu bekommen, wird bleiben. Ich bleibe dabei, dass wir auch mit Blick auf die Kultur viel zu viele kleine Gemeinden haben, die ihre Aufgaben nicht wahrnehmen können. Deshalb bin ich froh, dass Gemeinden die Freiwilligkeitsphasen für die Gemeindezusammenschlüsse nutzen wollen.

 

Vertagen Sie Ihre Pläne zu den Musikschulen im Koalitionsvertrag schon auf eine ungewisse nächste Legislatur?

Im Koalitionsvertrag steht, dass wir die Situation der Musik- und Jugendkunstschulen verbessern sollen. Der Auftrag einer gesetzlichen Regelung steht dort nicht.

Ich bin skeptisch, dass wir sie mit dem Doppelhaushalt 2018/ 2019 erreichen. Wir können in diesem Zusammenhang eine Landesförderung aber diskutieren, für die aus meiner Sicht einiges spricht.

 

Was wird aus der Idee einer Landeskunstausstellung, die im Koalitionsvertrag steht?

Eine Landeskunstausstellung ist derzeit nicht unser Thema.

 

Neben der Kultur verantworten Sie noch die Bundes- und Europapolitik, leiten die Staatskanzlei – und koordinieren die Regierung. Wie sind Sie denn gerade mit deren Außenbild zufrieden?

Die Regierung funktioniert gut, wir setzen unsere Vorhaben um, ich nenne nur die Strukturreformen, die zuvor jahrelang aufgeschoben wurden. Das haben uns viele nicht zugetraut. Wir arbeiten miteinander, nicht gegeneinander. Ich bin zufrieden.

 

Und die vielen Sonderlandtagssitzungen sind nur dazu da, das Sommerloch zu füllen?

Nein. Wir müssen aufpassen. Auch kleinere Ereignisse können in der Außenwirkung eine fatale Wirkung entfalten, wenn man nicht rechtzeitig aufklärt.

 

Damit wäre eigentlich die Affäre um Dieter Lauinger gut umschrieben: Wie konnte die Versetzung seines Sohnes eine Art Regierungsangelegenheit werden?

Die Landesregierung legte Anfang der Woche alle Fakten offen, beantwortete die Fragen der Opposition im Landtag, und Minister Lauinger entschuldigte sich öffentlich. Die Regierung hat größtmögliche Transparenz dazu hergestellt. Grundsätzlich müssen wir uns als Regierung und Koalition wieder stärker darum bemühen, dass wir mit unseren Sachthemen wahrgenommen werden. Ich finde es gut, dass Minister Lauinger deutlich gemacht hat, dass sein Sohn die Prüfung, um die es geht, zeitnah nachholen wird.

 

Bleiben Sie im Land, zumindest jobtechnisch?

Ich habe nichts anderes vor. Warum?

 

Im September wird in Ihrer Heimat Berlin gewählt, in deren Regierung Sie schon mal saßen. Da liegt die Frage nah.

Alle Umfragen legen nahe, dass es keine Regierenden Bürgermeister der Partei Die Linke geben wird – damit also auch keine linke Staatskanzlei in einem möglichen rot-rot-grünen Senat. Insofern regt sich bei mir nicht ansatzweise Interesse.

 

Aber wäre Kultursenator nicht auch schön?

Die Berliner Linke hat Personal, jedes Ressort kompetent zu besetzen. Ich bin Chef der Thüringer Staatskanzlei und Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten unter dem Ministerpräsidenten Bodo Ramelow. Wenn er mich lässt, bleibe ich mindestens bis 2019.