10.09.2016

"Das ist unverantwortlich" - Interview zur Thüringer Kulturpolitik vom 10.9.16

"Das ist unverantwortlich", Freies Wort Suhl vom 10.09.2016, Seite 22.
Das Interview wurde von Herrn Peter Lauterbach geführt.

 

Herr Hoff, am Mittwochabend hat es der Kreistag des Wartburgkreises erneut abgelehnt, den Landrat zu ermächtigen, den von Ihnen ausgehandelten Theatervertrag für das Landestheater Eisenach zu unterschreiben, solange es keine Garantie für den Erhalt des Wartburgkreises gibt. Wie finden Sie das?

Ich finde es unverantwortlich, dass die Fraktionen von CDU und FDP im Wartburgkreis mit Unterstützung von Stimmen der Freien Wähler, aber auch mit Stimmen der NPD, zum wiederholten Male das Theater Eisenach und die Thüringen-Philharmonie Gotha in Geiselhaft nimmt für das Bestreben, als Wartburgkreis durch die Gebietsreform zu kommen. Letztlich werden die Interessen des Wartburgkreises, ohne das es überhaupt einen Vorschlag der Landesregierung gibt, über die Interessen der Beschäftigten des Theaters gestellt. Die Stadt Gotha, die Stadt Eisenach, die Landkreise Gotha und Schmalkalden-Meinigen haben diesen Vertrag gebilligt, nur CDU und FDP im  Wartburgkreis glauben, sich über alle anderen stellen zu können. Ich finde  auch unverantwortlich, dass der Fraktions- und Landesvorsitzende der CDU, Mike Mohring, an dieser Stelle nicht eingreift, obwohl das mittlerweile weit mehr  als eine rein lokale Angelegenheit ist. Das betrifft einen relevanten Teil unseres Freistaats und der Oppositionsführer im Landtag schweigt zur Instrumentalisierung der  Theater für die Interessen eines Landkreises.

 

Was tun sie nun?

Ich werbe weiterhin für die Unterzeichnung des Vertrags. Während der Theaterdebatte regte ich an, die Theaterfinanzierung umzustellen: Das Land bezahlt das Personal alleine, damit die Beschäftigten nicht zum Spielball der Interessen von Kommunen und Landkreisen werden. Der Wartburgkreis bestätigt die Richtigkeit dieser Auffassung. Hier wird nicht verantwortungsbewusst mit der Theaterfinanzierung umgegangen. 

 

Wie lange gilt Ihr Vertragsangebot?

Die Gewerkschaften haben einer Frist bis Anfang Oktober zugestimmt‎. Diese Geduld ist sicher nicht unendlich. Der Stiftungsrat der Kulturstiftung Meiningen-Eisenach tagt Mitte Oktober.

 

Davor müsste der Kreistag noch einmal zusammentreten. . .

Ja. Der Landrat muss eine Antwort und eine Mehrheit im Kreistag finden.

 

Rechnen Sie damit, dass sich der Innenminister vor dem 13. Oktober zur Gebietsreform äußert?

Der Innenminister hat am 7. Oktober das letzte Bürgermeister-Dienstgespräch. Dann hat er in allen Landkreisen mit allen Bürgermeistern gesprochen. Danach wird er die Karte veröffentlichen. Aber ich sage auch ganz deutlich: Die Landesregierung lässt sich nicht von einer CDU/FDP-Fraktion in einem Kreistag ihren Zeitplan zur Gebietsreform diktieren.

 

Ihr Vertragsentwurf sieht mittlerweile breit diskutierte und akzeptierte Strukturveränderungen für das Landestheater Eisenach vor: Das Ballett bleibt, die Landeskapelle geht nach Gotha, was wird aus dem Schauspiel?

Die konkrete Ausgestaltung der verabredeten Kooperation mit dem Rudolstädter Landestheater ist auf Basis unterzeichneter Verträge vorzunehmen. Wir werden eine gute Lösung für beide Häuser finden.

 

Ziel ist es, ab Spielzeit 2017/18, diese Strukturveränderung umzusetzen?

So haben wir es mit den Theaterverträgen vorsehen.

 

Findet sie auch die Zustimmung des Rudolstädter Intendanten?

Steffen Mensching sagte, dass er die Konzeption kulturpolitisch und mit Blick auf die Theaterentwicklung richtig findet. Sie könne aber nur funktionieren, wenn die Finanzierung langfristig tragfähig ist. Deshalb müssen wir an bestimmten Punkten, die wir zeitlich festlegen müssen, überprüfen, ob und gegebenenfalls wo nachgesteuert werden muss. Steffen Mensching war von Anfang an für diese Idee, aber er steht auch im Wort gegenüber seinen Beschäftigten, das Theater nicht zu überfordern. Der Respekt vor einem hervorragenden Intendanten gebietet es, dass man dem Rechnung trägt.

 

Wie sehen Sie  das schwierige Verhältnis der Theater in Erfurt und Weimar? Sind die Verträge dort inzwischen unterschrieben?

In Erfurt liegt der Vertrag zur Unterschrift beim Oberbürgermeister, in Weimar sind wir faktisch durch. Ich habe verschiedene Modelle auch für Erfurt und Weimar vorgeschlagen. Ich glaube, dass wir in der Debatte weiter gekommen sind als irgend einer meiner Amtsvorgänger in den letzten 25 Jahren. Aber Vorurteile, aus meiner Sicht auch unberechtigte Vorurteile der Erfurter gegenüber den Weimarern und umgekehrt, lassen sich nicht durch einen Vertrag überwinden. Dafür muss Zusammenarbeit gelebt werden. Und die „Meistersinger“ sind dafür ein solches Beispiel. Es gilt auch hier der alte Satz: Das Sein bestimmt das Bewusstsein.

 

Was, glauben Sie, haben Sie mit den neuen Finanzierungsverträgen und den darin enthaltenen Strukturanpassungen erreicht?

Wir haben  im Konsens eine Weiterentwicklung der Theater erreicht. Dabei kamen Themen zur Sprache, die in den letzten beiden Jahrzehnten kaum eine Rolle gespielt haben – etwa die  Tarifpolitik. Wir haben deutlich gemacht, dass die Theaterfinanzierung grundsätzlich auf neue Füße gestellt werden muss. Aber die Theaterentwicklung ist wie die Kulturentwicklung in Thüringen insgesamt eine Baustelle, auf der es immer etwas zu tun gibt. Das macht Kulturpolitik aber auch interessant.

 

Dennoch gab es keine   großen Strukturveränderungen. Wären Sie gerne weiter gekommen?

Die Theater werden in ihrer Struktur erhalten und weiterentwickelt. Ich bin überzeugt, dass Thüringen eine Wachstumsstrategie braucht. Hier nehmen Theater und Kulturbetriebe eine wichtige regionale Funktion ein. ‎Unternehmen schauen sehr genau, welche weichen Standortfaktoren vorhanden sind. Ich scheue mich nicht, als Kulturpolitiker auch diesen Aspekt zu betonen.

Im Übrigen interessiert mich das Ergebnis. Und das Ergebnis ist gut. Denn die Kernfrage lautet doch: Gelingt es mir, durch die Strukturveränderungen die Theater- und Orchesterstandorte in Thüringen zukunftsfähig zu entwickeln?


 

Das gilt wohl auch für Museen. Auch hier arbeiten sie an einem Strukturpapier. Was ist das  Ziel?

Einen derart großen finanziellen Aufwuchs wie bei den Theatern werden wir in keinem anderen Kulturbereich realisieren können, das muss ganz klar sein. Ich sage aber auch: Wir haben eine seit 25 Jahren gewachsene Museumslandschaft. Diese  wird derzeit gemeinsam mit dem Museumsverband überprüft.  Mein Ziel ist, dass Museen, die wegen ihrer überregionalen Strahlkraft landesfinanziert sind, Aufgaben für weitere Museen in der Region übernehmen. Wenn wir einen guten Haushalt hinbekommen, werden wir  an der ein oder anderen Stelle auch mehr machen können. Es wird aber immer noch viel weniger sein, als vielleicht nötig. Gleichzeitig müssen wir die Entscheidung treffen, welche Museen mit überregionaler Strahlkraft  wir wann in die Landesförderung  aufnehmen wollen. Das hängt von Haushaltsverhandlungen ab, die wir kommendes Jahr führen.

 

Welche Museen sind Ihnen denn wichtig?

Es gibt eine Liste der institutionellen Förderungen. Daraus kann man ja eine gewisse Bedeutung ableiten. Wir werden für jedes Museum diskutieren, wie viel Geld es warum bekommt und welche Anforderungen und Erwartungen wir  dann  daran mit Blick auf eine regionale Museumsentwicklung haben. Nehmen wir zum Beispiel Kloster Veßra, das bislang immer als Museum an der Peripherie betrachtet wird. Jetzt gibt es ein Burgenmuseum in Heldburg. Die beiden können und müssen sich künftig museumskonzeptionell aufeinander beziehen.

 

Dass heißt, sie würden nicht nur Erwartungen formulieren, sondern auch Forderungen stellen?

Das habe ich  bei den Theatern ja auch schon gemacht. Damit muss man halt leben. Ich gestalte Landeskulturpolitik und bin nicht nur für deren Finanzierung verantwortlich.

 

Das neue Burgenmuseum auf der Veste Heldburg hat noch keinen gesicherten Haushalt. Würde das Land gegebenenfalls einspringen?

Ich sehe nicht, dass der Trägerverein in finanzielle Schwierigkeiten kommt. Wir haben bislang 15 000 Besucher im Jahr, das werden auf jeden Fall mehr werden. Das Burgenmuseum wird sich entwickeln und wachsen. Nun müssen wir alle ihm zu einer hohen Popularität verhelfen.