08.07.2016

Rede zum Entschließungsantrag zu CETA

Freitag, 8. Juli 2016 Bundesratssitzung

Sehr geehrter Herr Präsident,

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die EU-Kommission hat am Mittwoch, nachdem anderslautende Meldungen kursierten, das zwischen der EU und Kanada ausgehandelte Comprehensive Economic and Trade Agreement CETA)als gemischtes Abkommen eingestuft. Als gemischtes Abkommen wird CETA nunmehr den nationalen Parlamenten der Mitgliedsstaaten zur Ratifizierung vorgelegt.

Der Freistaat Thüringen hat dem Bundesrat eine Entschließung vorgelegt, die diese Haltung der Kommission begrüßt.

Es ist mehr er als eine formale Frage, wer über ein so weitreichendes Abkommen wie CETA abstimmen muss, zumal in Zeiten, in denen Europa über die Zukunft der Europäischen Union diskutiert. Ich will deshalb hier und heute nicht darüber reden, wie man CETA im Einzelnen zu bewerten hat. Dazu gibt es verschiedene Auffassungen. Die Länderkammer hat sich aber auf einen Katalog von, wie ich finde, richtigen Anforderungen an das deutsch-kanadische Handelsabkommen geeinigt. Ob diese Anforderungen erfüllt sind, wäre sicher für viele Bundesländer Gradmesser des eigenen Abstimmungsverhaltens, so sie denn gefragt werden. Und das sollten sie.

Woran nämlich aus unserer Sicht kein Zweifel bestehen kann, sind zwei Tatsachen:

  1. CETA ist ein gemischtes Abkommen und muss von den nationalen Parlamenten ratifiziert werden.

  2. CETA greift in den Vertragsinhalten weit in die Kompetenzen ein, die das Grundgesetz den Bundesländern einräumt, und kann deshalb auch nicht ohne Zustimmung des Bundesrats ratifiziert werden.

    Zu Punkt (1) gibt es nach der Entscheidung der EU-Kommission keinen Zweifel mehr.

    Zur Frage, ob CETA in die Kompetenzen und die Handlungsspielräume von Ländern und Kommunen eingreift, haben mehrere Rechtsgutachten eine gleichlautende Tendenz erbracht. Ich zitiere beispielhaft aus der Zusammenfassung eines Gutachtens, das im Auftrag des Staatsministeriums Baden-Württemberg von Prof. Martin Nettesheim erstellt wurde:

    „Die Freiheit der Länder und Gemeinden, den Bürgerinnen und Bürgern umfassende, effiziente und kostengünstige Leistungen der Daseinsvorsorge zu erbringen, wird durch die in CETA begründete Freiheit zur Niederlassung kanadischer Unternehmen berührt. Eine umfassende Freistellung von Dienstleistungen des Allgemeininteresses findet sich in CETA nicht. Die Ausschlussklauseln und die Vorbehalte, die sich im Vertragstext und in Erklärungen der EU und Deutschlands finden, erfassen nur Teilbereiche.“

     

    Und der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses im Bundestag, Peter Ramsauer (CSU), der CETA im Übrigen ausdrücklich begrüßt, vertrat am Mittwoch in einem Radiointerview die Auffassung, dass CETA zum Beispiel beim Beschaffungswesen für Kommunen, bei Verkehrsdienstleistungen und Ähnlichem eindeutig in die Länderhoheit eingreift. Eine wie auch immer geartete vorläufige oder endgültige Inkraftsetzung des ganzen Abkommens oder von Teilen davon verträgt sich nicht mit dem demokratischen Föderalismus bundesdeutscher Prägung, wie er in diesem Hause praktiziert wird.

    In diesem Zusammenhang möchte ich auf einen vor allem für die Finanzminister der Länder nicht ganz unerheblichen Zusammenhang zwischen CETA und dem Staatshaftungsrecht hinweisen. Ein im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erstelltes Gutachten erörtert die staatshaftungsrechtlichen Folgen von CETA ausführlich. Und auch die Frage, welche Gebietskörperschaft eigentlich nach Inkrafttreten des Abkommens für Schadensersatzzahlungen aufkommen muss, wenn eine Entscheidung auf Länderebene oder kommunaler Ebene gegen CETA-Bestimmungen verstößt, ist brisant. Das Bundeswirtschaftsministerium hat nämlich zu genau dieser Frage Ende letzten Jahres gegenüber dem Bundestag Stellung genommen.

    Demnach wäre zwar bei einer erfolgreichen Klage zunächst nur der Bund gegenüber dem Investor schadensersatzpflichtig. Aber, es folgt ein großes aber, welche Ebene am Ende die Kosten für den Schadensersatz trägt, richtet sich nach nationalen Gesetzen. Demnach, so das Bundeswirtschaftsministerium, tragen Bund und Länder die Lasten einer Verletzung von völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands. Ob und wieweit die Länder ihrerseits Regress bei Kommunen nehmen können, die völkerrechtswidrige Maßnahmen zu verantworten haben, richtet sich nach Landesrecht, so die abschließende Auskunft aus dem Ministerium.

    Meine Damen und Herren, wie auch immer man zu CETA im Einzelnen steht, fest steht, dass hier ein Vertragswerk vorliegt, das nicht nur weitreichende Haftungsfolgen für alle Bundesländer und Kommunen in sich birgt, sondern auch deren Spielräume erheblich einengt, wenn sie solche Haftungsfolgen vermeiden wollen. Es ist schlicht nicht vermittelbar, dass ohne deren Zustimmung über Haftungsverpflichtungen der Bundesländer beschlossen wird. Wenn es um unsere Haushalte geht, wollen wir nicht nur mitreden, sondern auch mitentscheiden. Das sind wir nicht zuletzt unseren Landtagen schuldig.

    Es ist erfreulich, dass sich auch die Bundesregierung, in Gestalt des zuständigen Bundeswirtschaftsministers, dieser Haltung anschließt. Sein Haus ließ sich unter Bezug auf CETA am Wochenende – im Übrigen bis heute unwidersprochen – mit dem Satz zitieren:

    Über ein Vertragsgesetz am Ende des Prozesses müssten nach unserer Auffassung Bundestag und Bundesrat abstimmen."

    Diesem Satz ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Es geht hier und heute nicht darum, ein Urteil über CETA zu fällen, sondern den Raum für eine Debatte zu eröffnen. Ich bitte Sie daher um Zustimmung zu unserem Antrag

http://www.bundesrat.de/SharedDocs/TO/947/to-node.html?cms_topNr=60#top-60.

http://www.bundesrat.de/video?id=6971143