08.07.2016

Rede im Bundesrat zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze

Freitag, 8. Juli 2016, Bundesrat TOP 20

Sehr geehrter Herr Präsident,

meine sehr verehrten Damen und Herren,

Grundsätzlich begrüßt die Thüringer Landesregierung eine Novellierung der Arbeitnehmerüberlassung die darauf gerichtet ist, missbräuchlichen Einsatz von Leiharbeit und Werk- oder Dienstverträgen zu verhindern. Dies ist auch vor dem Hintergrund des in der Vergangenheit stark gewachsenen Anteils an Vergabe von Arbeit in Form von Werkverträgen in den Betrieben dringend geboten.

Thüringen unterstützt auch das Ziel des Gesetzentwurfs, Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen zu verhindern. Rechtswidrige Praktiken bei der Nutzung dieser Instrumente, die auf Kosten von Beschäftigten und rechtstreuen Unternehmen gehen, sind nicht hinnehmbar und müssen wirksam unterbunden werden.

Der Gesetzentwurf bleibt nach meiner Auffassung allerdings deutlich hinter dieser Zielsetzung zurück.

Vor allem in folgenden Punkten reicht der Entwurf nach meiner Meinung nicht aus und muss verändert werden.

Zur geplanten Änderung Equal Pay:

Im Gesetzentwurf der Bundesregierung ist zwar vom Grundsatz her die Gleichstellung der Leiharbeitsbeschäftigten vorgeschrieben. Von diesem Grundsatz kann aber laut Art. 1 Nr. 3 des Gesetzentwurfs auch weiterhin per Tarifvertrag abgewichen werden, wie es auch nach geltendem Recht der Fall ist. Diese Abweichungsmöglichkeit wird nach § 8 Absatz 4 auf 9 Monate begrenzt. Wenn ein Tarifvertrag eine stufenweise Heranführung an Equal Pay ab der 6. Einsatzwoche vorsieht, kann bis zu längstens 15 Monaten vom Gleichstellungsgrundsatz abgewichen werden.

Mit dieser Regelung wird absehbar nur eine Minderheit der Leiharbeitsbeschäftigten beim Lohn den festangestellten Kolleginnen und Kollegen gleichgestellt werden. Denn nur ein Viertel der Leiharbeitsverhältnisse dauert länger als 9 Monate. Drei Viertel der Leiharbeitnehmer bekommen also niemals den gleichen Lohn wie die Stammbeschäftigten. Im Falle eines Tarifvertrages mit stufenweiser Heranführung und damit längerer Wartefrist: Länger als 15 Monate sind sogar nur 10 Prozent der Leiharbeitnehmer beim gleichen Entleiher im Einsatz.

Das ist nicht im Sinne des Equal-Pay-Grundsatzes. Hinzu kommt, dass es meiner Meinung nach keinerlei sachliche Rechtfertigung dafür gibt, dass Beschäftigte für die Verrichtung gleicher Tätigkeiten unterschiedlich entlohnt werden.

Vom Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ darf es keine Ausnahme geben, erst recht keine gesetzlich legitimierte.

Zur geplanten Änderung Überlassungshöchstdauer:

Die „neue“ Überlassungshöchstdauer soll nach dem Gesetzentwurf arbeitnehmerbezogen ausgestaltet sein.

Mit dieser Regelung würde verhindert, dass Leiharbeitsbeschäftigte ohne zeitliche Befristung in einem Unternehmen eingesetzt werden können.

Nicht verhindert würde aber, dass nach Ablauf der Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten der eine Leiharbeitsbeschäftigte gegen einen anderen Leiharbeitsbeschäftigten ausgetauscht werden kann.

Unternehmen, die Leiharbeit vornehmlich als Instrument zur Lohnkostensenkung nutzen, werden genau diese Regelungslücke ausnutzen und sich damit einen Wettbewerbsvorteil gegenüber denjenigen Unternehmen verschaffen, die Leiharbeit regelkonform nur als Instrument zur Abfederung von Auftragsspitzen nutzen.

Die gesetzliche Regelung sollte sich deshalb besser auf den Arbeitsplatz und nicht auf die Beschäftigten Leiharbeitnehmer beziehen. Nur so kann der Einsatz von Leiharbeitsbeschäftigten wirksam auf eine vorübergehende Nutzung beschränkt werden.

Scheinwerkverträge:

Das geplante neue Widerspruchsrecht von illegal ausgeliehenen Leiharbeitskräften gegen ein fingiertes Arbeitsverhältnis zum Beschäftigungsbetrieb stellt eine Verschlechterung gegenüber dem geltenden Recht dar. Scheinwerkverträge werden für illegale Entleiher weniger riskant, der Schutz der illegal überlassenen Leiharbeitnehmer wird verringert. Diese Regelung sollte daher gestrichen werden.

Aus den genannten Gründen halte ich es für erforderlich, dass der Gesetzentwurf im weiteren Gesetzgebungsverfahren deutlich nachgebessert wird.