16.06.2016

Bericht über die Ergebnisse der Theaterverhandlungen

Berichtvorlage an den Haushalts- und Finanzausschuss sowie den Ausschuss für Europa, Kultur und Medien vom 08.06.2016 (DS 6/1370V)

1. Übergreifende Situation und Zielstellungen

Der Chef der Thüringer Staatskanzlei und Minister für Kultur-, Bundes und Europaangelegenheiten führte seit Februar 2015 Gespräche mit den Trägern, Zuwendungsgebern und Intendanten über die künftige Finanzierung der Theater und Orchester in Thüringen ab 2017. Aufgrund der Gespräche und Diskussionen hat die TSK am 5. November 2015 das Papier „Perspektive 2025" vorgelegt, in dem ausführlich zu den Ausgangsbedingungen, aber auch Perspektiven der Theater- und Orchesterlandschaft Stellung genommen wird. Darin werden auch Vorschläge zur zukünftigen Struktur als Diskussionsgrundlage vorgelegt. Diese werden einer Fortführung des Status quo zuzüglich allgemeiner Tarifsteigerungen gegenüber gestellt.

Seitdem fand auf verschiedenen Ebenen — öffentliche Diskussionsveranstaltungen, Beratungen mit Beschäftigen, Betriebsräten, Intendanten und weiteren Akteuren, wie z.B. Fördervereinen — ein intensiver Austausch der dargelegten Positionen als Ausdruck partizipativer Kulturpolitik statt. Dieser öffentliche Diskurs wurde im Januar 2016 vorläufig abgeschlossen. Im Rahmen dieser Gespräche zeichnen sich bereits Absprachen zu Strukturverbesserungen (-änderungen) ab, in anderen Fällen wurde der Dialog auch in den konkreten Verhandlungen über die künftigen Finanzierungsvereinbarung fortgesetzt und weiter konkretisiert.

Ziel der Verhandlungen war eine möglichst lange Laufzeit der Finanzierungsvereinbarungen, um damit allen Partnern — sowohl den Zuwendungsgebern Land und den jeweils im Hinblick auf die Theater und Orchester beteiligten Kommunen einerseits, den Theatern und Orchestern, deren Leitungen und vor allem allen dort Beschäftigten — möglichst langfristige Planungssicherheit zu ermöglichen. In den meisten Fällen wird die Laufzeit bis zum 31. Dezember 2024 betragen — in diesem Umfang ist das einmalig in Deutschland! —, allein bei der Vogtland Philharmonie, bei der als Finanzierungspartner auch Sachsen bzw. der angrenzende sächsische Kulturraum beteiligt ist, ist eine Vertragslaufzeit bis Ende 2021 vorgesehen.

Unabhängig davon, wie die künftige Finanzierung der Theater und Orchester im Einzelfall konkret ausgestaltet ist, ist davon auszugehen, dass auch weiterhin solche Kommunen, die sich in  Haushaltsnotlagen befinden, gerade im Bereich der Theater- und Orchesterfinanzierung in Schwierigkeiten geraten können. Diesbezüglich hat das Kabinett beschlossen, dass das TMIK als Rechtsaufsicht dafür Sorge tragen wird, „dass die besondere Situation von Kommunen in Haushaltsnotlage, die Theater und Orchester mitfinanzieren, besondere Berücksichtigung bei der Aufstellung und Genehmigung der Haushalte findet mit dem Ziel, dass diese Kommunen entsprechende Finanzierungsverträge abschließen dürfen."

Übergreifendes Ziel ist der Erhalt der bestehenden produzierenden Theater- und Orchesterstandorte sowie der Erhalt und die weiterhin fruchtbare Nutzbarmachung des künstlerischen Potentials hinsichtlich Vielfalt und Qualität. Bestehende erfolgreiche Kooperationsvereinbarungen und Arbeitsteilungen bei Produktionen zwischen den Standorten werden fortgeführt und vertieft — so wird beispielsweise zwischen dem Theater Erfurt und dem Deutschen Nationaltheater Weimar eine eigene Kooperationsvereinbarung zur Vertiefung und Verfestigung der Zusammenarbeit abgeschlossen, die von einem eigenen Kooperationsgremium begleitet wird. Mit der Zusammenführung der Landeskapelle Eisenach und der bisherigen  Thüringen Philharmonie Gotha zur neuen Thüringen Philharmonie Gotha-Eisenach wird ein Klangkörper entstehen, der in allen beteiligten Kommunen — Stadt Gotha und Landkreis Gotha sowie Stadt Eisenach und Wartburgkreis — mit einer insgesamt verstärkten Besetzung ein abwechslungsreiches hochwertiges Konzertangebot ermöglichen wird. Zugleich wird mit dem Doppelstandort der Thüringen Philharmonie Gotha-Eisenach eine zukunftsfähige Struktur geschaffen, bei der Überhangstellen nicht nachbesetzt werden müssen und Spielräume für tarifliche Verbesserungen entstehen. Darüber hinaus wird es eine engere Kooperation zwischen der Jenaer Philharmonie mit dem Theater Altenburg/Gera geben (s.u.).

Tarifliche Entwicklung
An allen Standorten werden in der Laufzeit der Finanzierungsvereinbarungen — teils erhebliche — tarifliche Verbesserungen ermöglicht, um so die Teilhabe aller Beschäftigten an der allgemeinen Lohn- und Gehaltsentwicklung zu ermöglichen. Bei den Theatern Meiningen, Weimar und Erfurt wird weiterhin die volle Tarifbindung gewährleistet. Landesseitig werden stets mindestens für den Landesanteil an der Finanzierung jährliche Erhöhungen des Zuschusses für die Gehälter des sozialversicherungspflichtig-beschäftigten Personals vorgesehen — in vielen Fällen auch dann, wenn die Kommunen sich nicht bereit erklärt haben, auch ihren Anteil entsprechend zu dynamisieren. In den Beträgen zur institutionellen Förderung ist daher ein prognostizierter Anstieg der Gehälter von bis zu 2,5% enthalten. Das Land wird den Landesanteil an diesem Tarifaufwuchs bei den Theatern und Orchestern mit einem Haustarifvertrag bzw. denen ohne tarifliche Bindung sowie für das Theater Erfurt bis einschließlich 2020 auch für den Fall zahlen, dass die betreffenden kommunalen Träger sich ihrerseits zur entsprechenden Co-Finanzierung außerstande sehen. Die Rückkehr zum Flächentarif kann jedoch aufgrund dieser finanziellen
Rahmenbedingungen nicht an allen Häusern sofort realisiert werden, insbesondere dann, wenn die kommunalen Partner nicht ebenfalls ihre Zuschussanteile erhöhen. Ziel muss es aber weiterhin sein, dass sich Land und Kommunen gleichermaßen um tarifliche Verbesserungen für die Beschäftigten bei den Theatern und Orchestern bemühen. Unabhängig vom unmittelbar bevorstehenden Abschluss der Finanzierungsvereinbarungen vertritt die Landesregierung die Ansicht, die sich grundsätzlich die Landkreise, die zum Verflechtungsraum eines Theater- oder Orchesterstandorts gehören, an der Finanzierung der jeweiligen Kultureinrichtung zu beteiligen haben. Dies kann und sollte mit einem Eintritt in die jeweilige Trägerschaft verbunden sein. Hierzu wird eine Klärung im Rahmen des KFA angestrebt.


2. Finanzielle Auswirkungen

Die Verhandlungen mit den Trägern und Zuwendungsgebern sowie zwischen der Thüringer
Staatskanzlei und dem Thüringer Finanzministerium sind inzwischen im Wesentlichen abgeschlossen. Für den Freistaat Thüringen ergeben sich damit im Haushaltstitel 02 08 686
79 folgende finanzielle Auswirkungen (Stand 26.4.16):


1. für die institutionelle Förderung

in Mio. €
2017 69,73
2018 71,64
2019 73,31
2020 75,07
2021 76.96 und

2. für die Transformationskosten

in Mio. €
2017 0,69
2018: 3,28
2019 3,18
2020 3,05
2021 2,96
2022 2,82
2023 2,51
2024 1,99
2025 1,45

3. davon stehen unter Haushaltsvorbehalt

in Mio. €
2017 1,316
2018 1,122
2019 0,990
2020 0,711
2021 0,420

Während die Beträge der institutionellen Förderung 2018-2021 aus den Verpflichtungsermächtigungen bewilligt werden können, wird für 2017 ergänzend auf deckungsfähige Mittel in Haushaltstitel 02 08 88379 zurückgegriffen. Der Freistaat übernimmt mit dem Haushalt 2018/2019 Transformationskosten. Hierbei handelt es sich um die Finanzierung der Überhangstellen am Theater Altenburg-Gera sowie der zu bildenden Thüringen Philharmonie Gotha-Eisenach, um degressiv ausgestaltete und zeitlich begrenzte Zuweisungen an einzelne Häuser für die Modernisierung technischer Infrastruktur (Weimar, Nordhausen) sowie die Unterstützung von Kooperationsprozessen (Rudolstadt, Jenaer Philharmonie, Staatsballett) bzw. die Herausbildung künstlerischer Profilbildung (Gotha-Eisenach). Ein Teil dieser Mittel wird im Hinblick auf den zur Verfügung stehenden Verpflichtungsrahmen unter Haushaltsvorbehalt gestellt.
Die Finanzierung dieser Transformationskosten erfolgt nicht unter Anrechnung an das Budget des Einzelplans 02. Entsprechende Festlegungen werden im Rahmen der Haushaltsaufstellung für den Haushalt 2018/2019 getroffen.


3. Situation bei den einzelnen Theatern

Theater Eisenach / Landeskapelle Eisenach
Der produzierende Standort wird trotz aller Krisen erhalten mit den Sparten Junges Schauspiel und Ballett sowie mit den Werkstätten; die Profilierung als Kinder- und Jugendtheater wird gefördert. Die zuletzt nur sehr eingeschränkt wirkende Landeskapelle fusioniert mit der Thüringen Philharmonie Gotha: das neue Orchester („Thüringen Philharmonie Gotha-Eisenach", vgl. oben) mit Doppelstandort Gotha/Eisenach ist zugleich dem Theater- wie Konzertorchester und mit einer Anfangsgröße von 75 Musikern. Damit kann immer noch sichergestellt werden, dass alle Aufgaben an den Standorten und in sie umgebenden Kreisen wahrgenommen werden können.
Nach Jahren fehlender Tarifangleichung erhalten alle Beschäftigten einen Haustarifvertrag und deutliche Gehaltsanhebungen auf ca. 83% (jetzt ca. 75%) des Flächentarifs. Zugleich wird der Produktionsaustausch mit Meiningen — Ballett gegen Musiktheater — fortgesetzt. Zusätzlich wird eine Kooperation mit dem Theater Rudolstadt neubegründet, das zukünftig Schauspielproduktionen in Eisenach anbieten wird: Damit ist zugleich ein Anfang des sog. „Kooperationsdreiecks" gemacht, der als Ziel einen institutionell-verfestigten Produktionsaustausch zwischen Eisenach, Rudolstadt und weiteren Standorten beinhalten
könnte.


Thüringen Philharmonie Gotha
Die Fusion der Thüringen Philharmonie Gotha mit der Landeskapelle Eisenach bringt alle Musiker in einen Haustarifvertrag, der finanzielle Verbesserungen beinhaltet (ca. 83% vom Tarif „B"); die Differenz zum Flächentarif wird durch freie Tage kompensiert; weitere tarifliche Verbesserungen sind vorgesehen, wenn die Kommunen sich an deren Finanzierung wieder beteiligen. Das leistungsfähige Orchester wird die Kooperation mit dem Theater Erfurt fortsetzen und sich verstärkt im Bereich der Barockmusik engagieren.


Theater Meiningen
Neben der weiteren Profilierung als repräsentatives Staatstheater im Süden Thüringens wird das Theater Meiningen kleinere Schauspielproduktionen an Bespieltheatern wie Arnstadt, Hildburghausen oder Bad Liebenstein anbieten und damit Theater in diese Regionen tragen.

Weimar und Erfurt
Es ist gelungen, die bereits auf den Weg gebrachte Zusammenarbeit beider Häuser zu institutionalisieren und vertraglich zu fixieren. Dabei geht es neben dem regelmäßigen Produktionsaustausch und Koproduktionen auch darum, Synergien in den Bereichen Marketing, Arbeitssicherheit usw. zu nutzen. Projekte können ab 2018 auf Basis eines gemeinsamen Antrages auch Unterstützung aus einem Kooperationsfonds des Landes erhalten. Die Entwicklung der Kooperationen zwischen beiden Standorten wird durch ein spezielles Kooperationsgremium begleitet; dieser soll die Kooperationen im Hinblick auf Synergien bewerten.
Weimar erhält zusätzliche Zuwendungen (500.000,- EUR ab 2018) zum Ausgleich für die erforderliche Erneuerung der technischen Infrastruktur und für den Produktionsbereich. Die bereits auf den Weg gebrachte Kooperation des Theater Erfurts mit dem Thüringer Staatsballett wird weiterentwickelt und ausgebaut: Dazu wird es u.a. bis zu vierwöchige Präsenzen des Staatsballetts in Erfurt geben.
Das Theater Erfurt wird darüber hinaus die Kooperation mit der Thüringen Philharmonie fortsetzen. 2017 sind € 400.000,- der Landesmittel entsprechend gebunden, ab 2018 € 200.000,- jährlich.


Theater Nordhausen — Loh Orchester Sondershausen
Die bewährte Kooperation mit dem Theater Rudolstadt — Produktionsaustausch von Schauspiel gegen Musiktheater/Ballett — wird fortgesetzt. Das Land stellt zusätzlich jährlich zusätzlich 830.000,- EUR zur Abdeckung eines strukturellen Defizits u.a. im Bereich der technischen Infrastruktur zur Verfügung; zusätzlich werden Mittel für weitere Tarifanpassungen gewährt: hier beteiligen sich auch die Kommunen — z.T. trotz Haushaltsnotlagen — an den Aufwüchsen!


Jenaer Philharmonie
Neben tariflichen Verbesserungen erhält das Orchester Projektmittel (100.000,- EUR jährlich) zur Abdeckung von Kooperationsprojekten mit dem Orchester Altenburg/Gera, dessen Planstellen verringert werden.

 

Theater und Philharmonie Thüringen GmbH Altenburg/Gera
Trotz Haushaltsnotlage der Stadt Gera ist es gelungen, dem Fünfspartenhaus eine sichere Zukunft zu gewährleisten und einen Finanzierungsvertrag bis 2024 zu ermöglichen. Das Theater bleibt damit an den beiden Standorten der wichtigste kulturelle „Versorger" in Ostthüringen. Alle Beschäftigen erhalten die allgemeinen Tarifsteigerungen und weitere Zuwendungen zur Annäherung an den Flächentarif. Mit der Jenaer Philharmonie sollen gemeinsame Großprojekte umgesetzt werden (etwa Open-Air-Konzerte)


Theaterhaus Jena und Theater Waidspeicher
Die beiden kleineren, in ihrem jeweiligen Segment aber besonders profilierten Bühnen erhalten dynamisierte Landeszuweisungen, um Tarifverbesserungen zu ermöglichen; auch hier gilt, dass die Höhe der kommunalen Beteiligung darüber entscheidet, ob die Tariferhöhungen voll abgedeckt werden können und welche Schritte zur Rückkehr an den Flächentarif möglich sein werden.


Vogtlandphilharmonie Greiz / Reichenbach
Auf Wunsch der Kommunen wird der Vertrag hier nur eine Laufzeit bis 2020 haben. Tarifliche Verbesserungen sind möglich, weil alle Zuwendungsgeber einschließlich der sächsischen Partner entsprechende Dynamisierungen vorsehen werden.

Tanz und Ballett
Das Thüringer Staatsballett wird zukünftig landesweit auftreten. Vorgesehen sind bis zu vierwöchige Präsenzen am Theater Erfurt und die Verstetigung der Thüringer Balletttage am Standort Gera. Daneben wird in Gera ein „Eleven-Programm" aufgebaut, das tänzerischen Nachwuchs für das Staatsballett und die anderen Compagnien in Thüringen generieren und ausbilden wird: Dies erfolgt in enger Kooperation mit namhaften Ballettschulen u.a. aus Sachsen. Die anderen Compagnien in Nordhausen und Eisenach werden ihre erfolgreiche Arbeit ebenso fortsetzen.