29.04.2016

Rede anlässlich der Ausstellungseröffnung der Galerie Eigenheim "Martin Mohr & Benedikt Braun"

Lieber Konstantin Beyer,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich danke Ihnen für die Einladung zum Gallery Weekend und zur Ausstellungseröffnung „Martin Mohr und Benedikt Braun“ in der Berliner Dependance der Galerie Eigenheim im Rahmen des Gallery Weekends Berlin.

Parallel zur Ausstellung feiert die Galerie ihr 10-jähriges Bestehen in Weimar. Herzlichen Glückwunsch zu diesem schönen Jubiläum, das auf den ersten Blick klein erscheinen mag!

Beim genaueren Hinsehen zeigt sich jedoch: Hinter diesen 10 Jahren Galerie Eigenheim steht eine Erfolgsgeschichte, die sich nur ermessen lässt, wenn wir uns vergegenwärtigen: In den vergangenen 25 Jahren sind in Thüringen nur wenige kommerziell erfolgreiche Galerien entstanden. Nach wie vor mangelt es dem finanzkräftigen Publikum an Interesse, Kunst zu erwerben. Darüber hinaus fehlt es auch an öffentlichen und privaten Aufträgen, die für eine künstlerische Existenzsicherung von entscheidender Bedeutung sind. In Thüringen hat sich noch kein selbsttragender Kunstmarkt etabliert.

Der Galerie Eigenheim ist für Thüringer Verhältnisse ein echter Kraftakt gelungen: Innerhalb verhältnismäßig kurzer Zeit hat sie eine große öffentliche Präsenz erreicht und durch das Spektrum der ausgestellten Künstlerinnen und Künstler viele Kritiker und Sammler angesprochen. Sie ist eine Institution geworden, die mit Thüringen, der Bauhaus-Universität als Kunsthochschule verbunden wird und im besten Sinne eine Visitenkarte des Freistaates Thüringen und der Stadt Weimar.

Die Galerie Eigenheim zeigt mit großem Erfolg, worin die gesellschaftlichen Funktionen einer Galerie bestehen:

  • nämlich in der Betreuung junger Künstler,
  • in der Gegenüberstellung von unterschiedlichen künstlerischen Ansätzen
  • und im öffentlichen Diskurs über Kunst.

Sie widerlegt damit die unterschwellige Kritik am modernen Kunstbetrieb, wonach Galerien unter den Bedingungen des globalen Hyperkonsums vorwiegend den Schönen und Reichen dieser Welt lediglich Dekoratives für ihr Heim böten bzw. Kunst auf die Funktion als renditestarkes Anlageobjekt zu reduzieren. Die Galerie Eigenheim unterstützt junge Künstlerinnen und Künstler, die künstlerische Eigenständigkeit über Sammlerkonformität stellen.

Über Kreative wird oft leichthin gesagt: Glücklich, wer in Nischen arbeitet und lebt! Was für ein Glück, Herr über seine eigene Zeit zu sein und weniger den Taktvorgaben des Kapitals zu unterliegen! Doch die wenigsten Absolventinnen und Absolventen befinden sich nach dem Studium schon in der komfortablen Situation, auf eigenen Beinen stehen zu können. Für den oft holprigen Übergang vom Studium in den Beruf benötigen sie Unterstützung, ideelle wie finanzielle, um ihre individuelle Formensprache zu finden.

Der Galerie Eigenheim darf ich heute das große Kompliment machen, dass sie einen großen Beitrag dazu leistet, jungen Menschen einen Zugang zum Kunstmarkt zu eröffnen und zugleich deren Freiheit der künstlerischen Äußerung zu wahren. Dafür gilt Konstantin Beyer und seinem Team mein herzlicher Dank.

Was die Galerie Eigenheim für die Kunstszene in Thüringen leistet, ist etwas ganz Wesentliches. Sie ist nicht nur eine Brücke zwischen jungen Künstlern und einem heterogenen Publikum, das an anderen Denkmodellen und am intellektuellen Austausch über Kunst interessiert ist. Sie ist zugleich eine Sehschule, die den Besuchern ermöglicht, sich im autonomen Denken zu üben.

Die Galerie setzt den uniformen Standards der globalen Konsumgesellschaft, die mit unterschiedslosen Industrieartefakten die Welt überschwemmt, widerständige Kunstwerke entgegen. Kunstwerke, die nicht Konformität suchen, sondern von Konfliktbereitschaft leben, die Widerspruch erheben gegen die Verringerung von Komplexität und die Vereinfachung des Denkens. In der Galerie geht es um Diskurs, um Gedankenaustausch und ästhetische Diskussionen, kurzum um eine kritische und autonome Öffentlichkeit, die aus der Beschäftigung mit Kunst Selbsterkenntnis zieht. Genau das brauchen demokratische Gesellschaften: Autonomiespielräume für ihre Mitglieder, ohne die sie nicht wandlungs- und modernisierungsfähig wären.

In diesem Sinne danke ich Ihnen, Herr Beyer und allen Kreativen der Galerie Eigenheim, für Ihre unglaubliche Entdeckungsfreude und die neuen, engagierten Blickweisen, mit der Sie die Thüringer Kunstszene bereichern. Vor einem Jahr eröffneten Sie eine Dependance in Berlin, um Künstlerinnen und Künstler aus Thüringen in einer der angesagten Kunstmetropolen dieser Welt zu vertreten. Das war in großes Wagnis. Ich freue mich sehr über diesen Schritt, weil so ein größeres Publikum Zugang zu unserer einheimischen Kunstszene erhält.

Weiterhin alles Gute und viel Erfolg in Weimar ebenso wie in Berlin.