24.03.2012
Benjamin-Immanuel Hoff in: Forum Wissenschaft, Heft 1/2012, S. 20-23

Wissenschaft geteilt durch Wirtschaft

Der neue rotschwarze Berliner Senat sorgte für bundesweites Aufsehen als er im Koalitionsvertrag die politische Zuständigkeit für Forschung dem traditionellen Wissenschaftsressort entzog und dem CDU-geführten Wirtschaftsressort zuschanzte – ungeachtet dessen, dass in Berlin fast nur in öffentlichen Einrichtungen geforscht wird. Benjamin-Immanuel Hoff zu den Hintergründen dieser Aufspaltung.

Der Politikbetrieb im Land Berlin unterliegt einigen Besonderheiten, die ihn von der Landespolitik in den Flächenländern, aber auch anderen Stadtstaaten unterscheidet. Naturgemäß gehört dazu die häufig nur unscharfe Trennung zwischen Landes- und Kommunalpolitik. Sie gibt vielen Debatten im Abgeordnetenhaus von Berlin einen in gewisser Hinsicht liebenswerten, wenn auch häufig mühseligen Charakter der couleur locale, den das politische Personal durch rhetorische Ausflüge in bundespolitische Nichtzuständigkeiten zu überspielen sucht.

Der bereits von Peer Pasternack skizzierte »unbändige Drang nach politischen Grüßen«[1] spiegelt die andere Seite einer Stadt, die sich grundsätzlich größer fühlt, als sie tatsächlich ist. »Kaum ein Anlass scheint gering genug, um nicht einen Senatsvertreter zu bitten, die Hohe Versammlung namens des Landes willkommen zu heißen. (…) Zumal in Berlin, wo jeder Veranstaltungsort vermeintlich um die Ecke liegt, wird die Absage eines Grußwortes von den Einladenden leicht als Affront empfunden.«[2]

Hinzu kommt die schon traditionelle Diskrepanz zwischen der Höhe der Staatsschulden, die derzeit bei rund 62 Mrd. Euro liegt[3] und der Zahl der Staatssekretär/-innen in den Senatsverwaltungen, wie die Ministerien Berlins heißen. Bereits der zweite rot-rote Senat nahm im Jahre 2006 eine Erhöhung von 16 auf 18 vor und unter der neuen rot-schwarzen Landesregierung stieg deren Zahl auf nunmehr 23 Staatssekretär/-innen.

Zum Vergleich: In Nordrhein-Westfalen leben rund 18 Mio. Einwohner/-innen statt 3,5 Mio. wie in Berlin und der Etat umfasst mit ca. 55 Mrd. Euro[4] ein Volumen, das mehr als 2,5 mal so groß ist wie der des Landes Berlin. Die nordrhein-westfälische Landesregierung ist in der Lage, ihre Aufgaben mit durchschnittlich 1,4 Staatssekretär/-innen zu gewährleisten, während in Berlin pro Ressort 2,5 dieser Spitzenbeamt/-innen benötigt werden. In Anspielung auf die die von schwarz-rot beschlossene Abschaffung des gemeinwohlorientierten Öffentlich-geförderten Beschäftigungssektors (ÖBS) kritisierte LINKEN-Landeschef Klaus Lederer die jüngste Zunahme der Staatssekretärs-Posten mit den Worten, der Senat führe »einen neuen öffentlichen Beschäftigungssektor ein - für verdiente Parteimitglieder«.[5]

Versorgung von Parteimitgliedern

Während diese Eigenheiten Berlins im Bundesgebiet gemeinhin mit einem gewissen Achselzucken zur Kenntnis genommen werden, hat die Entscheidung der rot-schwarzen Koalitionäre, die bisherige Zuständigkeit im Wissenschaftsressort aufzuteilen in einen Bereich Wissenschaft, den wie bisher die SPD verantwortet, und einen Bereich Forschung, der in die neu geschaffene und CDU-geführte Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung überführt wird[6], bundesweit Aufsehen und Kritik erregt.

Koalitionsvereinbarungen haben, so stellten bereits 1998 Sabine Kropp und Roland Sturm im Standardwerk »Koalitionen und Koalitionsvereinbarungen«[7] fest, »den Zweck, ein Regierungsbündnis – aufgrund welcher Motive der Partner es auch immer entstehen mag – für die Dauer einer Legislaturperiode zusammenzuschweißen. Sie enthalten damit Aussagen, die Aufschluss darüber geben, warum Parteien eine Regierung bilden und nach welcher Logik sie regieren«.[8]

Nachfolgend soll in diesem Sinne ein kurzer Rückblick auf die Entstehungsgeschichte der neuerlichen Großen Koalition in Berlin geworfen werden. Eine Konstellation, die noch nach der Wahl für weitgehend ausgeschlossen gehalten wurde, und doch ein Abbild der politischen Immobilität Berlins und ihrer Sozialdemokratie ist. Daran schließt sich eine genauere Betrachtung der bundesweit einmaligen Trennung des Wissenschaftsressorts in Hochschulen und Universitätsmedizin einerseits sowie außeruniversitäre Forschungseinrichtungen andererseits an.

Mit der Abgeordnetenhauswahl 2011 endete die seit 2001 amtierende rot-rote Koalition. Die Wowereit-SPD wurde auf vergleichsweise schwachem Niveau aber als deutlich stärkste Kraft bestätigt, während die Grünen mit rund 17% der Stimmen ihr bislang bestes Berliner Ergebnis erreichten. Dieses lag jedoch deutlich unterhalb der zwischen März und Mai 2011 in Umfragen erreichten Werte von 28% bis 31%[9] und daraus gespeisten Hoffnungen, nach Baden-Württemberg in Berlin den zweiten Regierungschef stellen zu können. So wurde der höchste Berliner Wahlsieg der Grünen in der kollektiven Wahrnehmung zu einer Niederlage von Renate Künast, mit entsprechenden Wirkungen auf die Selbstwahrnehmung und Binnenkonflikte der früheren Alternativen Liste (AL).

Scheitern auf der Autobahn

Die Bedeutung einer Regierungsbeteiligung darf für die Grünen in Berlin nicht unterschätzt werden, denn es gehört zu den Paradoxien des föderalen Parteien- und Wahlsystems in Deutschland, dass die AL bzw. die Grünen in Berlin zwar seit 1981 ununterbrochen dem Abgeordnetenhaus von Berlin angehören, seit 1985 bei Wahlen um die zehn Prozent und mehr erreichen und dennoch bislang gerade einmal knapp eineinhalb Jahre dem Berliner Senat angehörten. Dem Momper-Senat 1989/90 und dem Wowereit-Übergangskabinett 2001.[10]

Nun endlich sollte es klappen, doch die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Grünen standen auch 2011 unter keinem guten Stern. Der Konflikt um die Verlängerung eines rund 3 km langen innerstädtischen Autobahnteilstücks wurde seitens der Grünen zur Grundsatzentscheidung und von der SPD zur Machtfrage erhoben. Die im Anschluss an ungewöhnlich komplizierte Sondierungsgespräche begonnenen Koalitionsverhandlungen wurden letztlich nach exakt 60 Minuten abgebrochen und ein Zusammengehen für unmöglich erklärt.

Da insbesondere Klaus Wowereit ein energischer Vertreter der in Deutschland für gewöhnlich historisch begründeten Abneigung gegen vermeintlich instabile Minderheitskabinette ist und auch Drei-Parteien-Koalitionen seitens der SPD in Berlin nicht geschätzt werden, entstand in Folge der gescheiterten rot-grünen Bündnisgespräche die ungewöhnliche Situation, dass zwar SPD, Grüne, LINKE und Piraten insgesamt 110 von 149 Mandaten im Parlament auf sich vereinigen und 66,5% der Zweitstimmen repräsentieren, gleichwohl SPD und CDU die Landesregierung stellen.

Die Berliner CDU ging in die für sie vollkommen überraschenden Regierungsgespräche – den Spitzenkandidaten der Union und heutigen Innensenator überraschte die Nachricht im Urlaub[11] – ohne größere Vorbereitung und vor allem vom Willen getragen, diese einmalige Chance auf eine Beteiligung am Berliner Senat nicht durch eigenes Handeln in Frage zu stellen. Im Ergebnis seien beide Koalitionspartner, wie Berliner Kommentatoren bei der Betrachtung des ausgehandelten Koalitionsvertrages meinten, mit »notarieller Leidenschaftslosigkeit (…) nach der minimalinvasiven Methode verfahren, die auf der einen Seite möglichst schmerzfrei nehmen und auf der anderen Seite dezente Wohltaten möglich machen soll«.[12]

Dem darf widersprochen werden. Schon die Abschaffung des von der LINKEN initiierten Öffentlich geförderten Beschäftigungssektors (ÖBS) für rund 7.000 schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose in Berlin, die mit diesem Programm erstmals seit Jahren wieder in eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit gekommen waren, bedeutet für diese Personen die erneute Arbeitslosigkeit. Doch auch die willkürliche Aufspaltung des Wissenschaftsressorts ist weniger eine Minimalinvasion sondern vielmehr eine äußerst kontraproduktive Operation am offenen Herzen der Berliner Wissenschaftslandschaft.

Entscheidung im Morgengrauen

Zuständig für alle Berliner Hochschulen einschließlich der Charité – Universitätsmedizin Berlin sowie der vom ausgeschiedenen Senator Jürgen Zöllner gegründeten Einstein-Stiftung ist die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft unter der Leitung der Senatorin Sandra Scheeres (SPD).

Die Zuständigkeit für die außeruniversitären Forschungseinrichtungen, die Forschungsförderung, die Angelegenheiten der wissenschaftlichen Infrastruktur, Wissenschaftstransfer, die internationalen Angelegenheiten in der Forschung ressortieren hingegen künftig in der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung unter der parteilosen aber von der CDU benannten Senatorin Sybille von Obernitz, die zuvor beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag tätig und an den Koalitionsverhandlungen nicht beteiligt war.

Die CDU hatte ursprünglich anderes im Sinn. Sie bestand noch in der Abschlussrunde der Koalitionsverhandlungen, bei der in Berlin traditionell erst in den frühen Morgenstunden die Ressortfestlegungen getroffen werden, darauf, alle Schwergewichte der Forschung in dem ihr zufallenden Wirtschaftsressort zu bündeln. Dies hätte bedeutet, dass allein die Hochschulen beim Wissenschaftsressort verblieben wären, während die Charité und die Einstein-Stiftung nebst Akademie der Wissenschaften Berlin-Brandenburg zum Wirtschaftsressort gewechselt wären.

Eine Verbesserung hätte sich daraus nicht ergeben – ganz im Gegenteil. So ist die Charité die medizinische Fakultät sowohl der Humboldt-Universität Berlin als auch der Freien Universität und folglich mit beiden auf das Engste verbunden. Die Einstein-Stiftung wiederum wurde durch Senator Zöllner ins Leben gerufen, um die Forschung der Berliner Universitäten zu fördern. Dass Patronagewirtschaft und Verstöße gegen das Haushaltsrecht, die vom Landesrechnungshof Berlin bemängelt[13] und im Abgeordnetenhaus ausführlich debattiert wurden, den Start der Einstein-Stiftung erschwerten, spricht nicht gegen die damit verbundene Grundüberlegung.

Die Motivation der CDU, diese willkürlich anmutende Aufgabentrennung vorzunehmen liegt also im Wesentlichen darin begründet, dass gerade in der Landespolitik, wo »viele, an Zuständigkeiten bunt zusammengemischte ‚Schrägstrich-Ministerien‘ existieren (…) der Ressortzuschnitt eine gewichtige Rolle in der Koalitionsarithmetik spielt, da die Zahl der Ministerien nicht beliebig erhöht werden kann«[14]. Die Ressortzuschnitte zeigen, so Kropp/Sturm, nicht zuletzt den Gewinn der eine Koalition bildenden Parteien an.

Im konkreten Fall war von Beginn an seitens der SPD deutlich gemacht worden, dass die Arbeitsmarktpolitik – die erst 2006 aus dem Wirtschaftsressort herausgelöst wurde, nachdem sie 2001 dort implementiert worden war – in ihrem Einflussbereich verbleibt, um das Rückgrat des um den Sozialbereich verkleinerten sowie um die Zuständigkeit für Frauen und Gleichstellung erweiterten Integrationsressorts zu bilden. Für die selbst ernannte konservative Wirtschaftspartei verblieb damit nur ein Schrumpf- statt des erhofften Superressorts.

Umso unverständlicher, dass es die CDU trotz dessen versäumte, z.B. durch Re-Etablierung der 2001 abgeschafften und davor zur klassischen CDU-Domäne gehörenden Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur eine eigene Handschrift zu entwickeln. Dass sie sich im Ergebnis dessen damit begnügen musste, die Krumen der Koalitionsverhandlungen aufzulesen und zu Goldstaub zu erklären, liegt auf der Hand.

Fehlsteuerung der Innovationspolitik

Die euphemistische Erzählung von der Stärkung der Berliner Wissenschaft wollte jedoch nicht so richtig wirken, da Beobachter der Koalitionsverhandlungen darlegen konnten, dass die Aufteilung der Wissenschaft auf zwei Senatsressorts weder inhaltlich motiviert war noch der Stärkung der Wissenschaftslandschaft dienen sollte.

Bereits vor der Wahl hatte Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) mehrere Millionen Euro Bundeshilfe für die gemeinsam mit Jürgen Zöllner verabredete Fusion der Charité mit dem für Berlin äußerst bedeutsamen molekularmedizinischen Max-Delbrück-Centrum (MDC) in Aussicht gestellt. Die Berliner CDU beabsichtigte nun, durch fachliche Zuständigkeit für diese Einrichtungen aus dieser Entwicklung politisches Kapital zu schlagen. In seiner Berichterstattung zu diesem Sachverhalt offenbarte der Tagesspiegel eine für Berlin nicht untypische Denke früherer schwarz-roter Koalitionen, die sich offensichtlich in der Union bis heute gehalten hat und in der öffentliche Unternehmen oder Wissenschaftseinrichtungen faktisch zwischen den Koalitionspartnern wie Parteieigentum aufgeteilt werden: »Dem Eindruck, die Union wolle auf einen fahrenden Zug aufspringen, den vor allem Zöllner ins Rollen gebracht hat, wird widersprochen: ›Wir haben auch wesentlichen Anteil, dass die Fusion zustande kommt.‹ Daher habe man ›einen Anspruch auf die Charité‹.« Der Tagesspiegel schließt lakonisch mit der Feststellung: »Diesen Anspruch muss die CDU nun fallen lassen.«[15]

Grundsätzlich könnte eingewendet werden, dass eine Fehlsteuerung der Technologie- und Innovationspolitik unter Großen Koalitionen in Berlin nicht ungewöhnlich ist. Zwischen 1995 und 1999 war die Technologiepolitik beispielsweise gar auf drei Ressorts verteilt und zwar das Wissenschafts-, das Stadtentwicklungs- und das Wirtschaftsressort. Doch war es die Große Koalition selbst, die nach 1999 dieses Defizit korrigierte und angesichts miserabler Bewertungen der Berliner Innovationspolitik eine Bündelung und verstärkte Steuerung der technologischen Kompetenzfelder vornahm.[16]

In einem Brief an den Regierenden Bürgermeister Wowereit und den CDU-Verhandlungsführer Henkel[17], der vom Vorstandsvorsitzenden des MDC initiiert wurde und dem sich die Spitzen der wesentlichen außeruniversitären Forschungseinrichtungen der Max-Planck-Gesellschaft, der Helmholtz-Gemeinschaft und der Leibnitz-Gemeinschaft, aber auch die Präsidenten der Berliner Universitäten anschlossen, verweisen die Unterzeichner zutreffend darauf, dass seit Humboldt die Wissenschaft aus der Einheit von Forschung und Lehre besteht. Die Trennung von außeruniversitärer Forschung und den Hochschulen bezeichnen sie daher als »wissenschaftlich inadäquat und wissenschaftsstrategisch unzeitgemäß.«[18], zumal die wissenschafts- und bildungspolitische Entwicklung der vergangenen Jahre auf allen föderalen Ebenen auf die verstärkte Verknüpfung von außeruniversitärer Forschung und Hochschulforschung ausgerichtet ist.

Nicht abgeneigt, aber stratiegielos

Die Unterzeichner thematisieren in ihrem Brief neben einer Schwächung der Berliner Interessenvertretung in den Wissenschaftsgremien auf Bundesebene und einer Verlängerung der Abstimmungsprozesse zwischen zwei Senatsverwaltungen, die zudem unterschiedliche Koalitionsfarben tragen, auch die Befürchtung, dass mit der geplanten »Zuordnung der Forschung in den Bereich Wirtschaft und Technologie (…) die direkte wirtschaftliche Umsetzbarkeit von Forschungsergebnissen die Bedeutung der gerade in Berlin breit aufgestellten und sehr erfolgreichen Grundlagenforschung in den Hintergrund drängt«.[19]

Diese Befürchtungen sind nicht von der Hand zu weisen. Während die Industrieforschung in Berlin vergleichsweise schwach vertreten ist, spielt öffentliche Forschung in der Hauptstadt eine sehr starke Rolle. 2,151 Mrd. Euro wurden 2009 in diesem Sektor ausgegeben, 17.642 Personen waren in Hochschulen und staatlichen Forschungseinrichtungen tätig. Dies entspricht 60% der gesamten FuE-Ressourcen der Hauptstadt; im Bundesdurchschnitt liegt dieser Anteil bei rund 40%.[20] Nach im Dezember 2011 veröffentlichen Angaben der Technologiestiftung Berlin (TSB), wurden die Kapazitäten für öffentliche Forschung in Berlin zwischen 2007 und 2009 deutlich ausgeweitet, 1.560 Forscher/-innen neu eingestellt und die Aufwendungen wuchsen um 290 Mio. Euro, was einem Anstieg von 17,3% bei den Sachausgaben und 9,7% beim Personal entspricht.[21]

Der schwarz-roten Koalition eine Strategie der generellen Ökonomisierung von Bildung, Wissenschaft und Forschung im Sinne eines ›großen Plans‹ unterstellen zu wollen, ginge gleichwohl zu weit. Nicht, weil die betreffenden Akteure einem solchen Vorhaben grundsätzlich abgeneigt wären. Im Gegenteil, die beiden Unternehmer im Senat, der Fischgroßhändler und Finanzsenator Nußbaum, der Multimillionär und Justizsenator Heilmann sowie die Wirtschaftssenatorin von Obernitz dürften wenig ideologische Vorbehalte gegen eine solche Absicht haben. Vielmehr setzt ein Strategiewechsel eine grundsätzliche und langfristige Orientierung voraus, die SPD und CDU bei ihrem Regierungshandeln, das durch »Tagespolitik im Rahmen des großen Finanzierungsvorbehalts«[22] geprägt ist, nicht bereit sind zu entfalten.

Die widersinnige Trennung von Hochschulen und Forschung ist folglich ein unglücklicher Fall von selbstbezogener Koalitionsarithmetik, von dem zu hoffen bleibt, dass er bis zur Korrektur im Zuge der nächsten Senatsbildung spätestens im Jahre 2016 nicht allzu viel Schaden in der Berliner Wissenschaftslandschaft anrichten wird.

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Benjamin-Immanuel Hoff (*1976) gehörte zwischen 2006 und 2011 dem Senat von Berlin als Staatssekretär für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz an. Er ist Honorarprofessor an der Alice-Salomon-Hochschule Berlin und Geschäftsführer von MehrWertConsult.


[1] Peer Pasternack 2005: Politik als Besuch. Ein wissenschaftspolitischer Feldreport aus Berlin, Bielefeld, S. 51.

[2] Pasternack 2005, ebd.

[3] Senat von Berlin 2011, Haushalt und Finanzen Berlin. Ein Überblick, http://www.berlin.de/imperia/md/content/senatsverwaltungen/finanzen/haushalt/haushalt_und_finanzen_berlins._ein___berblick_mai_2011.pdf. Zugriff am 17.01.2012.

[4] Landesregierung NRW 2011, Finanzplanung 2011 bis 2015 mit Finanzbericht 2012 des Landes Nordrhein-Westfalen, LT-Drs. 15/3401, S. 19. Zugriff am 17.01.2012.

[5] http://www.rbb-online.de/nachrichten/politik/2011_12/senat_beruft_neue_staatssekretaere.html. Zugriff am 17.01.2012.

[6] Koalitionsvereinbarung zwischen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) Landesverband Berlin und der Christlich Demokratischen Union (CDU) Landesverband Berlin für die Legislaturperiode 2011-2016

[7] Sabine Kropp/Roland Sturm 1998, Koalitionen und Koalitionsvereinbarungen. Theorie, Analyse und Dokumentation, Opladen

[8] Kropp/Sturm 1998, a.a.O., S. 13.

[9] http://www.wahlrecht.de/umfragen/landtage/berlin.htm. Zugriff am 17.01.2012.

[10] Benjamin-Immanuel Hoff/Horst Kahrs 2011, Die Ergebnisse der Abgeordnetenhauswahl vom 18. September 2011. Wahlnachtbericht und erste Analyse, S. 25, http://wahlanalysen.files.wordpress.com/2011/09/2011_be_ltw_wahlnachtbericht.pdf

[11] http://www.taz.de/!79404/. Zugriff am 17.01.2012.

[12] Bernd Matthies, Rot-Schwarz geht minimalinvasiv an die Arbeit, Tagesspiegel vom 16.11.2011.

[13] Rechnungshof von Berlin 2011, Bericht gemäß § 99 LHO über die Prüfung der »Einstein Stiftung Berlin«.

[14] Kropp/Sturm 1998, a.a.O., S. 32.

[15] Anja Kühne/Tilmann Warnecke/Amory Burchard, Wissenschaft im neuen Senat. Eine Mauer durch die Forschung, in: Tagesspiegel vom 17.11.2011.

[16] Vgl. Benjamin-Immanuel Hoff, 2005: Schwierigkeiten und Herausforderungen Berliner Innovationspolitik, in: ders./Harald Wolf, Berlin – Innovationen für den Sanierungsfall, Wiesbaden, S. 61f.

[17] Vgl. „Der Brief der Wissenschaftler an Wowereit und Henkel“ – Dokumentation im Tagesspiegel vom 24.11.2011.

[18] „Der Brief der Wissenschaftler an Wowereit und Henkel“, ebd.

[19] „Der Brief der Wissenschaftler an Wowereit und Henkel“, ebd.

[20] Technologiestiftung Berlin (TSB) 2011, Forschung und Entwicklung in Berlin. Woher das neue Wissen kommt, S. 12

[21] TSB 2011, a.a.O., S. 14.

[22] Matthies, ebd.