21.02.2018

Gut vorbereitet. Kulturgutschutz und Notfallverbünde in Thüringen

25 Jahre Th

Erschienen in: Hoff, Benjamin-Immanuel, Gut vorbereitet. Kulturgutschutz und Notfallverbünde in Thüringen, in: Politik und Kultur, 2/2018, S.8, abrufbar hier.

 

Steht vor dem Stadtschloss Weimar ein Löschzug mit Blaulicht, rollen Feuerwehrleute Schläuche aus und ist der Vorplatz weiträumig abgesperrt, stockt kurz das Herz. Es werden Erinnerungen wach: Der verheerende Brand der Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek (HAAB) am 2. September 2004 zerstörte rund 50.000 Bücher und 35 Kunstwerke für immer. Weitere 62.000 Bücher und das Bibliotheksgebäude selbst wurden stark beschädigt. Knapp zehn Jahre später lösen Schweißarbeiten am gerade aufwendig sanierten Schloss Ehrenstein im Thüringer Landkreis Gotha einen Brand aus. Der Schaden umfasst zehn Millionen Euro. Läuft man im Lichte dieser Erfahrungen zu einem der Löschfahrzeuge um sich nach dem Anlass zu erkundigen und einer der Feuerwehrleute sagt beruhigend: „Hallo Herr Minister, Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Das hier ist nur eine Übung!“, fällt ein großer Stein vom Herzen. Der inzwischen seit mehr als zehn Jahren hervorragend aufgestellte »Notfallverbund Weimarer Kultureinrichtungen«, der nicht nur in Thüringen, sondern bundesweit als Vorbild gilt, organisiert regelmäßig solche Schadens-Simulationen, an denen häufig auch Partner aus Nicht-Weimarer Kultureinrichtungen teilnehmen.

Zwar geht die Gründung des Notfallverbundes wesentlich auf die Erfahrungen des Schreckensnacht des Anna-Amalia-Brandes zurück, doch reichen die Überlegungen zum Kulturgutschutz weiter und umfassen ein größeres Set an Aktivitäten. Die Schadensereignisse des Elbe-Hochwassers von 2002, der HAAB-Brand 2004, der Einsturz des Kölner Stadtarchivs im März 2009, die Hochwasser von 2010 und 2013 oder der Ehrensteiner-Schlossbrand 2016 machten die ersten zwei Jahrzehnte des 21. Jahrhunderts zu »decennia horribile«. Deutlich wurde, dass es eine Standardkrise genauso wenig gibt wie einen sicheren Krisenschutz. Jedes Krisenereignis unterliegt einer eigenen Logik, speist sich aus lokalen Merkmalen und Voraussetzungen, die nicht beliebig übertragbar sind.
Gleichwohl ist es möglich, Krisen in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen mit gezieltem Krisenmanagement zu bewältigen oder wenigstens das Krisenrisiko zu minimieren. Zu einer professionellen Krisenprävention gehören Schulungen für alle verantwortlich Beteiligten sowie die regelmäßige Simulation von Szenarien – so wie am Weimarer Schloss.

Die Thüringer Landesregierung hat das Gespräch mit Kommunen und Kulturverbänden gesucht, um die Rahmenbedingungen für den Kulturgutschutz zu verbessern. Schnell wurde deutlich, dass gut gemeint oft nicht gut gemacht ist und zu Fehlallokationen beim Mitteleinsatz führt. An jedem Museum und Theater einen Notfallcontainer aufzustellen ist kostspielig, wartungsintensiv und läuft oft ins Leere. Enge Kooperation hingegen mit der Feuerwehr, Investitionen in die bauliche Unterhaltung, die Denkmalpflege und Kulturgutdigitalisierung sind langfristige Instrumente, die wirksam sind.

Mit dem Doppelhaushalt 2018/2019 werden nicht nur die Investitionen in die Kulturbauten spürbar erhöht, sondern auf gemeinsames Betreiben der für Kultur zuständigen Staatskanzlei und des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales die Rahmenbedingungen für den Zusammenschluss kultureller Einrichtungen mit den Gebietskörperschaften zu Notfallverbünden verbessert. Dazu werden ein Feuerwehrsonderfahrzeug und vier Sätze mit jeweils neun Notfallcontainern, die in den Regionen West-Eisenach, Süd-Meiningen, Ost-Altenburg, Nord-Nordhausen geplant sind und – wie bereits für die Region Mitte-Weimar geschehen – bei den städtischen Feuerwehren angesiedelt werden, angeschafft. Auf die Frage, ob diese Ausstattung ausreichend sei lautete die erfahrene Antwort der Feuerwehr - ein Spezialfahrzeug, gut gewartet, ist in Thüringen immer dann rechtzeitig vor Ort, wenn das Schadensereignis soweit reguliert ist, dass mit dem Kulturgutschutz überhaupt begonnen werden kann. Die Notfallcontainer werden sämtlichen Kultureinrichtungen in den entsprechenden Regionen zur Verfügung stehen. Die Kosten für die Notfallcontainer in Höhe von etwa 25.000 Euro pro Satz fördert die Staatskanzlei zu einhundert Prozent. Die Finanzierung des Sonderfahrzeuges bei der Feuerwehr in Weimar, das im Schadensfall durch z.B. Feuer oder Wasser Notfallcontainer an den Schadensort bringt und geborgenes Kulturgut verlädt oder transportiert, erfolgt ebenso durch das Innenministerium. Die Kosten für den LKW mit Spezialaufbau, der zusätzlich über eine Kühlung für den sachgerechten Transport z.B. nasser Bücher verfügt, liegen bei rund 100.000 Euro. Die Stadt Weimar wird das »Kompetenzzentrum Kulturgutschutz« für die Notfallverbünde werden.
Zur Absicherung und Unterstützung werden die Thüringer Staatskanzlei und das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales darüber hinaus mit dem Gemeinde- und Städtebund Thüringen, dem Thüringischen Landkreistag sowie dem Thüringer Kulturrat eine Vereinbarung treffen, in der die Beteiligten ihre Unterstützung an der Notfallplanung im Kulturbereich zusichern. Fortbildungen, Trainings und der interdisziplinäre Austausch zwischen Archiven, Museen und Theatern mit den Rettungskräften können erfahrungsgemäß Krisen nicht verhindern aber helfen, sie immer besser zu bewältigen.