05.05.2017

Rede zur Fortsetzung der Arbeit der drei Außenstellen der Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen in Thüringen im Rahmen eines Gedenkstättenkonzeptes

Rede zum Antrag der Fraktion der CDU am 4. Mai 2017

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, in den Redebeiträgen aller Fraktionen, die gesprochen haben, ist ja ein sehr großes Rad gedreht worden. Ich will versuchen, es auf den unmittelbaren Kern dessen, was wir hier diskutieren, zurückzuführen, und auch die Anträge, die in diesem Zusammenhang zu diskutieren sind, mit aufrufen. Vergegenwärtigen wir uns noch mal, worüber eigentlich geredet wird. Wir haben drei BStU-Außenstellen und wir als Freistaat Thüringen wollen, dass alle drei BStU-Außenstellen erhalten werden.

Das ist der Ausgangspunkt und das ist das, was das politische Ziel dieser Landesregierung ist, zu dem uns der Landtag mit einem einmütigen Votum aufgefordert hat. Und dieses einmütige Votum des Landtags setzen wir als Landesregierung in Gesprächen mit der Bundesregierung, dem Bundesbeauftragten um. Frau Dr. Winter ist eine energische Vertreterin dieser Position. Aus diesem Grunde haben wir mit anderen mitteldeutschen Ländern eine Bundesratsinitiative gestartet, die allein aus den ostdeutschen Ländern heraus keine Mehrheit gefunden hätte, das heißt also, wir brauchten eine große Gruppe von Ländern, um die Mehrheit im Bundesrat für eine solche Initiative zu bekommen. Es war am 10. Februar 2017, an dem auch der Bundesrat diesen Entschließungsantrag gefasst hat, der von den mitteldeutschen Ländern eingebracht wurde, diese Außenstellen zu erhalten. Auch in diesem Sinne die Umsetzung der politischen Forderung des klaren politischen Auftrag dieses Landtags. Herr Kellner, natürlich ist es so. Wir haben den Auftrag von Ihnen auch bekommen, diese BStU-Außenstellen zu erhalten. Aber natürlich muss man sich auch darauf vorbereiten, wenn sich durch Entscheidungen des Bundes, die wir nicht herbeiführen, sondern die der Bund herbeiführt, die Notwendigkeit ergibt, andere Standorte in die Diskussion zu nehmen. Ich sage Ihnen aber auch, was mich – weshalb ich auch vorhin einen Zwischenruf gemacht habe – an Ihrem Beitrag geärgert hat, ist, dass Sie insinuieren, dass sich die anderen ostdeutschen Länder quasi von der gemeinsamen Entschließung des Bundesrats entfernt hätten, das heißt, nicht mehr die Forderung aufrecht erhalten, dass alle BStU-Außenstellen erhalten bleiben und sich deshalb schon mit dem Bundesbeauftragten darauf verständigt hätten, wie die künftige Ein-Standort-Lösung in jedem Bundesland aussieht. Das ist einfach falsch. Es ärgert mich, dass Sie diesen Eindruck erwecken, indem Sie hier sagen: Thüringen beharrt auf seine drei Standorte und die anderen haben aber schon Alternativstandorte vorgeschlagen. – Das ist so nicht richtig. Ich finde, dass dieser Versuch, die ostdeutschen Länder an dieser Stelle auseinanderzutreiben, ein wirklich fataler Effekt ist, und dass das auch das Gegenteil von dem ist, was der ursprüngliche Antrag und Auftrag dieses Landtags an uns war. Aus diesem Grund kann ich Ihnen versichern, dass, sollte sich der Bund der Bundesratsinitiative nicht in dem Sinne anschließen, dass die drei Außenstellen erhalten werden, Sie sicher sein können, dass wir auch an dieser Stelle die Interessen des Freistaats wahrnehmen. Aber unser Auftrag ist und bleibt weiterhin, uns dafür einzusetzen, dass es drei BStU-Außenstellen gibt. Punkt.

Ich hätte mich gefreut, wenn dies in jeder Antragslage, ob es nun eine gemeinsame oder eine getrennte Antragslage ist, klar deutlich geworden wäre. Da gibt es einen Antrag von den Koalitionsfraktionen, der macht diesen Auftrag für uns weiterhin deutlich. Es gibt einen anderen Antrag, der sich davon absetzt. Daran ist nichts zu löten. Dieser Antrag der CDU-Fraktion entbindet uns von dem Auftrag, uns für die drei Außenstellen einzusetzen. Ich finde, das ist ein Schritt zurück, und deshalb würde ich alle Abgeordneten bitten wollen, uns weiterhin an den Auftrag zu binden, uns für diese drei Außenstellen einzusetzen. Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt: Sie fordern ein Gedenkstättenkonzept. Ihr Antrag ist vom 22. Februar. Sie wollen

in einem Antrag, der am 22. Februar das erste Mal im Plenum aufgerufen wird, dass die Landesregierung am 31. Mai dieses Jahres eine Gedenkstättenkonzeption vorlegt. Ich muss ehrlich sagen, das ist wirklich fatal. Das ist aus meiner Sicht deshalb fatal, weil es die Arbeit der Historikerkommission aus dem Jahr 2010 und zu der Gedenkstättenkonzeption meines Vorgängers Christoph Matschie wirklich entwertet. Die Professoren – ich will sie noch mal nennen: Prof. Knigge, Prof. Maser, Prof. Eckert, Prof. Henke, Dr. Kaminsky, Prof. Wentker – haben in fünf zweitägigen Sitzungen zusammengesessen, haben die Arbeitsergebnisse des Geschichtsverbundes einbezogen. Sie haben sich Gedenkorte angeschaut, haben diese besucht, haben Gespräche mit Initiativen geführt. Das war richtig Aufwand, wie halt eine Kommission arbeitet.

Also da sage ich noch mal: Was ist tatsächlich der Anspruch, den Sie als CDU-Fraktion an uns als Landesregierung richten, eine Gedenkstättenkonzeption vorzulegen – ein Top-Down-Papier, fünf Seiten als Gedenkstättenkonzeption? Das sind Initiativen, das sind Mahnmale, das sind Gedenkstätten, die wirklich intensiv arbeiten. Sie haben einen Anspruch darauf, dass die Landesregierung eine Gedenkstättenkonzeption mit ihnen in einem diskursiven Austausch, in einem Erfahrungsaustausch, in einem partizipativen Verfahren diskutiert. Sollen wir denen eine Gedenkstättenkonzeption aufpfropfen innerhalb von acht Wochen? Das kann nicht der Ernst der CDU-Fraktion sein.

Insofern hadere ich tatsächlich mit dem Begriff der Gedenkstättenkonzeption, den Sie ansetzen. Denn wir müssen uns noch mal vergegenwärtigen: Wir haben ein Netz von Gedenkstätten, Museen, Mahnmalen zur Erinnerung und zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Da geht es darum, dass materielle, ästhetische, pädagogische, wissenschaftliche, hermeneutische Dimensionen so aufeinander bezogen werden, dass über das Vergangene aufgeklärt werden kann, dass es die Möglichkeit gibt, dass über das Was und Wie der Unterdrückung und Bespitzelung an Orten der Täter und gleichzeitig über das Warum aufgeklärt wird, und damit sich diese Gedenkstättenkonzeption in ein Netz der Demokratiebildung einbettet. Das ist das, was wir wollen mit Gedenkstättenarbeit. Dass wir uns heute schon in einer Gedenkstättenkonzeption darüber Gedanken machen, wie wir die Erfahrungen aus den NS-Gedenkstätten, wo wir über eine Gedenkstättenarbeit nachdenken nach dem Ableben der Zeitzeugen. Uns gehen auch bezogen auf die Lager, die es nach dem Zweiten Weltkrieg gegeben hat, die Zeitzeugen verloren, weil sie aus Altersgründen sterben. Wie wir diese Zeitabschnitte in Betracht ziehen, wie wir dort eine entsprechende Didaktik der DDR- und SED-Aufarbeitungsstätten machen – diese Arbeit ist eine Gedenkstättenkonzeption. Das kann man nicht in acht Wochen machen.

Insofern sage ich: Sie wissen, lieber Herr Kellner, wir erarbeiten derzeit eine Museumskonzeption. In die Museumskonzeption fließen die Grenzmuseen ein, da fließt aber natürlich auch die Arbeit von den Gedenkstätten ein – von den Gedenkstätten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und den NS-Gedenkstätten. Auf dieser Grundlage des Museumskonzepts und der Einbettung dieser Gedenkstättenarbeit darüber nachzudenken, was wir im Ausschuss übrigens diskutiert hatten, und zwar anhand des Grenzmuseums Mödlareuth, dass wir gesagt haben, gibt es möglicherweise auch Anpassungsbedarf aus der Historikerkommission, nachdem jetzt einige Jahre vergangen sind.

Aber ich bin noch mal dafür und komme damit zum Ende: Standortsicherung unserer BStU-Außenstellen ist das vordringliche Ziel. Sollte sich dieses Konzept nicht umsetzen, dann müssen wir über eine Alternativkonzeption nachdenken. Und da werden wir uns natürlich auch mit den anderen ostdeutschen Ländern abstimmen, und das tun wir auch sehr intensiv.

Und das Dritte ist: Zuerst das Museumskonzept und auf der Grundlage dann diskutieren, ob es tatsächlich hier im Parlament auch im Zusammenhang derjenigen, die sich der Aufarbeitung der SED-Diktatur als Sprecherinnen und Sprecher für dieses Politikfeld verpflichtet fühlen, auch eine gemeinsame Verständigung darüber gibt, die Gedenkstättenkonzeption, die ja schon vorliegt, anzufassen, anzupassen und neu aufzustellen – aber dann in einer richtigen, auch ernsthaft gemeinten Arbeit einer Gedenkstättenkonzeption, die Expertinnen- und Expertenarbeit ist.

Vielen Dank.