19.02.2017

Rede zum Jahrsempfang der Klassik Stiftung Weimar

Herr Seemann,
Herr Oberbürgermeister Wolf,
Mitglieder des Thüringer Landtags,
Herr Staatssekretär Maier,
Mitglieder des Weimarer Stadtrates und der Stadtverwaltung,
Magnifizenzen,
sehr geehrte Gräfin von Bernstorff, die ich als Geschäftsführerin der Gartow-Stiftung ganz herzlich begrüßen möchte,
liebe Gäste,

vor kurzem wurde in einer Veranstaltung der 200-jährigen Gründung der ersten frei gewählten Volksvertretung in Deutschland gedacht, dem Landtag von Weimar-Sachsen-Eisenach. In seiner Darstellung der Geschichte des Weimarer Landtags von 1817-1848 beginnt Henning Kästner mit einer Anekdote. Als der Weimarer Landtag 1826 zum vierten Mal zusammentrat, sollte es zu einer handfesten Auseinandersetzung zwischen den gewählten Abgeordneten und Johann Wolfgang von Goethe kommen, dem die Oberaufsicht über die Anstalten der Kunst und Wissenschaft oblag. Anlass des Konflikts war ein Antrag des Staatsministers, die bisher regelmäßig vom Landtag bewilligte Etatsumme für sein Ressort von 11.777 rt um 100 rt zu erhöhen. Dies wäre wohl vom Landtag ohne Anstand bewilligt worden, doch hatte es Goethe bis dahin nicht für nötig gehalten, dem Landtag eine genaue Kassenrechnung über die von ihm verwendeten Gelder vorzulegen. Dieser Umstand wurde schon des Öfteren vom Landtag angemahnt, ohne Goethe von seinem Fehlverhalten zu überzeugen. Mit der Mehrforderung brachte Goethe letztlich das Fass zum Überlaufen, zumal zwischenzeitlich an die Öffentlichkeit drang, dass Goethe weiterhin Gehälter an Personen zahlte, die bereits verstorben waren. Geschlossen verlangten die Abgeordneten daraufhin eine detaillierte Kassenabrechnung, was Goethe derartig erzürnte, dass der dem Landtag einen kurzen Zettel mit dem Inhalt, »Einnahme: ooo; Ausgabe: ooo; folglich bleibt in der Kasse: x Thlr. (eine Kleinigkeit)« übersandte. Nachdem dieser Zettel vorgelesen wurde, brachen große Teile des Plenums in »ein lautes Lachen aus«. Anschließend kam es indessen zu heftigen Wortattacken gegen den Minister. Nachdem das Thema in Weimar bekannt wurde sahen sich Großherzog Carl August und Großherzogin Luise gezwungen in die Angelegenheit einzugreifen. Die Großherzogin äußerte sich gegenüber dem Abgeordneten Heinrich Luden mit der Feststellung, dass man davon ausgehen müsse, dass Goethe die Mittel rechtmäßig verwende und mit den Worten: »Wir haben nur einen Goethe, und wer weiß wie lange noch«. Nach dieser Ermahnung und nochmaligen Verhandlungen ließ der Landtag die Sache ruhen, nicht ohne die Mehrforderung von 100 rt auf 90 rt abgesenkt zu haben.

Ich mag die Anekdote, zeigt sie uns doch, dass die angemessene Finanzierung von Weimarer Kunst, Kultur und Wissenschaft nie ein einfaches Thema war.

Die Kontroverse zeigt zugleich aber auch die Ambivalenz der sächsisch-weimarer Ständeversammlung. Einerseits repräsentiert sich in dieser Darstellung ein klassisch parlamentarisches Selbstbewusstsein und andererseits durfte, so Kästner, der Preis dafür nicht die Aufgabe des zwischen Monarch, Regierung und Landtag angestrebten »freundlichen Verhältnisses« sein. Dieses Verhältnis war Ausdruck der seit 1806 durch die Weimarer Staatsleitung betriebenen »herrschaftlichen Integrations- und Konsenspolitik« als eine spezifische Entwicklungsvariante, die Sachsen-Weimar-Eisenach von Preußen und den süddeutschen Ländern unterschied. Von einem solchen Konsens über die künftige Entwicklung Weimars sind wir derzeit weit entfernt. Im Gegenteil: Stadt und Land stehen sich derzeit fast unversöhnlich gegenüber. Dies tut der gemeinsamen Entwicklung der für den Freistaat so wichtigen Kulturstadt Weimar nicht gut.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

als ich im vergangenen Jahr an dieser Stelle zu Ihnen sprach, sprach ich darüber, dass die gängige Hauptstadtdefinition von Kaufhold, nach der eine Hauptstadt nicht nur das politische Zentrum, sondern auch den Mittelpunkt der Industrie, Wissenschaft, Kunst und Kultur einer Region darstellt, auf Thüringen nicht zutrifft. In unserem Freistaat sind die traditionellen Funktionen einer Hauptstadt vertikal verteilt.

Der Sitz der zentralen Staatseinrichtungen ist unbestritten Erfurt, ebenso das Zentrum des politischen Verbandswesens und der Medien.Während Weimar mit seinen überregional bedeutsamen Kultureinrichtungen reüssiert, wird Jena als Wissenschaftsstadt identifiziert. Das ökonomische Zentrum Thüringens befindet sich einerseits entlang dieser Städtekette, andererseits gehören auch weitere Gebiete zu den industriellen Kernen unseres Freistaates. Man kann die vertikale Verteilung der üblichen Hauptstadtfunktionen als ein Defizit beschreiben oder als eine Stärke. Ich bin überzeugt, dass die Entstehungsgeschichte unseres Freistaates als dem Zusammenschluss verschiedener Herzogtümer, die Churchill einmal „pumpernickel principalities“ nannte, keine andere Entwicklungslogik zuließ als das, was ich „dezentrale Konzentration“ nenne. In diesem Mosaik dezentral konzentrierter überregional bedeutsamer Kulturinstitutionen, nimmt Weimar zweifellos die Rolle des Mittelpunktes und Blickfangs ein. Sie ist die Stadt der Weimarer Klassik ebenso wie der Moderne. Ihre einmalige Dichte an Kultureinrichtungen, Kunst- und Kulturschaffenden sowie wissenschaftlich-künstlerischer Entfaltung hebt Weimar über alle bundesdeutschen Städte dieser Größenordnung hinaus und macht sie zur unbestrittenen Kulturhauptstadt unseres Landes.

Dies spiegelt sich naturgemäß auch finanziell wider:

  • Rund ein Drittel unserer Kulturausgaben fließen jedes Jahr nach Weimar.
  • Mit rund 260 Mio. EUR finanziert der Freistaat zwischen 2016 und 2019 die Bauhaus-Universität sowie die Musikhochschule, Bundesmittel eingeschlossen
  • Hinzu kommen 8,6 Mio. EUR aus dem Landeshaushalt für das Musikgymnasium Belvedere im Zeitraum von 2017 und 2020
  • Jedes Jahr fließen 3 Mio. EUR institutionelle Finanzierung des Landes in die Gedenkstätte Buchenwald und Mittelbau Dora, zuzüglich Projektmittel und Investitionen
  • Vorbehaltlich der Zustimmung des Kabinetts wird der Freistaat – zusammen mit dem Bund – die dauerhafte Finanzierung der Zwangsarbeiterausstellung im Gauforum sichern
  • Mit 19,7 Mio. EUR sichert der Freistaat jährlich die Grundfinanzierung des Deutschen Nationaltheaters zuzüglich der Tarifsteigerungen und der Modernisierung der Infrastruktur
  • Und last but not least: Zwischen 2017 und 2021 soll die Finanzierung des Freistaates an der Klassik-Stiftung Weimar von rund 13 Mio. EUR pro Jahr auf 16 Mio. EUR steigen, die Förderung des Bundes in paritätischer Höhe zum Land ist vorgesehen. Allein die Stadt sperrt sich, dieser Vereinbarung zuzustimmen.

Nur die hier genannten Zahlen ergeben zwischen 2016 und 2021 – ohne die Landeszuschüsse für Bauhaus-Universität und Musikhochschule ab 2020, die dann erst wieder zu verhandeln sind – einen Gesamtbetrag von weit über 400 Mio. EUR für die Stadt Weimar.

Angesichts dieser Zahlen lässt sich durchaus diskutieren, ob die im vergangenen Jahr geäußerte Befürchtung eines „Rutschbahneffekts“ von Weimar nach Erfurt eine tatsächliche Begründung erfährt. Oder ob es eine von vielen Übertreibungen und Hysterien der politischen Debatte ist, von der es insbesondere im Zusammenhang mit der Verwaltungs-, Funktional- und Gebietsreform bereits zu viele gibt.

In einer Zeit, als über die Perspektive Weimars als Kulturhauptstadt Thüringens vor der Kulisse der Gebietsreform noch unter Berücksichtigung des zwanglosen Zwangs des besseren, des überzeugenderen Arguments, diskutiert werden konnte, und gestatten Sie mir an dieser Stelle diese Anlehnung an Jürgen Habermas‘ Theorie des kommunikativen Handelns, hatte ich Weimar einen Kulturstadtvertrag nach dem Vorbild der Hauptstadtkulturverträge Berlins bzw. Dresdens angeboten. Obwohl ein ernsthaftes Interesse an einer vertragsförmigen Sicherung der Landeszuweisungen für die in der Kulturhauptstadt Weimar überregional und international prägenden Einrichtungen– wenn auch nur homöopathisch - spürbar war, halte ich an diesem Angebot fest. Ich erneuere es hier und heute nicht nur, sondern teile mit, dass in der Staatskanzlei ein Entwurf eines Kulturstadtvertrags erarbeitet wurde. In der kommenden Woche werde ich das Kabinett über das Kulturstadtvertragsangebot informieren.

Trotz der jüngeren Entwicklungen unterbreite ich ein solches Angebot. Denn ich meine, wir müssen wieder konstruktiv statt destruktiv reden. Gemeinsamkeiten erkennen, statt das Trennende betonen. Sachlich werden, statt polemisieren. Ich unterbreite das Angebot eines Kulturstadtvertrages, weil die Faszination, die Weimar gerade auf ein überregionales und internationales Publikum ausübt, vollkommen losgelöst ist von der Frage, ob die Kulturhauptstadt Weimar kreisfrei bleibt oder nicht. Ich möchte die in Weimar sicher mehr als gewagte These aufstellen, dass die absolute Mehrheit der Besucherinnen und Besucher dieser Stadt, die Entscheidung über ihren Weimar-Besuch von diesem Sachverhalt unberührt treffen. Gleichwohl gibt es das berechtigte Interesse der Stadt Weimar und der gewählten städtischen Interessenwalterinnen und Interessenwalter, die Kulturfinanzierung Weimars gebietsreformfest abzusichern. Dafür erscheint mir ein Kulturstadtvertrag das geeignete Instrument zu sein.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

„Kultur, Kunst, Brauchtum genießen Schutz und Förderung durch das Land und seine Gebietskörperschaften“ heißt es in Artikel 30 der Verfassung des Freistaats Thüringen. Der Kulturstadtvertrag ist ein Instrument, diesen Verfassungsgrundsatz für die Kulturhauptstadt auszufüllen.

Ich bin bereit, mit dem Kulturstadtvertrag die Stadt aus der Verpflichtung zu entlassen, alljährlich Mittel im Kulturlastenausgleich zu beantragen, sondern diesen Betrag von rund 1 Mio. EUR jährlich, der in den oben genannten Zahlen noch nicht enthalten ist, über den Vertrag pauschal zur Verfügung zu stellen. Auch ein Kulturstadtfonds, angelehnt an die Idee des Berliner Hauptstadtkulturfonds, ist denkbar. Dies würde Vereinen und Institutionen Planungssicherheit und der Stadt Entscheidungskompetenzen geben.Keine Stadt in Thüringen erhält ein solches Angebot – keine andere Stadt in Thüringen ist aber auch vergleichbare Kulturstadt.

Vor einiger Zeit, bei einem Vortrag in Korea führte Hellmut Seemann aus: „In den Augen eines heutigen Besuchers ist Weimar einfach entzückend. Die Lebenswelt der Menschen um 1800 hat sich so weitgehend erhalten, dass man den Geheimen Rat Goethe, am besten begleitet von dem heftig schwäbelnden Hofrat Schiller, jederzeit glaubt um die Ecke kommen zu sehen. Das ist die Idylle Weimar. Man darf sie genießen. Aber man darf sich nicht mit der Geltung dessen, was die Nachwelt ‚Weimarer Klassik‘ genannt hat, verwechseln. Denn dann macht sich diese Idylle als eine Schwester der Ignoranz bemerkbar, die die heute übliche Gestalt ist, in der das Erbe, das uns die Weimarer Klassiker hinterlassen haben, ausgeschlagen wird: Die Klassik ist, sagt dieser Grundstrom der Ignoranz, entweder von vorgestern, oder aber, sollte sie wirklich noch aktuell sein, politisch verdächtig. Und maßlos anstrengend ist sie sowieso. Also warum noch daran rühren, warum nicht besser die historischen Stätten in Weimar einfach als solche genießen, gleichsam ganz von jedem Inhalt, der mit ihnen verbunden sein könnte, losgelöst?“

Die rhetorische Frage, die der ehrenwerte Präsident unserer Stiftung hier aufmacht, beantwortet sich von selbst in zweifacher Hinsicht:

Mit der anspruchsvollen Idee der »Topographie der Moderne« wird städtebaulich, diskursiv und konzeptionell umgesetzt, was – wiederum Seemann zitierend – „wenige Jahre nach dem Erscheinen des Doktor Faustus von Thomas Mann ein deutscher Germanist, der aus der Emigration nach Deutschland zurückgekehrt war, aus Anlass von Goethes 200. Geburtstag programmatisch sagte: ‚Zwischen uns und Weimar liegt Buchenwald‘“.

Die Klassik Stiftung in Weimar hat die Aufgabe, das vielfältige, ambivalente, zum Teil höchst widersprüchliche kulturelle Erbe Weimars zu pflegen und zu entwickeln. Sie ist und darf deshalb keineswegs nur konservierend oder als geistige Denkmalpflegerin tätig sein. Vielmehr gilt es, wie Seemann ausführt, das Weimarer Erbe in anspruchsvoller Form an die heute nach Weimar Kommenden und die in der ganzen Welt an den in Weimar verwahrten Quellen der Weimarer Klassik Interessierten zu vermitteln.

Zu diesem Zweck stellen Land und Bund gemeinsam den Löwenanteil der Finanzierung zur Verfügung. Die Stadt beteiligt sich mit einem fixen Anteil in Höhe von rund 2 Mio. EUR, der durch Mittelzuwachs von Land und Bund im Verhältnis zur Gesamtfinanzierung von 14% auf rund 7% geschrumpft ist.

Wenn ich den Kulturstadtvertrag für Weimar mit der Erwartung und dem Anspruch verbinde, dass die Stadt sich auch weiterhin an der Finanzierung der Stiftung beteiligt, begründet sich dies aus der Feststellung, dass die Klassik-Stiftung mit ihren Museen, Parks, Schlössern und Gärten zum Rückgrat der das kulturelle Flair dieser Stadt prägenden Institutionen gehört.

Die letzte Finanzierungsvereinbarung zwischen den Zuwendungsgebern der Klassik Stiftung Weimar ist Ende des vergangenen Jahres abgelaufen. Sie sorgte – wie die vorherigen Vereinbarungen – in einem Zeitraum von 5 Jahren für Planungssicherheit – sowohl für die Stiftung als auch für Bund, Land und Stadt. Dass keine neue Vereinbarung für die Jahre 2017 bis 2021 abgeschlossen werden könne, begründet die Stadt mit der anstehenden Gebietsreform und der damit einhergehenden Einkreisung Weimars – obwohl wir sogar für diesen Fall eine Klausel in den Vertragsentwurf aufgenommen und die Stadt (und vor allem ihr Rechtsamt) eigentlich bereits zugestimmt hatte. Wer Kulturstadt ist und sein will, muss jedoch– so meine ich und ich halte dies nicht für eine unbillige Auffassung – sich gegenüber den die Kulturstadt prägenden Institutionen auch entsprechend verhalten. Das Land hat seiner Verantwortung diesbezüglich Rechnung getragen. Weil die Stiftung zur Erfüllung ihrer Aufgaben Verlässlichkeit und Planbarkeit braucht, hat das Land Thüringen seinen Finanzierungsanteil über Verpflichtungsermächtigungen bereits bis zum Jahr 2021 fest zugesichert.

Vor kurzem erreichte mich ein neuer Vorschlag aus der Stadt. Die bestehende Vereinbarung soll nur für ein Jahr verlängert werden. Unter der Voraussetzung einer dann kreisangehörigen Stadt sei es nicht zu verantworten, eine Finanzierungsvereinbarung abzuschließen, die über den 31.12.2017 hinausgeht. Ab 2018 soll der Austritt Weimars aus der Stiftungsfinanzierung vorgesehen werden. Als möglichen Rechtsnachfolger der Stadt Weimar wird der künftige Landkreis vorgeschlagen, zumal sich mit Schloss Ettersburg, Schloss Großkochberg und dem Wielandgut Oßmannstedt auch Immobilien der Klassik Stiftung im neuen Landkreis befänden.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

David gegen Goliath ist immer einer ehrenwerter Kampf. Und die Sympathien der Zuschauer sind auch klar verteilt. Aber ich möchte auch festhalten, dass Bund und Land bislang nicht jeden Morgen in ein Tal getreten sind und die wehrhaften Bürger König Sauls verhöhnten.

Im Gegenteil: Bund und Land haben keinerlei Interesse an einer Konfrontation mit Weimar. Ich halte es für unverzichtbar, Weimar weiterhin als Förderer und Entscheidungsträger in die Klassik Stiftung eingebunden zu wissen. Gerade weil die Stiftung das kulturelle, ideelle und auch ein wirtschaftliches Zentrum Weimars darstellt.

Zusätzlich resultiert diese Verpflichtung der Stadt Weimar, einen konstanten Finanzierungsanteil von rund 2 Mio. € zu zahlen aus der Zustiftung der städtischen Kunstsammlungen in die Klassik Stiftung. Es handelt sich also um die vertraglich zugesagte Finanzierung einer ursprünglich städtischen Kultureinrichtung, eine Verpflichtung, die nicht einfach auf einen Kreis übergehen kann. Und was würde ein solcher Schritt über das Selbstverständnis der Kulturhauptstadt aussagen?

Die Hoffnung von Bund und Land, dass die Stadt Weimar ihre gegenwärtige Beteiligung an der KSW konstant hält, ist in erster Linie dieser Selbstbeschreibung und Fremdwahrnehmung als Kulturstadt geschuldet.

Zusätzlich dazu wird unsere Erwartung auch vor dem Hintergrund nachvollziehbar, dass die Stiftung einen erheblichen kommunalen Wirtschaftsfaktor darstellt, weil sie für Einnahmen, Beschäftigung und Umsatz sorgt. Die Stadt Weimar erhält sowohl direkte Einnahmen als auch indirekte Einnahmen aus der Tätigkeit der KSW. Hinzu kommen Leistungen der Stiftung, von denen die Stadt in großem Umfang profitiert. Das betrifft insbesondere die Pflege von 5 Parkanlagen und 13 Gärten, was in anderen Städten eine kommunale Aufgabe darstellen würde und wofür jährlich rund 2 Mio. € eingeplant werden müssen – mit steigender Tendenz. Das sind 2 Mio. €, die die Stadt Weimar nicht einstellen muss und dennoch ihren Bürgerinnen und Bürgern einen hohen grünen Freizeitwert bieten kann.

Das „Recht auf die Stadt“ hat in den letzten Jahrzehnten eine echte Renaissance erlebt.Und obwohl darunter sehr unterschiedliche Themen der aktuellen Stadtentwicklung gebündelt sind, geht es immer um die Verbesserung des städtischen Alltagslebens. Zur Faszination des städtischen Weimar gehören gerade das Verschlungensein von Natur und Kultur, das nicht nur Touristen genießen, sondern auch die Einheimischen.

Es ist absehbar, dass die Stadt Weimar künftig noch stärker von den Leistungen der KSW profitieren wird. Mit dem neuen Bauhausmuseum, das Kulturinteressierte und Touristen aus der ganzen Welt anziehen wird, werden sowohl die direkten als auch indirekten Einnahmen der Stadt steigen. So rechnet die Stiftung damit, ab 2019 eine zusätzliche Kulturförderabgabe in Höhe von 50.000 € leisten zu können. Abschließend sei noch erwähnt, dass Bund und Land in den letzten Jahren zahlreiche Investitionen allein tätigten, wie z.B. die Generalsanierung des Goethe- und Schiller-Archivs.

Auch in den kommenden Jahren stehen Investitionen an, die Bund und Land allein tragen werden: die Sanierung des Stadtschlosses, der Neubau des Bauhausmuseums, die Ertüchtigung des Wittumspalais und des Neuen Museums und schließlich die denkmalgerechte Sanierung des Goethe Wohnhauses.

Bund und Land beabsichtigen deshalb, ab 2018 die investiven Fördermittel von derzeit rund 2 Mio. € auf jährlich je 3 Mio. € zu steigern. Eine finanzielle Beteiligung Weimars erfolgt dabei nicht, obwohl die Maßnahmen wesentlich zur Verbesserung des Stadtbildes beitragen.

Im Wissen um die finanzielle Situation der Stadt Weimar erwarten Bund und Land keine Erhöhung des städtischen Anteils an den Kosten der KSW. Aber eine Absenkung des städtischen Anteils oder gar den Ausstieg aus der kommunalen Förderung halten wir für bedenklich, da die Stiftung von so elementarer Bedeutung für die Stadt und ihr Selbstverständnis als Kulturhauptstadt ist.

Ein Kulturstadtvertrag, wie ich ihn der Stadt zu unterbreiten gedenke, wäre ein Geschäft auf Gegenseitigkeit. In einem solchen Vertrag würde sich das Land verpflichten, weiterhin institutionelle und projektgebundene Förderung für die Weimarer Kultur zu leisten. Wie bereits erwähnt, fließt rund ein Drittel des Landeskulturetats gegenwärtig nach Weimar. Diesen Status quo könnte der Vertrag verbindlich festschreiben und die Leistungen des Landes transparent für alle Bürgerinnen und Bürger darstellen. Wir planen darüber hinaus, auch die Finanzierung der Bauhaus-Universität und der Musikhochschule sowie des Musikgymnasiums in dem Kulturstadtvertrag als landesseitige Finanzierung aufzuführen, da sie unmittelbar relevant für die strukturprägenden Institutionen der Kulturstadt Weimar sind. Diesen Verpflichtungen des Landes steht die Erwartung gegenüber, dass die Stadt ihrerseits das tut, was im Dresdner Kulturstadtvertrag die »Interessenquote« der Stadt genannt wird.

Der Vertrag würde deshalb die Pflichten der Stadt konkret festschreiben, so zum Beispiel die städtischen Finanzierungsanteile am DNT, der Klassik-Stiftung und am Kunstfest. Ich habe in diesem Zusammenhang zur Kenntnis genommen, dass es den Wunsch gibt, z.B. bei den Grünen und Linken in Weimar, zu prüfen, ob die Finanzierungsanteile am Kunstfest auf die Finanzierungsquote des DNT angepasst und das Kunstfest faktisch zur vierten Sparte des DNT wird. Eine solche Prüfung setzt Bewegung voraus, ebenso wie die verbindliche Aussage der Stadt, ob das Kunstfest überhaupt gewollt wird.

Der Vertrag, dessen Laufzeit zu verhandeln wäre, würde Konsequenzen formulieren für einseitige Etatkürzungen, egal welcher Vertragspartner sie vornimmt. Alternativen und Varianten der Vertragsgestaltung sind denkbar und ich bin gern bereit, weitere Szenarien zu diskutieren, die geeignet sind, die Kulturstadt Weimar zu stärken. Entscheidend für mich ist, dass wir Kulturpolitikerinnen und Kulturpolitiker aus den Schützengräben herauskommen und wieder zum kulturvollen Dialog zurückkehren, an dessen Ende Vereinbarungen stehen, die tragfähig sind, die halten und nicht aus politischer Opportunität in Frage gestellt werden.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

der Kosmos Weimar expandiert und mit ihm die urbane Qualität der Stadt.Ich vertraue darauf, dass wir auch weiterhin gemeinsam Sorge für diesen Kosmos tragen. ***

 

Eine Aufnahme der Rede kann hier angehört werden.