05.11.2016

Interview mit queer.de: AfD führt unanständigen Kulturkampf gegen LGBTQ

Das Interview wurde von Dennis Klein geführt und am 5.11.2016 veröffentlicht.

 

queer.de: Die Hirschfeld-Tage finden dieses Jahr zum ersten Mal in Thüringen statt. Welche Bedeutung räumen Sie der Veranstaltungsreihe ein?

Hoff: Für die Thüringer Landesregierung ist es eine Auszeichnung, dass die Hirschfeld-Tage in Mitteldeutschland und in unserem Freistaat stattfinden. In einem Jahr, in dem wir auch an die Vertreibung des Bauhauses unter der Thüringer Rechtsregierung im Jahr 1924 erinnern, passt es zeitlich gut, auch Magnus Hirschfeld zu gedenken, und die Hirschfeld-Tage eignen sich hierfür besonders gut. Hirschfeld gehörte in der gleichen Zeit zur Avantgarde mit seiner Positionierung für die Rechte von Homosexuellen und der wissenschaftlichen Auseinandersetzung damit.

Insofern finde ich es sehr spannend, dass die Hirschfeld-Tage sich bemüht haben, viele historische, aber auch aktuelle Bezüge zu Mitteldeutschland herzustellen und auch zum Beispiel an Vorkämpfer für die Rechte von Homosexuellen hier zu erinnern. Es gibt etwa die Geschichte eines Mannes, der der Uni Jena eine Zustiftung geben wollte mit der Auflage, sich im Sinne von Magnus Hirschfeld und anderen für eine vorurteilsfreie Sexualwissenschaft einzusetzen. Die Universität hat diese Zustiftung abgelehnt, weil sie diese Auflage nicht erfüllen wollte. Insofern sind wir in der Frage des Kulturkampfs um die Rechte von Homosexuellen in einer sehr aktuellen Auseinandersetzung.

Damit wären wir bei der AfD: Der Thüringer Fraktionschef Björn Höcke hat gesagt, dass die Hirschfeld-Tage Geldverschwendung sind und man lieber in Schulen investieren sollte. Was antworten Sie ihm?

Sie haben das ja sehr diplomatisch ausgedrückt, was Herr Höcke und die AfD gesagt haben. Man kann es auch anders sagen: Er hat versucht, einen Workshop herauszugreifen, um an die niedersten Instinkte zu appellieren, indem er behauptete, die Hirschfeld-Tage wären ein großer Analsex-Workshop. Dafür würde die Landesregierung Geld ausgeben, während für Klassenfahrten kein Geld zur Verfügung stehen würde. Das ist sachlich in mehrfacher Hinsicht falsch, es ist aber auch der Versuch, Homosexuelle in eine Schmuddelecke zu stellen. Kurz gesagt: Das ist Kulturkampf. Hier werden Homosexuelle instrumentalisiert, um eine Auseinandersetzung mit der rot-rot-grünen Landesregierung zu führen. Man benutzt die Rechte von LGBTQ, um eine politische Kontroverse zu führen. Das ist, finde ich, in hohem Maße unanständig.


Die Polemik der AfD fällt gerade im Osten auf sehr fruchtbaren Boden. Halten Sie die Sorgen für berechtigt, dass es gerade von dort aus bei Homo-Rechten einen Rollback geben könnte?


Für die rot-rot-grüne Landesregierung ist es wichtig, dass die Hirschfeld-Tage in Mitteldeutschland stattfinden, weil wir damit Haltung in einer solchen Auseinandersetzung zu zeigen. In der Debatte, in der progressiven und aufgeklärten Menschen der Wind auch mal schärfer ins Gesicht bläst, wollen wir den Rücken durchdrücken und die richtigen Argumente verdeutlichen. In der Summe haben die diesjährigen Hirschfeld-Tage in Mitteldeutschland mehr Veranstaltungen als bei den Veranstaltungen vor zwei Jahren im sehr einwohnerstarken und urbanen Nordrhein-Westfalen. Das ist ein gutes Zeichen.

Die Hirschfeld-Tage sollen ja auch Heterosexuelle anlocken. Wie wollen Sie das erreichen?

Die Organisatoren der Hirschfeld-Tage haben etwa in einer Postkartenkampagne historische Personen der LGBTQ-Bewegung aus Mitteldeutschland vorgestellt. Es gibt viele Veranstaltungen, die sich an ein breites Publikum richten. Ich hoffe, dass Multiplikatoren aus dem Bereich Bildung, aber auch aus dem Bereich der öffentlichen Verwaltung, die Veranstaltungen besuchen. Genau dort braucht man ein besseres und vorurteilsfreies Verständnis im Bereich LGBTQ.
 

Sie haben im Koalitionsvertrag versprochen, die "Gleichstellung aller Lebensweisen" anzustreben. Wie weit sind sie bei diesem Vorhaben?

Die Landesregierung hat im Bundesrat alle Initiativen unterstützt, die auf die rechtliche Gleichstellung abgezielen – und teilweise auch mitinitiiert. Thüringen arbeitet an einem Landesprogramm "Akzeptanz und Vielfalt", das im nächsten Jahr im Haushalt 2018/19 auch finanziert wird. Damit setzt R2G die Hauptaufgaben des Koalitionsvertrages um.

Ist Thüringen im Vergleich zu anderen Bundesländern beim Umgang mit queeren Menschen gut aufgestellt?

Überall in Deutschland gilt es entsprechende Aufgaben zu erfüllen. Thüringen, das nicht über eine Metropolregion wie das Ruhrgebiet, Rhein-Main, Hamburg, Leipzig oder Berlin verfügt, kann und muss im Umgang mit LGBTQ noch engagierter agieren. Insofern gibt es einen Trend für diejenigen, die sich LGBTQ zugehörig fühlen, häufig aus Thüringen wegzugehen, weil in kleinen Städten häufig der Raum und die Ansprechpartner fehlen. Uns als Landesregierung geht es darum, für eine vorurteilsfreie und aufgeklärte Atmosphäre gerade im kleinen und mittelstädtischen Raum Sorge zu tragen. Das ist aber im Westerwald genauso schwierig wie in Thüringen.

Wird eine Veranstaltungsreihe wie die Hirschfeld-Tage irgendwann nicht mehr notwendig sein?

Meiner Meinung nach wird es in Thüringen – selbst wenn die politischen Verhältnisse mal anders sein sollten – immer notwendig sein, sich immer wieder mit neuen Fragestellungen auseinanderzusetzen. Es gibt immer neue Entwicklungen in der LGBTQ-Bewegung, so auch der medizinisch-technische Fortschritt, der uns vor neue Herausforderungen stellt. Jeder Schritt, den wir in Thüringen gehen, um Vorurteile zu reduzieren, ist wichtig.