14.10.2016

Rede zum Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

Freitag, 14. Oktober 2016, Bundesratssitzung TOP 5

 

Frau Präsidentin,

liebe Kolleginnen und Kollegen!


Ich muss – ähnlich wie Kollege Görke – ein bisschen Wasser in den Wein der bisherigen Darstellung der VA-Ergebnisse gießen. Es ist von Herrn Walter-Borjans und den Kollegen, die vorher gesprochen haben, durchaus deutlich gemacht worden, dass sich der Vermittlungsausschuss ernsthaft bemüht hat, einen Kompromiss zu finden und den mit Sicherheit nicht einfachen Positionen, die im Vorfeld bestanden, Rechnung zu tragen.

Das, was heute als Vermittlungsergebnis zur Reform der Erbschaftsteuer auf dem Tisch liegt, hat
gleichwohl nicht unwesentlich mit politischen Interventionen aus dem Süden dieser Republik und einer finanzkräftigen Hansestadt zu tun. Ich erlaube mir deshalb meine Rede mit einem zeitlos schönen Satz aus der bayerischen Verfassung zu beginnen, der aus meiner Sicht gut ausdrückt, worum es in der Debatte um die Erbschaftsteuer ging. Das Zitat aus der bayerischen Verfassung lautet: "Die Erbschaftsteuer dient auch dem Zwecke, die Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen Einzelner zu verhindern."

Das heißt also, es geht bei der Reform der Erbschaftsteuer – das hat Kollegin Taubert, Finanzministerin aus Thüringen, im Juli dieses Jahres hier im Bundesrat sehr deutlich gesagt – um Gerechtigkeit Steuerregeln, die das Sprichwort „Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen“ zum Prinzip erklären, sind aus der Sicht der großen Mehrheit der Gesellschaft eben nicht gerecht. Diesem Kriterium wird auch das VA-Ergebnis nicht gerecht.

Der Freistaat Thüringen lehnt deshalb das heute vorliegende Ergebnis des Vermittlungsausschusses zur Erbschaftsteuer ab. Das, was heute beschlossen werden soll, ist nicht ausreichend gerecht. Es ist nach Auffassung dieser Landesregierung auch nicht mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts vereinbar.

Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 2014 die Erbschaftsteuerprivilegien für Firmenerben als zu weit gehend gekippt, weil sie dem Gleichbehandlungsgrundsatz widersprachen. Der Auftrag an den Gesetzgeber lautete, die zu weit gehende und damit verfassungswidrige Steuerfreistellung von Betriebsvermögen zur Verfassungskonformität zurückzuführen. Das Ergebnis, das vorliegt – darauf hat Kollege Görke zutreffend hingewiesen –, ist eine Minimalreform, die die Erbschaftsteuer im Wesentlichen im Zustand eines Schweizer Käses belässt. Das ist genau das Problem, und das muss hier kritisiert werden.

Der Auftrag, den das Bundesverfassungsgericht uns gegeben hat, ist nicht erfüllt: Die Möglichkeit, den Unternehmenswert durch einen starren Faktor künstlich herunterzurechnen, der 30-prozentige Abschlag für sogenannte Familienunternehmen, die Abschmelzzone für die Verschonungsabschläge zwischen 26 Millionen und 90 Millionen Euro und nicht zuletzt der Anspruch auf die siebenjährige Stundung der Erbschaftsteuer, im ersten Jahr sogar zinsfrei,
werden es vermögenden Firmenerben nach wie vor leicht machen, sich vor dem Fiskus arm zu rechnen und ihre Verpflichtungen gegenüber dem Gemeinwesen nicht zu erfüllen. Ob die hochgerechneten minimalen Mehreinnahmen am Ende realisiert werden? Die Finanzministerin des Freistaats Thüringen, auf der Einnahmenseite sowieso keine Optimistin, geht hier im besten Falle von nichts aus.

Ob das, was heute beschlossen werden soll, einen absehbaren neuerlichen Gang zum Bundesverfassungsgericht übersteht? Wir haben Zweifel. Auch in anderen Beiträgen sind Zweifel geäußert worden.

Ich möchte auch das äußerst problematische gerechtigkeitspolitische Signal, das bei einer zustimmenden Entscheidung des Bundesrates in die Republik gesandt würde, nicht unerwähnt lassen:

Ein Firmenanteil im höheren zweistelligen Millionenbereich kann praktisch steuerfrei vererbt werden, wenn man nur findig genug ist und sich gute Anwälte leisten kann. Für das Erbe der elterlichen Ersparnisse wird man zur Kasse gebeten.

Ein normaler Arbeitnehmer akzeptiert jeden Monat einen Lohnsteuerabzug, und das im Voraus auf die jährliche Steuererklärung. Ein millionen-, womöglich milliardenschwerer Firmenerbe hingegen kann das, was nach allen anwaltlichen Rechenkünsten noch an Erbschaftsteuer übrig ist, zinsfrei stunden lassen.

Das ist offensichtlich ein Gerechtigkeitsproblem. Die Erbschaftsteuer ist eigentlich – genau das meinten die Väter und Mütter der bayerischen Verfassung – das zentrale fiskalische Instrument, um die Schere zwischen Arm und Reich nicht immer weiter aufgehen zu lassen. Die Erbschaftsteuer soll verhindern, dass aus einst erfolgreichen Unternehmerfamilien Finanzdynastien entstehen, deren Leistung irgendwann nur noch darin besteht, Reichtum zu vererben und anderen Menschen dabei zuzusehen, wie sie für die Mehrung dieses Reichtumsberges arbeiten. Das ist nicht nur nicht gerecht, es ist auch nicht vereinbar mit dem urmarktwirtschaftlichen Gedanken der Leistungsgerechtigkeit.

Ich gehe davon aus, dass die vorliegende Reform der Erbschaftsteuer nicht die letzte ist. Die nächste muss tatsächlich dem Gedanken der Leistungsgerechtigkeit folgen und dadurch Erträge ermöglichen, mit denen wir mehr soziale Gerechtigkeit im Land finanzieren können. – Vielen Dank.