14.09.2016

„Unser Prinzip heißt: gönnen können” - Interview zu rot-rot-grünen Dreierbündnissen

"Unser Prinzip heißt: gönnen können.” Benjamin Hoff über rot-rot-grünen Regierungsstil, Berliner Zeitung vom 14.09.2016, Seite 13.
Das Interview wurde von Herrn Frederik Bombosch geführt.

 

Eine Koalition von SPD, Grünen und Linken ist laut Umfragen das wahrscheinlichste Bündnis nach der Wahl. Doch es gilt als kompliziert, wenn sich drei Partner auf eine Linie verständigen müssen. Vielleicht kann Berlin von Thüringen lernen? Dort koordiniert der frühere Berliner Gesundheitsstaatssekretär Benjamin Hoff (Linke), den Ministerpräsident Bodo Ramelow aus der Hauptstadt geholt hat, die Arbeit der bisher einzigen rot-rot-grünen Koalition.

 

Die Berliner Linke will Rot-Grün-Rot, verlangt aber von der SPD, es dürfe keine „Koch-und-Kellner Spiele" geben wie im rot-roten Senat. Sie waren damals Staatssekretär. Wie schlimm war es wirklich?

Wenn es nur schlimm gewesen hätten wir nicht elf Jahre lang erfolgreich regiert. Aber man kann unterschiedlich regieren. In Thüringen praktizieren wir ein Koalitionsmodell nach dem Prinzip: Gönnen können. Jeder der Koalitionspartner soll seine Stärken ausspielen können, weil das zum Gesamterfolg beiträgt. Das heißt nicht, dass es keine Widersprüche gibt.

 

Das klingt harmonisch. Was passiert, wenn in der Thüringer rot-rot-grünen Koalition Streit ausbricht?

Eine Koalition ist nie harmonisch. Der entscheidende Punkt ist: Unser Ziel ist nicht, einen der Partner zu atomisieren, so wie es Angela Merkel lange Zeit im Bund praktiziert hat. Wir sind nur zusammen mehrheitsfähig, darum wollen wir auch zusammen erfolgreich sein. Es muss immer ein Partner den zwei anderen nachgeben. Aber bei einem anderen Thema ist er einer der beiden, denen der Dritte nachgeben muss. So entsteht Stabilität. Aber das letzte Wort hat auch in Thüringen der Regierungschef.

 

Wie wichtig ist starke Führung in einem Dreierbündnis?

Eine Koalition lebt davon, dass die entscheidenden Akteure miteinander können, Vertrauen zueinander haben und Kompromisse gemeinsam getragen werden. Im Leben trifft man sich stets zweimal, in einer Koalition ständig.

 

Der Berliner Linke-Fraktionschef Udo Wolf hat für Rot-Grün -Rot in Berlin einen permanent tagenden Koalitionsausschuss vorgeschlagen, um Konflikte zu minimieren.

Bei uns tagt er nicht regelmäßig. Aber in der Thüringer Staatskanzlei gibt es Repräsentanten der Koalitionspartner, die kontinuierlich den Informationsfluss aufrechterhalten und dafür Sorge tragen, dass Probleme erkannt und gelöst werden, ehe Konflikte daraus entstehen.

 

Man könnte auch sagen: Sie versuchen, Konflikte unter der Decke zu halten. Haben die Wähler nicht ein Recht zu erfahren, was die Koalitionspartner trennt?

Das ist ambivalent. Einerseits sagen die Bürger in Umfragen, dass die Parteien für sie immer weniger unterscheidbar sind. Andererseits wollen sie kein Gezänk. In unserer Koalition gibt es durchaus große Widersprüche, etwa in der Innenpolitik. Aber wir wollen zeigen, dass wir trotz unterschiedlicher Positionen zu gemeinsamen Lösungen finden. Bei Rot-Schwarz in Berlin scheint es mir eher darum zu gehen, dass der eine Partner dem anderen erklärt, dass er keine Ahnung hat. Das ist keine Koalition, das ist eine Zwangsgemeinschaft.