22.04.2016

Rede im Bundesrat zur Verbesserung der Transparenz bei Steueroasen und Briefkastenfirmen

Die Rede wurde auf der 944. Bundesratssitzung vom 22.04.2016 gehalten

Herr Präsident,

Sehr geehrte Damen und Herren,

sehr oft haben wir an diesem und anderen Orten über Flucht und Integration gesprochen. Wir haben darüber diskutiert, was im Einzelnen zu tun ist, und auch was es insbesondere Länder und Kommunen kostet, hunderttausende Menschen aufzunehmen und, wenn sie bei uns eine neue Heimat finden, auch schnell und effektiv zu integrieren. Und immer haben wir in unsere Kassen geschaut, die auch vorher nicht übervoll waren.

In diese Zeit platzt nun die Enthüllung über die „Panama Papers“. Nun ist Steuerflucht ebenso wenig eine panamaische Erfindung wie der Panamahut, den die Kanalarbeiter trugen, die zu Beginn des vorigen Jahrhunderts die Verbindung zwischen Atlantik und Pazifik bauten. Wir wissen, dass die „Panama Papers“ nur die Spitze eines Eisbergs aus Steuervermeidung und Steuerflucht sind, der jedes Jahr allein in Europa ein mehrere hundert Milliarden Euro großes Loch in die öffentlichen Kassen reißt und – um im Bild zu bleiben – die Bewegungsfreiheit des Staatsschiffs damit erheblich einengt.

Wir streiten uns hier miteinander oft genug darüber, wer welchen Teil der Milliarden übernehmen soll, die wir für die Bewältigung von Flucht und Integration aufwenden müssen. Der Eindruck, der bei den Menschen entsteht, ist folgender: der Staat muss Geld für Flüchtlingsunterkünfte aufbringen, wer weiß, ob noch genug Geld für die Sanierung der Schule meiner Kinder übrig bleibt. Die „Panama-Papers“ rufen uns in Erinnerung, dass die Summen, die wir für Flüchtlinge und ihre Integration aufwenden, nur ein Bruchteil der Unsummen sind, die uns Jahr für Jahr durch Steuerflucht und Steuervermeidung verloren gehen. Die teuersten Flüchtlinge kommen nicht über die Balkanroute. Die teuersten Flüchtlinge sind die Steuerflüchtlinge.

Unabhängig davon, ob ist sage: „Im Herzen bin ich Seeheimer“, oder welchen politischen Background wir hier in der Landesregierung, im Bundesrat habe ist es keine Lappalie, wenn sich eine Verkäuferin in diesem Land darüber ärgert, dass ihr die Lohnsteuer am Monatsende gnadenlos und automatisch vom Lohn abgezogen wird, während Millionären und Milliardären Zeit und Raum eingeräumt wird, die Abgeltung ihres steuerlichen Beitrags zur Erhaltung des Gemeinwesens mit legalen und illegalen Tricks zu umgehen. Das ist eine Gerechtigkeitslücke, die Millionen jeden Monat auf dem Lohnzettel sehen, und die sie – zu Recht – empört.

Wir sprechen also nicht nur über das Geld, das den öffentlichen Kassen verloren geht, sondern auch über das Vertrauen in demokratische Politik, das bei allzu vielen mindestens im Zweifel steht. Beides – die Löcher in unseren Kassen und das Vertrauensdefizit in unsere Politik – müssen für uns Anlass sein, sehr viel stärker als bisher den Kampf gegen Steuerflucht und Steuervermeidung aufzunehmen.

Die Politik ist immer schlecht beraten, wenn sie wie Herr Wondrak vorgibt, den richtigen Lösungsweg schon zu kennen, bevor sie das Problem ganz kennt. Es wird nicht leicht, denen, die jetzt sagen „Es wird ohnehin wieder nur geredet, und nichts passiert.“ das Gegenteil zu beweisen. Deshalb müssen wir damit beginnen, uns die eigenen Versäumnisse einzugestehen.

Die Geschichte der Steuerflucht und der – leider zu oft legalen – Steuervermeidung ist eine Geschichte des Nachgebens gegenüber den mit Nachdruck vorgetragenen Interessen der Finanzlobby, deren Geschäftsmodell vielerorts genau das ist, was wir bekämpfen wollen. Das zeigt sich leider auch beim Investmentbesteuerungsgesetz, das uns hier heute vorliegt. Gemäß den Vorgaben des Koalitionsvertrages im Bund sollte die steuerliche Behandlung von Veräußerungsgewinnen aus Streubesitzbeteiligungen geprüft werden.

Der Regierungsentwurf  enthält im 1. Durchgang jedoch keine Veränderung bei der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen aus Streubesitz.

In einer Protokollerklärung hatte sich die Bundesregierung im Rahmen eines früheren Gesetzgebungsverfahrens aber sogar verpflichtet, im Zusammenhang mit der grundlegenden Reform der Investmentbesteuerung die künftige steuerliche Behandlung von Veräußerungsgewinnen aus Streubesitz erneut aufzugreifen. Der Bundesrat, dieses Haus, hat wiederholt darauf bestanden, dass die bisherige Steuerfreiheit für Gewinne aus der Veräußerung von Streubesitzanteilen ein Ende hat. Aber: nach Kritik aus den Interessensverbänden und der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat das Finanzministerium auf die Neuerungen in Bezug auf die Steuerpflicht auf Veräußerungsgewinne aus Streubesitzbeteiligungen (d.h. mit einer Beteiligungshöhe von weniger als 10 %) von Kapitalgesellschaften verzichtet. Wenn wir so weiter machen, dürfen wir uns nicht wundern, wenn die Bürger den Eindruck haben, dass das Wappen der Steuerbehörden die Tigerente ist.

Uns liegt heute zur Entscheidung eine unter anderem vom Freistaat Thüringen eingebrachte Entschließung vor, die eine Reihe von Maßnahmen zur Verbesserung der Transparenz bei Steueroasen und Briefkastenfirmen vorschlägt.

Die Entschließung beruht auf einem von allen Ländern getragenen Beschluss der Finanzministerkonferenz, insofern sollte sich auch hier und heute eine deutliche Mehrheit der Länder finden, die sagt: Steuerflucht und Steuervermeidung sind keine Kavaliersdelikte, bei denen man ein oder zwei Augen zudrücken kann. Die Zeiten, in denen das Kapital als scheues Reh betrachtet wurde, das man mit Nachsicht für die Gier seiner Besitzer anlocken muss, sind vorbei. Steuerschlupflöcher müssen geschlossen werden. Steuerkriminelle müssen entschlossen verfolgt und bestraft werden.

Eine nicht unwichtige Forderung der Entschließung richtet sich an jene Medien, die den großen Verdienst haben, die „Panama-Papers“ ins Licht der Öffentlichkeit gebracht zu haben. Sie haben eine journalistische Großtat vollbracht und die Aufgabe der „vierten Gewalt“ in hervorragender Weise erfüllt. Nun müssen wir in die Lage versetzt werden, unsere Arbeit zu machen. Dazu braucht die öffentliche Hand Zugang den vollständigen Zugang zu den „Panama-Papers“. Sobald wir sie in der Hand haben, ist den in ihnen aufgeführten Personen der Weg zur strafbefreienden Selbstanzeige versperrt. Jeder Tag, der verstreicht, ermöglicht es, Steuerkriminellen straffrei davon zu kommen.

Die Entschließung fordert neben vielem anderen auch, dass wir dem Kartell der Helfer in den Banken endlich das Handwerk legen. Wir brauchen effektive Strafen für Banken, die systematisch Beihilfe zur Steuerflucht leisten. Der Bundesrat hat hier bereits einen Gesetzentwurf beschlossen, der endlich vom Bundestag aufgegriffen werden muss. Das Kreditwesengesetz muss endlich zu einer wirksamen Waffe im Kampf gegen Steuerflucht werden. Wir dürfen auch nicht vor der Drohung mit dem Lizenzentzug für Banken zurück schrecken, die Mehrfachtäter oder Kooperationsverweigerer sind, so wie es andere Länder – allen voran die USA – auch tun.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich hoffe, der Bundesrat setzt heute ein klares und einmütiges Zeichen gegen Steuerflucht und Steuervermeidung. Wir brauchen die Klarheit und Einmütigkeit, damit Bundestag und Bundesregierung ihrerseits tätig werden und die überfälligen gesetzlichen Änderungen auf den Weg bringen.