30.04.2002

Vom Tabubruch zum Politikwechsel? Rot-rote Perspektiven für die Bundeshauptstadt

Benjamin Hoff, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 3/2002, S. 304-314.

Nach nur dreiwöchigen Verhandlungen unterschrieben die Partei- und Fraktionsspitzen von SPD und PDS am 16. Januar den Koalitionsvertrag über eine fünfjährige Zusammenarbeit. Wie diffizil dieses Bündnis sein kann bewies sich nur einen Tag später, als der Landesvorsitzende der SPD, Peter Strieder, im ersten Wahlgang nicht die erforderliche Stimmenmehrheit erhielt und erst im zweiten Anlauf zum Senator für Stadtentwicklung gewählt wurde.

Das neue Berliner Regierungsbündnis stellt die zweite rot-rot gefärbte Landesregierung und bestätigt damit einen bereits bei der Koalitionsbildung in Mecklenburg-Vorpommern 1998 prognostizierten Trend zu neuen Regierungskonstellationen in Ostdeutschland. Mehr als zehn Jahre nach der Wende in der DDR ist es allgemein anerkannt, dass sich neben den Alleinregierungen der CDU bzw. SPD und den Großen Koalitionen perspektivisch in allen ostdeutschen Ländern rot-rote Koalitionen bilden können. Neben Schwerin und Berlin könnte nach den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt auch in Magdeburg eine Landesregierung unter der Führung von Ministerpräsident Reinhardt Höppner (SPD) und einer Vize-Ministerpräsidentin Petra Sitte (PDS) gebildet werden. Bereits vor Monaten haben die dortigen Akteure angekündigt, das seit zwei Legislaturperioden andauernde Modell der PDS-Tolerierung der SPD-Minderheitsregierung zu beenden.

Trotz dieser politischen Prognosen für Ostdeutschland war noch vor nicht ganz einem Jahr eine Regierungsbeteiligung der PDS in Berlin in nächster Zeit als undenkbar erachtet worden. Alle Parteien waren sich einig, dass dies zwar mittelfristig nicht ausgeschlossen aber kurzfristig Utopie sei. Der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus brachte dies sinngemäß auf die knappe Formel „Die Mauer stand in Berlin und nicht in Magdeburg“. Die Berliner Fraktions-vorsitzenden der PDS Carola Freundl und Harald Wolf hatten noch im Januar 2001 ein Papier unter dem Titel „Vor der Kür kommt die Pflicht“ erarbeitet, in dem sie die Aufgaben der Parlamentsfraktion bis zum Ende der Legislaturperiode beschrieben, an deren Ende 2004 eine Koalition möglich sein könnte.

Wie kam es zu diesem rasanten Wechsel der politischen Atmosphäre in Berlin? Inwiefern drückt sich in den Berliner Koalitionsverhandlungen eine Professionalisierung der PDS aus? Welche Aufgaben sind durch die rot-rote Koalition zu lösen? Welche Chancen und Risiken ergeben sich aus dieser politischen Konstellation?

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