24.06.2014
Benjamin-Immanuel Hoff

Es muss anders werden, damit es besser wird.

Zur Perspektive linksreformistischer Politik - auch ein Beitrag zur Zukunft des fds

Eine typische Auseinandersetzung im Parlament lief so:

Der konservative Abgeordnete X: »Wir wollen einen Bürgermeister, der die Fakten kennt! Der keine Anekdoten erzählt! Der uns klare Antworten auf klare Fragen gibt! Der kein Idiot ist!«

Bürgermeister Gnarr: »Es tut mir leid, dass du mit meinen Antworten nicht zufrieden bist. Deine Einschätzung trifft mich sehr. Umso mehr, weil sie nicht auf Gegenseitigkeit beruht. Wir halten nämlich dich, X, für einen klugen, aufrechten, kompetenten Menschen.«

(Mehr Punk, weniger Hölle! – www.tagesanzeiger.ch)

Vor Kurzem formulierte der Berliner Parteienforscher Gero Neugebauer bezogen auf die Linkspartei launig: „Zwar konnte bis 2012 von unerklärten Kriegszuständen zwischen divergierenden Strömungen und Ansprüchen auf politische Autonomie durch dieselben sowie von erheblichen Problemen für die politische Kultur durch das Nebeneinander von Mitgliedern aus diversen regionalen, sozialen und politischen Milieus mit unterschiedlichen parteikulturellen Traditionen und Erwartungen gesprochen werden. (Doch) was intern diskutiert wird, verbleibt in den Dunstkreisen von Wärmestuben und löst keine effektive politische Mobilisierung aus“ (Neugebauer 2014: 30f.).

Der Einschätzung Neugebauers ist prinzipiell nicht zu widersprechen. Doch wer seit dem Berliner Parteitag in DIE LINKE schaut, sieht gleich mehrere glimmende Glutherde. Unkontrollierte Brandherde in Wahlkampfjahren sind schon unangenehm genug, weil sie Anlass effektiver politischer De-Mobilisierung der eigenen Anhänger_innen sein können. In unserer Partei ist in der Regel auch immer noch jemand in der Nähe, der etwas Brandbeschleuniger zur Hand hat.

Höchste Zeit also, einen mehr oder weniger großen Konflikt-Flächenbrand zu verhindern und sich über künftige Strategien der Brandbekämpfung Gedanken zu machen. Klar ist, dass die Methode „Ersticken im Keim“ in der Linkspartei nicht funktioniert. Gut so. Sie führt nur dazu, dass überall kleinere Bäume und Büsche ungelöster Probleme und nicht geführter Debatten wuchern, die extrem leicht entzündlich sind.

Höhere präventive Wirkung für DIE LINKE könnte, na klar, die „Mosaik-Brandwirtschaft“ entfalten: An windstillen Tagen werden einzelne Flächen (z.B. offene strategische und inhaltliche Fragen) kontrolliert in Brand gesetzt. Das Feuer greift nicht wild um sich, liefert aber Aschedünger, aus der neue Vegetation entsteht. Wichtiger noch – wenn später einmal unkontrollierte Feuer um sich greifen, finden sie hier keine Nahrung mehr, weil diskursives Totholz bereits entsorgt wurde.

Die Analogien aus der Waldwirtschaft sollen nicht überstrapaziert werden. Sie können aber den Blick schärfen, für die Identifikation derjenigen Fragen, um die es in der aktuellen Auseinandersetzung innerhalb der Linkspartei möglicherweise geht.

Im Folgenden geht es um die Notwendigkeit organisierter linksreformistischer Politik- und Strategieentwicklung. Es ist insoweit auch ein Beitrag zur Perspektive des fds. Wenn aber Einigkeit darüber besteht, dass das Spektrum radikalreformerischer, linksreformeristischer Akteure umfassender ist als das fds, ist die Fokussierung auf den Nabel des fds nicht ausreichend. Im Gegenteil. Eine Strömung ist ihrem natürlichen Wesen nach sowohl ein Netzwerk zur inhaltlichen Arbeit als auch zur Personal- und Machtpolitik. Die Aufgabe, DIE LINKE politisch und strategisch handlungsfähig aufzustellen ist eine andere Baustelle. Nur wenn dort mit Erfolg gearbeitet wird, kann das fds eine Perspektive haben – sofern es den Baufortschritt befördert und ausreichend Menschen das Bedürfnis nach einer fds-Strömung teilen sollten. Das Papier ist deshalb in zwei Teile geteilt. Der erste Teil setzt sich mit der Linkspartei, der zweite mit dem fds auseinander.

A.1. »Schwindender Markenkern« und drängende Fragen der Zeit

Unsere Partei steht vor der Herausforderung, dass sich der bisher genutzte politische Kompass und das vorhandene Kartenmaterial als unzureichend erweisen, um sich angemessen und sicher durch das Gelände politischer Entscheidungserfordernisse zu bewegen.

Die Faustformel „regiert die SPD, gewinnt DIE LINKE“ hat an Wirkung eingebüßt. Gleichzeitig verliert DIE LINKE auch nicht mehr zwangsläufig dort, wo die SPD hinzugewinnt. Die Linkspartei hat sich etabliert, auch in ihren Wähler_innenmilieus. Um die sie stets werben muss, vor allem dort, wo sie mit SPD und Grünen um die gleichen Milieus konkurriert.

Hier zeigen sich Schwierigkeiten. Im achten Jahr nach Gründung der Linkspartei sind diejenigen Themen sukzessive erschöpft, die zu ihrer Entstehung führten. Und bei denen sie die adäquate, weil konsequenteste Artikulationsplattform alternativer Politikangebote zum Mainstream der Wirtschafts- und Sozialpolitik von Rot-Grün, der ersten Großen Koalition unter Merkel bzw. dem schwarz-gelben zweiten Merkel-Kabinett darstellte.

Im Duktus der Werbesprache, wird dies in der Linkspartei als »schwindender Markenkern« thematisiert. Das ist zu kurz gegriffen. Der Markenkern z.B. von Audi besteht nicht im jeweils neuesten Automodell. Vielmehr darin, dass es Audi gelingt, »Vorsprung durch Technik« authentisch zu leben. »Gute Arbeit – gutes Leben« ist vermutlich der derzeit konsequenteste Versuch der DGB-Gewerkschaften, einen post-industriellen Markenkern herauszubilden.

Der Markenkern der Linken wäre folglich eine mit ihr verbundene und durch sie authentisch repräsentierte Erzählung. Nicht als Werbeschleife, sondern im Bemühen um gesellschaftliche Verankerung und nachhaltige Intervention in gesellschaftliche Diskurse. Kurz: überzeugende Antworten auf die jeweils drängenden Fragen der Zeit.

A.2. Strategische Neubestimmung

Axel Troost und Cornelia Möhringen legten jüngst in Reaktion auf Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht den Finger in die Wunde: Derzeit bleiben unsere Anworten weitgehend in einem linkskonservativen Ansatz des Bewahrens des alten, inzwischen ausgehebelten Sozialstaats, ein Kurs der Abwehr. Das ist alles wichtig, aber es reicht nicht aus.“ (Troost/Möhring 2014).

DIE LINKE befindet sich in einer Phase der strategischen Neubestimmung, die darüber entscheidet, was das künftige Gravitationszentrum der Partei ist. Denn Parteien haben eine Erzählung über sich selbst, und es werden Erzählungen über sie verbreitet. Wir haben uns selbst bis Mitte 2012 beinahe ausschließlich als Protest- und Korrekturpartei erzählt. Dies war auch Ausdruck unentschiedener Debatten, hat wichtige Traditionen und Praxen ausgeblendet.

Seitdem ist eine Neubestimmung im Gange, korrespondierend mit innerparteilichen Debatten, Obstruktionen, Irrationalitäten usw. Aber da selbst die härtesten Fans irgendwann weghören, wenn wir immer wieder dieselben Hits spielen, wird wohl kein Weg daran vorbeiführen, den Anspruch eines neuen Sounds irgendwann einzulösen. Plädiert wird dafür, einen linken Reformismus zum Klangteppich der Erzählung über uns zu machen.

A.3. Alte Misstöne statt neuem Sound

Es ist erst 24 Monate her, da stand der Zusammenschluss aus PDS und WASG beim Parteitag in Göttingen vor einer Zerreißprobe, heute gilt das Projekt als konsolidiert, wenn auch auf niedrigerem Niveau. Gab es, Neugebauer folgend, vor Göttingen einen unerklärten Kriegszustand, gibt es seitdem Waffenruhe – Frieden herrscht noch nicht, wie sich derzeit zeigt. Die fragile post-Göttingen-Architektur der Linkspartei ist leicht zu erschüttern, auch wenn die Erschütterungen im notorisch aufgeregteren Berliner Politik- und Medienbetrieb den Sockel der Partei (noch) nicht in Panik versetzen.

Jeder neue linke Sound, den sich die Parteivorsitzende wünscht, benötigt einen politisch angemessenen Klangkörper. Derzeit werden wieder mehr Misstöne produziert. Die Gründe dafür liegen in einer fatalen innerparteilichen Diskussionskultur und einer fehlenden verbindenden Idee, die auch Zerreißproben zu überstehen hilft. Die Partei ist in Teilen noch stärker eine Sammlungsbewegung als gedacht.

A.4. Keine antagonistischen Blöcke – hilfloser Wunsch nach politischem Zentrum

Die Konflikte in der Linkspartei werden häufig dadurch zu erklären versucht, dass es zwei sich antagonistisch gegenüber stehende Blöcke gebe. Einerseits die Reformer_innen und andererseits die Linksradikalen (die Begriffe variieren). Die eine Seite wird symbolisiert durch das forum demokratischer sozialismus (fds), die andere durch die Koalition aus Sozialistischer Linker (SL) und Antikapitalistischer Linker (AKL) mit den diversen Satelliten, wie KPF, Geraer Dialog etc.

Diese Sichtweise mag anschaulich sein, richtig ist sie nicht. Vernachlässigt werden sowohl die Binnendifferenzen zwischen den handelnden Akteuren als auch, dass die Strömungen nur eine Minderheit der Partei repräsentieren. Die Vielfalt in der Partei auf eine Bipolarität zweier Strömungsblöcke zu reduzieren, wäre unangemessen. Mehr noch: zwar existieren die verschiedenen Gruppen und Strömungen, doch hat ihre Bedeutung für den innerparteilichen Meinungsbildungsprozess abgenommen. Es sind vielmehr einzelne Exponent_innen verschiedener Positionen, die die öffentliche Auseinandersetzung dominieren. Die Medien sowie parlamentarische Öffentlichkeit dienen dabei als willkommener Verstärker, wie Sevim Dagdelen in der Ukraine-Debatte jüngst immer wieder so eindrucksvoll wie verzichtbar demonstrierte.

Die Erzählung der Konflikte hat ein Eigenleben entwickelt. Auch in die Partei hinein. Als Konsequenz darauf wird häufig der Wunsch nach einem Zentrum der Partei geäußert. Es soll zwischen den »Extremen« ausgleichen und dadurch Halt geben.

Auch wenn es bei der Beschreibung der Konflikte in der Linkspartei oftmals nahe liegt, auf Kriegs-Analogien zurückzugreifen, ist die Partei weder im heißen noch im kalten Krieg zweier Blöcke im Systemkonflikt. Sie ist vielmehr eine Sammlungsbewegung von Mitgliedern sehr unterschiedlicher Organisationstraditionen und einer problematischen Diskussions- und Konfliktkultur. Darauf wird im Abschnitt 5 eingegangen.

Was DIE LINKE benötigt ist weniger eine Gruppe von Personen, die sich selbst zum politischen Zentrum ausruft, als vielmehr ein Gravitationszentrum aus gemeinsam getragenen Werten und politischen Zielvorstellungen. Dies wäre eine Art Corporate Identity, die sich nicht allein aus der Abgrenzung »Wir gegen alle anderen« speist.

A.5. »No pasarán!« als innerparteiliche Diskussionskultur

Dass das Bild einer innerlinken Blockkonfrontation so glaubwürdig ist, liegt an der Linkspartei selbst. Mit einer bisweilen bizarren Unerbittlichkeit und weit über die Grenze persönlicher Verletzungen hinaus, werden in ihr Konflikte ausgetragen.

Alle etablierten Parteien in Deutschland verfügen über politische Flügel, Strömungen und Netzwerke. Einige repräsentieren ideologische Differenzen, andere sollen eher der Karriere dienen. Auch in diesen Parteien wird zum Teil heftig um Positionen, häufiger noch heftiger um Karriere und Einfluss gestritten.

Aber nur in der Linkspartei wird in solcher Regelmäßigkeit dem innerparteilichen Kontrahenten die Legitimität des Verbleibs in der Partei mehr oder weniger explizit abgesprochen.

Konflikte nur nach dem Prinzip »No pasarán!« zu führen, vergiftet das politische Klima sowohl in der Partei als auch in ihren Strömungen.

Unter diesen Witterungsbedingen entstehen Wachbuchaffären (2002), ein „Klima der Denunziation“ (Gysi 2010), wird Bundesgeschäftsführern öffentlich Illoyalität vorgeworfen (2010), entstehen Liederbücher mit Schmäh-Inhalten (2012) und Papiere, in denen Bundestagsabgeordnete als „personelles No-Go“ bezeichnet werden (2013) bzw. wird über absichtlich unkonkret über Verfehlungen des Bundesschatzmeisters auf dem Wahlparteitag herumgeheimnist (2014).

Das sind aber nur die Spitzen des Eisberges, die öffentliche Eruptionen hervorriefen. Die Verhandlungen der Bundes- und Landesschiedskommissionen dürften ein wesentlich düsteres Bild aus dem Alltag unserer Partei zeichnen.

Wer daran Schuld trägt, ist müßig zu beantworten. Im Aufruf „Wir sind DIE LINKE“ im Vorfeld des Göttinger Parteitags, den über 1.300 Genoss_innen unterzeichneten, wurde diesbezüglich zu Recht formuliert: „Die Verantwortung für die Situation, in der sich unsere Partei befindet, ist nicht einzelnen Personen oder Gruppierungen in unserer Partei zuzuschreiben; für die Außendarstellung, das politische Profil und die Diskussionskultur tragen wir Mitglieder der LINKEN gemeinsam Verantwortung – genauso wie für unsere Fähigkeit, Menschen für DIE LINKE zu gewinnen und politische Bündnisse einzugehen.

(…) Wir (müssen) die teilweise in unserer Partei vorhandene Logik ‚Wir gegen alle/Wir haben die einzige Wahrheit‘ schnell und dauerhaft überwinden. Denn diese Logik – wir im Besitz der Wahrheit, dort der Rest der Gesellschaft – ruiniert auf Dauer unsere Partei.

A.6. »Mosaik-Linke« sein und so handeln

Das IG Metall-Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban hat bereits vor einigen Jahren die normative Vorstellung einer »Mosaik-Linken« entwickelt, die das Prinzip der autonomen Kooperation anwendend, nach gemeinsamen politischen Projekten und Zielen fahndet, ohne einen zu großen Vereinheitlichungsanspruch anzumelden:

„Die Bewahrung der organisationskulturellen Autonomie der Kooperierenden muss der Attraktivität einer solchen Bewegung keineswegs abträglich sein. Denn wie ein Mosaik seine Ausstrahlungskraft als Gesamtwerk entfaltet, obwohl seine Einzelteile als solche erkennbar bleiben, könnte eine neu gegründete Linke als heterogener Kollektivakteur wahrgenommen und geschätzt werden.“ (Urban 2009: 77f.)

Man stelle sich vor, DIE LINKE würde anwenden, was Urban für die »Mosaik-Linke« als Erfordernis empfiehlt: Wenn sich diese trotz unterschiedlicher kultureller Welten und unterschiedlicher Milieuprägungen zu gemeinsamen politischen Projekten zusammenfindet, „müsste eine neue Kultur der wechselseitigen Toleranz und der Akzeptanz der spezifischen Bewegungs- und Organisationskulturen die Schlüsselressource eines solchen Bündnisses darstellen.

A.7. Linksreformismus als politische Haltung, Methode und Ziel

Würde man das Bild der »Mosaik-Linken« ernst nehmen und auf DIE LINKE anwenden, käme es darauf an, den Rahmen zu definieren, der die Mosaik-Teile zu einem Muster zusammenfügt, ein Bild entstehen lässt. Derzeit wird vor allem danach gesucht, welche Mosaik-Steine nicht zusammen passen.

Die politische Praxis der Linkspartei ist, bei Licht besehen, mit dem Begriff Linksreformismus am besten umschrieben.

Er ist notwendiges Resultat einer bestimmten Entwicklungsstufe der kapitalistischen Gesellschaft. Und der Abwesenheit von Bedingungen, die einen ebenso schnellen wie radikalen gesellschaftlichen Wandel auslösen, wie bei der Friedlichen Revolution 1989.

Seit der Bernstein-Luxemburg-Kontroverse hat der Reformismus in der nichtsozialdemokratischen Linken einen schlechten Leumund. Jüngere Versuche aus der Rosa-Luxemburg-Stiftung, mit dem Begriff der »radikalen Realpolitik« quasi den Reformismus durch Luxemburg zu besetzen, sind gut gemeint und hilfreich. Es spricht aber genau deshalb viel dafür, das was DIE LINKE tut, beim Namen zu nennen. Bewertet man die Entwicklung der Linkspartei in den vergangenen sieben Jahre, die in ihr repräsentierten Traditionslinien und ihre innerparteilichen Kontroversen, kristallisiert sich heraus, dass sie bei allen Differenzen und Unterschieden eine Politik des angewandten Linksreformismus praktiziert.

Was der Linkspartei freilich bislang fehlt, ist die Fähigkeit, Linksreformismus als positiven Ausdruck der eigenen politischen Haltung zu verstehen. Eine Haltung, die nach außen und nach innen wirkt.

Ein linker Reformismus wird stets durch die Suche nach der richtigen Antwort geprägt sein, nicht durch die Gewissheit einer gesetzmäßig richtigen Antwort. Trial and error (Versuch und Irrtum) ist unverzichtbarer Bestandteil des methodischen Instrumentenkastens linksreformerischer Politik, die Widersprüche ebenso akzeptiert wie die Dualität von Rück- und Fortschritten.

Linksreformismus in diesem Sinne wäre also politische Haltung, Methode und Ziel. Er würde, so verstanden und genutzt, die Bindewirkung entfalten, die gemeinhin im Wunsch nach einem politischen Zentrum der Partei ausgedrückt wird. Es wäre der Grundkonsens, der Vielfalt ermöglicht, ohne Pluralismus als Beliebigkeit zu fassen.

A.8. Moderne europäische Linkspartei

Als die PDS nach der Bundestagswahl 2002 aus dem Bundestag flog und nur zwei direkt gewählte Abgeordnete verblieben, lag dies am fehlenden Gebrauchswert der Partei und wurde ihre 2. Erneuerung gefordert.

Wer auf die vergangenen zwölf Jahre zurückblickt und sich an die Rahmenbedingungen erinnert, unter denen 2002 auf dem Geraer Parteitag das »Forum 2. Erneuerung« gegründet wurde, sollte auf DIE LINKE stolz sein. Sie repräsentiert mit hoher Wahrscheinlichkeit viel stärker diejenige Idee einer gesamtdeutschen europäischen Linkspartei, zu der die PDS damals erneuert werden sollte.

Zur Erinnerung: DIE LINKE hat sich auf dem Bundesparteitag in Dresden gegen die populistische Versuchung und für eine pro-europäische Linke entschieden. Mit den Worten von Axel Troost: Kritik an der EU ist in vielerlei Hinsicht unverzichtbar und dringend nötig. Aber ein Rück­griff auf eine nationalstaatliche Lösung hilft uns nicht weiter. Die EU ist auch nicht per se ein neoliberales Projekt. Das heutige Europa – der Gemeinsame Markt und die Europäische Union – wurde auf dem Fundament bestimmter Prinzipien errichtet: kein Krieg mehr in Europa, universale Menschenrechte und ein Gesellschaftsvertrag, der auf mehreren Säulen ruht: soziale Inklusion und Absicherung, ein öffentliches Bildungs- und Gesundheitswesen und eine allgemeine Daseinsvorsorge, schließlich die schrittweise Annäherung des Lebensstandards der ärmeren Regionen an das Niveau der erfolgreichsten Länder. An dieses Fundament will die europäische Linke anknüpfen und endlich ein soziales Europa verwirklichen.“ (Troost 2014)

Nach der Bundestagswahl 2013 hat DIE LINKE der SPD Sondierungsgespräche angeboten, die ernst gemeint waren. Die jüngste Rentenreform wurde von der Linksfraktion im Bundestag nicht abgelehnt, sondern mit einer Enthaltung bedacht, bei Benennung der zustimmungsfähigen Aspekte und linken, weitergehenden Alternativen. Weitere Beispiele ließen sich benennen, jenseits dessen, dass zwischenzeitlich zunehmend weniger die Frage des „Ob“ linker Regierungsbeteiligungen debattiert wird, sondern das „Wie“. Auch dies ein Meilenstein gegenüber der PDS, aber auch den Anfängen der gemeinsamen Partei DIE LINKE.

Das alles ist nicht das Ergebnis einer Strömung, sondern kollektiver Entscheidungsprozesse. Selten unstrittiger. Doch es zeigt: Linksreformismus ist kein Eigentum einer oder zwei Strömungen der Partei, sondern alle die ein Interesse an der Fortentwicklung der Partei haben, sollten sich im beschriebenen Sinne für ein Verständnis von Linksreformismus als Weg, Methode und diskursiver Haltung in unserer Partei einsetzen.

A.9. Zukunftskongress - Herausforderungen

Die Parteivorsitzenden haben einen Zukunftskongress vorgeschlagen. Unter den gegebenen Voraussetzungen ist es wahrscheinlicher, dass er zu einer Eintagsfliege statt zu einem Türöffner wird. Dies liegt bereits daran, dass zwar die Idee eines Zukunftskongresses postuliert wurde, die Vorbereitung jedoch wenig transparent verläuft und auch über die zu debattierenden Zukunftsthemen keine diskursorientierte Verständigung stattfand.

Worum es gehen muss, hat Steffen Pachali auf den Punkt gebracht: „Was DIE LINKE heute braucht, ist eine differenzierte und lautstarke Auseinandersetzung mit den Erfolgen und Unzulänglichkeiten der tatsächlichen LINKEN Reformpolitik mit der Zielsetzung einer radikalrefomerischen Ausrichtung. Da gibt es viel, was dringend fortzuschreiben ist: Die Energiewende kratzt an den LINKEN Programmgrenzen realexistierender Tagebaue, die Gemeinschaftsschule hat Zeichen gesetzt, bildungspolitisch kann der Rückgriff auf die POS jedoch nicht zukunftsfähig sein, die LINKE Außenpolitik hat die Widersprüche und Dilemmata an allen Ecken bis heute nicht überwunden, Emanzipation wird auch in der LINKEN noch zu oft als ein Frauenthema verstanden – um nur einige Probleme zu benennen.“

Weitere Aspekte werden im bereits zitierten Papier von Möhring/Troost benannt: „für einen großen Teil der Bevölkerung (stellt) die chronische finanzielle Unterfinanzierung der Kommunen und eine zunehmende Verschärfung der Wohnsituation mit immer weniger bezahlbarem Wohnraum auch außerhalb der Metropolen eine zentrale Erfahrung von Verlust von Lebensqualität ist. Dabei ist das gesamte Umfeld der öffentlichen Daseinsvorsorge – von kompetenten und transparenten kommunalen Un­ternehmen bis zur guten Qualität aller kommunalen Angebote – entscheidend für die Le­bensqualität von Bürgerinnen und Bürgern und den spürbaren sozialen Ausgleich. DIE LINKE muss hier konkrete Auswege aus den er- und gelebten politischen Konflikten, von den Mieten bis zum ÖPNV, von der regionalen Wirtschaftsförderung bis zum Angebot an sozialen, kulturellen Trägern und in der Bildung unterbreiten.“

Im Neuen Deutschland fand und findet eine intensive Debatte zu den künftigen thematischen Herausforderungen der Linkspartei statt. »Was sollen noch so moderne und diskursmächtige zivilgesellschaftliche Bündnis- und Crossover-Projekte ausrichten, wenn rund acht bis zehn Millionen Menschen außen vor bleiben«, fragten dort Joachim Bischoff und Christoph Lieber mit Blick auf die soziale Spaltung der Wählerschaft in Deutschland. Horst Kahrs stellte die Herausforderungen der digitalen Revolution für neue Spaltungen in der Arbeitswelt einerseits und die Erfordernisse öffentlicher Infrastruktur, Dienste und Güter ins Zentrum. Horst Arenz befasste sich mit einem linken Freiheitsbegriff als Antwort auf die mit Individualisierung und Alltagsleben im Kapitalismus verbundenen widersprüchlichen Prozesse.

An anderer Stelle wurde jüngst ganz grundsätzlich gefragt, ob und welche Idee DIE LINKE von den Befreiungspotenzialen der technologischen Entwicklungsschübe hat. In der Regel hat die Linke, egal ob in Versalien oder nicht, dazu nur eine Antwort „Nee“. Recht einfach, für den Neoliberalismus, Fortschritt für sich zu vereinfachen, wenn sich Linke wie Konservative verhalten und darauf stolz sind. Wie letztere verpasst die Linke dadurch aber auch die Gelegenheit, rechtzeitig die Herausforderungen, die sowieso auf sie zukommen, weil sich Fortschritt eben nicht aufhalten lässt, zu reagieren. Es kann aber kein Zukunftskonzept sein, immer erst laut zu krakeelen, wenn die sozialen und politischen Aufräumarbeiten anstehen. Vielleicht ist „Nein“ und Skepsis häufig die richtige Antwort – aber nicht, wenn darüber nicht ernsthaft diskutiert wird, sondernd immer nur weiter gemacht wird unter Berufung auf das »alte Wissen«, das man nicht mehr hinterfragt. Das wäre Theologie.

A.10. Linksreformistischer »‘Think and do‘ Tank«

Strömungen können die Funktion von Denkwerkstätten übernehmen und partiell zur kollektiven Weisheit der Partei beitragen. In der Regel sind das jedoch eher Zufallsprodukte ihrer Arbeit.

„So unverzichtbar Flügel und Strömungen für einen lebendigen, demokratischen, innerparteilichen Pluralismus sind, eines vermögen sie nicht – der Partei als Ganzes Profil und Handlungsfähigkeit zu geben“, formulierten PDS-Reformer_innen bereits 1998 in einem »Brief aus Berlin«. Ebenso gilt: Einer (Partei) ohne Flügel, die sich inhaltlich definieren, droht Stagnation, weil ihr der innere Drang zur Weiterentwicklung ausginge.“

Gleichzeitig müssen wir konstatieren, dass das Alltagsgeschäft von Partei- und Fraktionsarbeit auf unterschiedlichen Ebenen die langfristige strategische Arbeit häufig behindert. Allerorten wird geklagt, nicht genug Zeit zu haben, für die richtigen Antworten auf die Fragen der Zeit.

Gefragt ist die Fähigkeit, über das Tagesgeschäft hinausreichende strategische politische Ziele zu formulieren und zugleich über die zu ihrer Umsetzung erforderlichen Wege und Mittel als auch über die notwendigen Ressourcen nachzudenken.

Institutionen wie das Institut Solidarische Moderne sind bislang nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Unterstützung der Scientific Community instabil und wenig planbar, zumal sie am Tropf der Drittmittel hängt, die häufig dem Mainstream folgen.

Auch die politischen Stiftungen können dieses Defizit nicht auffangen, zumal sie keine unmittelbare Parteipolitik machen dürfen. Auch wenn die Beiträge aus der Rosa-Luxemburg-Stiftung zunehmend spannender werden, die Hans-Böckler-Stiftung mit einigen Studien die Debatte belebt. Weitere Beispiele ließen sich finden.

Linksreformistische Politikentwicklung benötigt insofern möglicherweise ein »‘Think and do‘ Tank«. Dessen Aufgabe bestünde darin, die Vielfalt linksreformistischer Akteure und Zugänge abzubilden und sich in seinem Arbeitsprogramm und seinen Arbeitsformen nicht am wünschenswerten, sondern an den konkreten Bedürfnissen der Herausforderungen, vor denen die Partei steht, zu orientieren. Also das Gespür für langfristig wichtige Themen mit kurz- und mittelfristigen Politik- und Strategieempfehlungen zu versehen. Ein Beispiel: Wenn wir 2015/2016 in Hamburg, Bremen und Berlin aus den Landtagswahlen erfolgreich hervorgehen wollen und möglicherweise in Gestaltungsverantwortung stehen werden, sind linke Antworten auf die Herausforderungen der großen Städte und Metropolen zu finden. Gefragt sind Expertise, Zugang zu Wissenschaft und Verbänden, Abstimmung mit Denkwerkstätten und Zirkeln, wie sie die RLS bereitstellt. Vor allem aber die Bereitschaft zu einem sachlichen und pluralistischen Diskurs. Ein solcher »‘Think and do‘ Tank« könnte also vieles sein – doch keine Strömung im herkömmlichen Sinne.

B.1. Risse in den politischen Lagern – heimatlose Linksreformer_innen

Dass das Lager der Reformer_innen schon zu PDS-Zeiten, spätestens seit dem Parteitag von Münster zerrissen war, ist seit nunmehr 14 Jahren bekannt. In all diesen Jahren ist es freilich nicht gelungen, diese Risse zu kitten. Stattdessen hat Entfremdung eingesetzt, die taktische Zusammenarbeit in Gremien nicht ausschloss – wohl aber gemeinsame Politikentwicklung und solidarische Diskurse auf Basis von Vertrauen.

Der beginnende Vereinigungsprozess von WASG und PDS wurde nicht wirklich als Aufgabe angesehen, die Zukunft unter veränderten Bedingungen zu gestalten. Vielmehr wurde er als Bedrohung empfunden. Den objektiven Bedingungen ausgesetzt wurde mitgespielt - niemand wollte ja schuld sein, wenn man mit einer Alleinkandidatur der PDS bei den Bundestagswahlen scheitert –, aber nicht als Akteur für Neues. Nicht emphatisch, sondern mit dem Gestus des PDS-Konservators, als Zuschauer oder sich ausgegrenzt fühlender Akteur.

Dass im Zuge der Fusion von PDS und WASG neu hinzukommende Akteure, mit einer grundsätzlich linksreformerischen Einstellung dem fds freundlich bis skeptisch distanziert gegenüber standen und stehen, ist unter diesem Gesichtspunkt kein Wunder.

Hinzukommt, dass das fds seine strategische Funktion nie wirklich entschieden hat. Hin und her gerissen zwischen der Rolle als Lordsiegelbewahrerin der PDS, dabei zunehmend als Vertriebenenverband wirkend, und dem Anspruch, die Mehrheit der Partei intellektuell und via ostdeutschen Landesverbänden auch durch Masse zu repräsentieren, lavierte es stets zwischen frustrierter Opposition und sich selbst überschätzendem Gestaltungsanspruch.

Dass sich das fds und auch eine Reihe von Akteuren in der Sozialistische Linken für ihre Strömung im siebten Jahre der Partei DIE LINKE die Frage nach der jeweiligen strategischen Geschäftsgrundlage stellen, ist logisch. Beide Strömungen repräsentieren, anders als AKL, KPF u.a. die in ihrem Gestus und politischen Konzept sich als innerparteiliche Opposition gegen die Gefahr der Anpassung an den Mainstream sehen, den Anspruch, die Partei zu gestalten und zu prägen. Dies führt dazu, dass sie auf Bundesparteitagen und ihre Akteure in Gremien willens und fähig zu Kompromissen sind, die innerhalb der jeweiligen Strömung durchaus als problematisch wahrgenommen werden.

DIE LINKE hat sich in den vergangenen Jahren jedoch in einer Weise entwickelt, die es für fds und SL als Synonyme für ostdeutsche Reformer_innen bzw. westdeutsche pragmatische Gewerkschaftslinke zunehmend schwieriger macht. Denn die klassischen Ost-West-Themengrenzen verschwimmen, die Zahl der Funktionäre, Mitglieder und Sympathisant_innen, die weder PDS noch WASG aus eigener Anschauung oder politischer Praxis kennen, nimmt zu, während die Erinnerung an die PDS selbst bei früheren Mitgliedern in die Sphäre der Anekdoten verschwimmt. Der Osten ist schon lange nicht mehr die Sphäre des fds, der Westen nicht automatisch SL.

B.2. Denkwerkstätten und innerparteiliche Netzwerkarbeit

Vor zwei Jahren beschloss das fds auf seinem Bundestreffen: „Das Wegfallen der bislang verbindenden Klammer der LINKEN, sozialdemokratisch mitgetragene neoliberale Politik gemeinsam abgewehrt zu haben, die nicht mehr vorhandene Alleinstellung bei linken Alternativen und die nachlassenden Wachstumsprozesse bei Mitgliedschaft und Wähler/-innen, haben nicht zuletzt aufgrund mangelnder politischer Führung zu Desintegration und Resignation in der LINKEN geführt. Das fds hat demgegenüber die Aufgabe, durch eine konsequente Ausrichtung auf die Rolle einer »Denkwerkstatt innerhalb der LINKEN« dazu beizutragen, unsere Partei als eigenständige politische Kraft, die programmatisch dem demokratischen Sozialismus verpflichtet ist, zu positionieren. Wir wollen durch unsere Tätigkeit den Dialog mit dem »gesellschaftlichen Lager« demokratischer Sozialist/-innen intensivieren und zu dessen Fortentwicklung beitragen.“ (fds 2012)

Diesem Anspruch sind wir als fds nicht gerecht geworden. Vielleicht gehörte dies auch zu der oben beschriebenen Selbstüberschätzung des fds.

Trotz des oben Gesagten, sollte das fds den Anspruch, Think Tank zu sein, weiterhin aufrecht erhalten und entsprechende Maßnahmen (Akademie etc.) ergreifen. Ob es aber heute noch über Ressourcen verfügt, tatsächlich eine Denkwerkstatt zu sein bzw. ob der Wille dafür vorhanden ist, konkrete Reformprojekte zu konzipieren, ist mehr als unsicher.

Sicher ist jedenfalls, dass der Kreis derjenigen, die linksreformistische Politik- und Strategieentwicklung befördern wollen und sich dazu einer oder mehrerer Denkwerkstätten bedienen würden, weit über das fds hinausgeht und vom fds nicht allein integriert werden kann.

Ob aus entsprechend interessierten Kreisen im Umfeld von fds, SL und den Rudimenten der EmaLi, ostdeutschen Landesverbänden sowie aus Abgeordneten von Parlamentsfraktionen in Ost und West oder dem Bund die Initiative für ein solches »Netzwerk Linksreformismus« im oben beschriebenen Sinne ergriffen wird, ist noch unklar, doch selten war der Bedarf dafür so groß wie derzeit und das Bedürfnis, die bestehende innerparteiliche Verunsicherung in solcher Form produktiv aufzugreifen, stärker. Ohne tatsächliche Investition in die Tätigkeit durch relevante Akteure wird es jedoch bei dem alleinigen Bedürfnis bleiben, werden strategische Fragen unbeantwortet bleiben und politische Konzepte den Weg von der Idee bis zum Entwurf nicht schaffen.

Die Entstehung solcher diskursiver Netzwerke muss oder sollte weder die SL noch das fds ersetzen. Denn unabhängig von strategischen Debatten, die von Think Tanks befördert werden, wird es weiterhin das Bedürfnis geben, inhaltliche Positionen zu formulieren, in Anträgen zuzuspitzen sowie Personen bei Wahlen zu fördern oder durch die Benennung von personellen Alternativen zu verhindern. Kurz, das Kerngeschäft von Strömungen zu betreiben: Inhalts-, Personal- und Einflusspolitik zu betreiben. Wer das Gegenteil behauptet, sollte aufpassen, ob die Nase wie bei Pinocchio wächst. Auch unformalisierte Netzwerke, wie das frühere „U-35-Treffen“ wird es geben, in welcher Konstellation auch immer.

B.3. Wie weiter mit dem fds?

Dirk Hansen und Torsten Löser haben in einer umfangreichen Antwort auf das Papier der fds-Bundessprecher_in, Luise Neuhaus-Wartenberg und Stefan Liebich reagiert. Sie machen darin deutlich, dass sie sich ein fds wünschen, dass sich als Strömung versteht. Eine Strömung sei, so die beiden, jedoch weder „think tank“ noch „Personennetzwerk“. Was es dann sei, führen die beiden nicht aus, erwähnen aber vier organisatorische Aspekte, die sie für unverzichtbar halten:

1. Möglichst flache Hierarchien mit verbesserter Kommunikation.

2. Die fds-Schriftenreihe, die als Debattenforum gestaltet sein soll

3. Die fds-Akademie, die inhaltlich und organisatorisch an den zuvor von Hanseln/Löser genannten Strategiefeldern auszurichten sei.

4. Der fds-Newsletter.

Wenn das fds als bundesweiter organisatorischer Zusammenschluss bestehen bleiben soll, sind diese Instrumente tatsächlich unverzichtbar. Jörg Prelle, Michael Riese und Steffen Pachali haben in ähnliche Richtung argumentiert, auch wenn Prelle/Riese ein loses Netzwerk mit jährlichem Kongress als Plan B aufführen.

Aller Erfahrung nach, wird das fds am Wochenende keine »entweder oder«-Entscheidung treffen, sondern wird das fds situativ das eine wie das andere sein.

Last but not least wird das fds nur dann aus seiner derzeitigen Verfassung herauskommen, wenn sich in ihm nicht nur die sich ausgeschlossen fühlenden Verlierer_innen politischer Entscheidungen, die trotzig darauf verweisen, immer eine gute Arbeit gemacht zu haben, die leider nicht ausreichend gewürdigt wird. Das führt im Ergebnis zu nichts als einer Verbitterungsstörung.

Adressiert sind vielmehr diejenigen, die in ihren Landesverbänden und Fraktionen alltäglich in Verantwortung, wie immer die aussehen mag, stehen, zusammenfinden. Doch solange bereits die aus der PDS stammenden linksreformerischen Agenda-Setter der Partei das fds jedoch wahrnehmen wie das eher lästige und schwer erziehbare Kind, das der Partner aus einer früheren Beziehung in die neue Partnerschaft eingebracht hat, werden Ideen woanders geboren, Entscheidungen woanders vorbereitet und die fds-Diskussionsbeiträge wohlwollend ignoriert. Diese Erfahrungen zeigt zumindest die Praxis der vergangenen Jahre.

Ob die Zeit für einen solchen Neustart abgelaufen ist, lässt sich schwer einschätzen. Klar ist zumindest, dass ein relevanter Teil des linksreformerischen Spektrums in der Linkspartei das fds für sich selbst nicht als Plattform von Politikentwicklung versteht. Das spricht nicht gegen das fds und nicht für dessen Beerdigung – vielmehr dafür, gerade deshalb gute Arbeit zu machen und zu sehen, ob die Zukunft des fds in einer anderen Form der linksreformerischen Organisierung mündet – oder nicht.

Literatur:

Albers, D. 1980: Gedanken über den „Dritten Weg zum Sozialismus“ in Westeuropa, in: Das Argument Nr. 121, S. 334-346.

Brie, M. (Hrsg.) 2009: Radikale Realpolitik. Plädoyer für eine andere Politik, Berlin. URL: http://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Texte-62.pdf

Brief aus Berlin, 1998: URL: http://www.die-linke-berlin.de/politik/positionen/partei/strategie-debatte/brief_aus_berlin_die_pds_ist_in_eine_neue_entwicklungsphase_getreten/

Hansen, D./Löser, T. 2014: Wir müssen miteinander reden – Versuch einer Antwort, URL: http://torstenloeser.wordpress.com/2014/06/14/wir-mussen-miteinander-reden-versuch-einer-antwort/.

Hoff, B.-I. 2014: Große Aufgabe, schmales Zeitfenster. Unter welchen Bedingungen die Linkspartei Politik macht, mit wem und welche Rolle sie dabei spielt: Ein Beitrag zur Strategiedebatte der Linkspartei, URL: http://www.neues-deutschland.de/artikel /931939.grosse-aufgabe-schmales-zeitfenster.html?sstr=benjamin-immanuel|Hoff

Neugebauer, G. 2014: Cui bono? Rot-rot-grüne Träume zerplatzen an der Realität, in: Neue Gesellschaft Frankfurter Hefte, Nr. 6/2014, S. 29-32.

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