28.03.2011

Die Ergebnisse der Wahl in Baden-Württemberg am 27. März 2011

Wahlnachtbericht und erste Analyse von Prof. Dr. Benjamin-Immanuel Hoff und Horst Kahrs

Die Landtagswahl in Baden-Württemberg beendete eine 58jährigen CDU-Herrschaft. Die „regierende Partei“ im Lande blieb zwar stärkste Kraft, aber besitzt mit ihrem bisherigen Koalitionspartner FDP keine Regierungsmehrheit mehr. Der Verlust des „konservativen Stammlandes“ der CDU wird vermutlich keine aktuellen Auswirkungen auf die Bundesregierung haben. Er wird jedoch alsbald die Auseinandersetzungen in der CDU zwischen „Wertkonservativen“ und „Modernisierern“ verschärfen und den Merkel’schen Pragmatismus auf eine harte Probe stellen. Der Zenit der Kanzlerschaft von Angela Merkel könnte überschritten sein.

Das Ende der CDU-Herrschaft in Baden-Württemberg geht einher mit dem bisher größten Wahlerfolg der Grünen bei einer Landtagswahl. Die Grünen werden stärker als die SPD und können erstmals in einem Bundesland den Ministerpräsidenten in einer Koalition mit der SPD stellen.

Für die SPD bedeutet eine Juniorpartnerschaft unter Führung der Grünen, erstmals den Führungsanspruch in einer linken Regierungskonstellation preisgeben zu müssen. Auch hiervon werden noch nicht absehbare Auswirkungen auf zukünftige Regierungsbildungen in den Ländern ausgehen.

Die Ablösung eines schwarzen Ministerpräsidenten durch einen grünen Ministerpräsidenten im Land von Daimler, Bosch und anderen Vorzeigefirmen der deutschen Metall- und Exportindustrie hat weit über die Landesergebnissen hinaus Bedeutung und Symbolkraft. Es ist ein Votum für eine forcierte „ökologische“ Wende in der Energie- und Industriepolitik, nicht nur eine tagesaktuelle Reaktion auf die Dreifach-Katastrophe in Japan und die unglaubliche Wende der Bundeskanzlerin in der deutschen Atompolitik.

Die Vorzeichen im Land waren auf Regierungswechsel gestellt. Der geringen Zufriedenheit mit der Landesregierung korrespondierte eine hohe Zustimmung für eine Regierungsbildung von SPD und Grünen. Die Aussicht, dass die Grünen erstmals vor der SPD liegen könnten, erhöhte die Mobilisierung zu den Landtagswahlen. In den letzten zwei Wochen spitzte sich der Wahlkampf unter dem Eindruck der japanischen Katastrophe nochmals auf Schwarzgelb versus Rotgrün zu.

Die Wahlbeteiligung erhöhte sich um 12,8 Prozentpunkte. Die Zahl der Wählerinnen und Wähler stieg um 25,8% bzw. 1,037 Mio. Wahlberechtigte. Die gestiegene Wahlbeteiligung führte dazu, dass alle Parteien absolut Stimmen hinzugewannen – mit Ausnahme der FDP, die fast 160.000 Stimmen verlor.

Die CDU mit Ministerpräsident Stefan Mappus verlor 5,2 Prozentpunkte und 9 Landtags-Sitze. Sie erreichte auch nur noch 60 statt 69 Direktmandate. Mit 39,0 Prozent der gültigen Stimmen erreichte sie ihr schlechtestes Ergebnis seit 1952. Allerdings hatte sich auch bei der Wahl 1992 nur 39,6% der Stimmen erzielt.

Die SPD verlor nochmals 2,1 Prozentpunkte und erreichte nur noch 23,1%, das schlechteste Ergebnis bei einer Landtagswahl in Baden-Württemberg, aber deutlich mehr als die 19,3% bei der vergangenen Bundestagswahl. Die SPD erreichte wieder ein Direktmandat.

Die Grünen verdoppelten ihren Stimmenanteil auf 24,2 Prozent (+12,5%). Die Zahl ihrer Abgeordneten stieg von 17 auf 36. Sie eroberten neun Wahlkreise direkt. Das Ausmaß des grünen Erdrutsches verdeutlicht der Blick auf die vergangene Bundestagswahl, bei der die Grünen mit 13,9% ebenfalls bereits überdurchschnittlich gut abgeschnitten hatten. Sie erhöhten die Zahl der absoluten Stimmen nochmals um 450.000 gegenüber der Bundestagswahl, ein Plus von fast 60%.

Die FDP hat den Wiedereinzug in den Stuttgarter Landtag, im „liberalen Stammland“ knapp geschafft. Sie halbierte ihren Stimmenanteil und verlor 8 von 15 Landtagssitzen. Mehr noch, sie erreichte nur noch ein Viertel der Wählerinnen und Wähler der Bundestagswahl 2009 und weniger als zwei Drittel ihrer Wählerinnen und Wähler bei der letzten Landtagswahl. Hinsichtlich der absoluten Stimmen ist die FDP die Verliererin des Abends.

DIE LINKE verfehlte ihr Wahlziel, den Einzug in den Landtag, deutlich. Mit 2,8% erreichte sie nicht einmal das Ergebnis der WASG von 2006. An absoluten Stimmen legte sie aber um 17.800 oder knapp 15% zu. Allerdings blieb sie weit entfernt von den 7,2% bei der vergangenen Bundestagswahl und erreichte auch nur noch 36% der damaligen Stimmen. Als Ursachen lassen sich am Wahllabend ad hoc vor allem zwei Faktoren nennen: das dominierende Thema der Atom-/Energie- und Umweltpolitik gilt weithin nicht als Thema der Linken und sie vermochte es offensichtlich auch nicht, es mit Fragen der sozialen Gerechtigkeit wahlentscheidend zu verbinden. Zweitens verlor in den letzten Tagen vor der Wahl die These, dass nur bei einem Einzug der Linken Mappus abgewählt sei, angesichts der Umfragen an Durchschlagskraft. Wähler und Wählerinnen, die ihre Entscheidung unter taktischen Gesichtspunkten – Wer soll zukünftig regieren – treffen, entschieden sich direkt für Grüne oder SPD.

Den gesamten Bericht können Sie nachstehend zum Download aufrufen.

Download-Dokumente: